Hamburg. Maiken Nielsen hat mit „Space Girls“ einen Roman über Frauen geschrieben, die bei der Nasa auf männlichen Widerstand stießen.

Die Kultur ist zurzeit gerade ziemlich mondsüchtig. Der britische Astrophysiker Ben Moore hat mit „Mond“ eine Biografie des Erdtrabanten geschrieben, am 7. Juli kommt mit „Apollo 11“ ein Film über die erste bemannte Mondlandung in die Kinos, und der Taschen Verlag veröffentlicht „Das NASA Archiv. 60 Jahre im All“. Auch die Hamburger Autorin Maiken Nielsen ist mit beim aktuellen space race dabei – mit einem Roman. Es geht in „Space Girls“ um eine Gruppe von amerikanischen Frauen, die ein Training für Astronauten absolvierten.

Bevor Nielsen diese Frauen vorstellt, kommt erst einmal ihre fiktive Protagonistin zu ihrem Recht. Martha ist eine ehemalige Kunststudentin aus Köln, die Klassiker nachmalt, aber manchmal auch Dokumente fälscht. Sie bekommt eine Tochter, deren Spitzname zugleich der Monat ist, in dem diese geboren wurde: Juni.

Juni ist im Himmel zu Hause

Martha möchte ihr Baby gern ihren Eltern vorstellen, kann die aber weder in Paris noch in Südfrankreich finden, sie bleiben lange spurlos verschwunden. Schließlich verlegen Mutter und Tochter ihren Lebensmittelpunkt in die USA. Schon auf der Schiffsreise dorthin wird klar, dass es Juni zu Höherem drängt. Sie klettert an Bord auf eine Leiter, bis die Menschen unter ihr ganz klein sind. Ihre Mutter fordert, sie solle sofort wieder runterkommen, aber Juni ruft: „Erst klettere ich zum Mond.“ Das Mädchen wächst auf und fliegt liebend gern mit dem Piloten Ben, dem Freund ihrer Mutter. Auf einem dieser Wolkenritte merkt Juni, dass sie „im Himmel zu Hause“ ist. Als sie die amerikanische Flugpionierin Jerrie Cobb trifft, steht ihr Plan fest, Pilotin zu werden.

Ihre Familiengeschichte nimmt derweil eine dramatische Entwicklung. Martha erfährt, dass ihre Eltern beide in Konzentrationslagern ums Leben gekommen sind, ihr Vater im KZ Mittelbau. Von dort rekrutierten im Zweiten Weltkrieg die deutschen Raketenbauer, darunter auch Wernher von Braun, immer wieder Zwangsarbeiter, 20.000 von ihnen starben.

Autorin mischt gekonnt Fakten und Fiktion

Von Braun wurde dafür aber nicht verurteilt, sondern emigrierte in die USA, wo er zu einem der Köpfe in der bemannten Raumfahrt avancierte. Dieser Roman beleuchtet seine fragwürdige Rolle. Nielsen mischt geschickt Fakten und Fiktion, schiebt in die Geschichte von Juni und ihrer Familie immer wieder typografisch abgesetzte Kapitel ein, in denen sie schlaglichtartig über Raketenbau und Raumfahrt informiert.

Die Amerikanerin Jerrie Cobb ist schließlich die Frau, die von der Raumfahrtbehörde gefragt wird, ob sie medizinische und psychologische Tests mitmachen würde, die ihre Weltraumtauglichkeit bezeugen könnten. Sie stimmt zu und wird zum führenden Mitglied einer Gruppe von Frauen, die als „Mercury 13“ in die Geschichte eingegangen ist. Im Roman ist nun auch Juni mit dabei, und die Frauen schlagen sich glänzend. Sie sind im Schnitt leichter als ihre männlichen Kollegen, verbrauchen also weniger Sauerstoff. Zudem sind sie im Vorteil, weil sie ihre Gebärfähigkeit schmerzresistenter macht.

Enttäuschung der US-Frauen ist groß

An den Testergebnissen der Frauen liegt es also nicht, dass in der Realität keine von ihnen Astronautin wird. 1962 kommt es zu einer Anhörung vor einem Nasa-Subkomitee, bei dem Befürworter und Gegner der weiblichen Raumfahrt aufeinanderprallen. Die Nasa sagt danach die entscheidende Testreihe mit den Frauen ab. Es kommt zu einer abschließenden Anhörung, bei der Jerrie Cobb sagt: „Wir möchten nicht in einen Kampf der Geschlechter eintreten. Wir suchen nur einen Platz in der Raumfahrt unserer Nation, ohne diskriminiert zu werden.“

Aber genau das wird ihnen nicht gelingen, denn das Komitee schließt sich der ablehnenden Haltung von Astronaut John Glenn an, der zwar als erster Amerikaner die Erde im Raumschiff umkreist, sich aber nicht zum Anwalt weiblichen Forschungsdrangs macht. Die Enttäuschung der US-Frauen ist groß, als die Sowjetunion 1963 Walentina Tereschkowa als erste Frau ins All schickt.

Nasa hielt afroamerikanische Mitarbeiterinnen geheim

Es ist Nielsen hoch anzurechnen, dass sie mit ihrem Roman ein wenig bekanntes Kapitel der Raumfahrtgeschichte unter die Lupe nimmt. Bisher war das eher Sachbüchern vorbehalten, wie zum Beispiel vor drei Jahren „Hidden Fi­gures“ von Margot Lee Shetterly, der daran erinnerte, dass die Nasa afroamerikanische Frauen als Wissenschaftlerinnen beschäftigte, sie aber vor der Öffentlichkeit versteckte.

Wie man einen Mann zum Mond und sicher wieder zurück bringt – eine Forderung von Präsident John F. Kennedy –, ist bekannt. Eine Frau war allerdings bis heute nicht auf dem Mond.