Hamburg. Ausstellung in der Freien Akademie Künste zeigt Schmuck, Möbel, Keramik und die Vorstellung von einer modernen Gesellschaft.

Bauhaus global, Bauhaus total. In diesem Jahr kommt so leicht niemand um das 100. Jubiläum herum. Auch nicht in Hamburg, der Stadt, die 244 Kilometer vom Gründungsort Dessau entfernt liegt und keine nachweisliche Bauhaus-Tradition hat – abgesehen vom Landhaus Michaelsen des Architekten Karl Schneider in Blankenese und einem kaum bekannten Häuschen in der Schlüterstraße.

Dass Hamburg auf den zweiten Blick keine so unwichtige Rolle im Gesamtkunstwerk Bauhaus spielt, zeigt die Ausstellung „Bauhaus in Hamburg. Künstler, Werke, Spuren“ in der Freien Akademie der Künste, die in zwei entscheidende Epochen – 1919 bis 1933 und 1946 bis 1976 – unterteilt ist und den Blick auf Produktgestaltung und Kunsterziehung richtet.

Schon seit der Gründung 1919 bis zur Auflösung durch die Nationalsozialisten gab es einen lebhaften Austausch zwischen Lehrenden und Studierenden des Bauhauses und der Hamburger Landeskunstschule. Allen voran die Pädagogen Alfred Ehrhardt und Fritz Schleifer, die die „Vorkurse“, eine Art Grundausbildung, aus Dessau und Weimar in den Norden transferierten.

Max Sauerlandt förderte den Designer Naum Slutzky

Ihre Lehren fanden Eingang in zahlreiche Schülerarbeiten, von denen einige erhalten sind und erstmals in der Ausstellung gezeigt werden. So konnten aus dem Besitz Jan Schleifers, Sohn des einstigen Bauhaus-Dozenten, viele Werke ausgeliehen werden, darunter die typischen monochromen Farbverläufe und feingliedrigen Modellzeichnungen für Möbel und Alltagsobjekte.

Der Maler und Dramaturg Lothar Schreyer wurde als Meister für die Bühnenklasse an der Landeskunstschule berufen. Gestalterische Ideen des Bauhauses wurden frühzeitig von Naum Slutzky verbreitet. Dieser wirkte in Hamburg von 1924 bis 1933 als Gold- und Silberschmied sowie als Produktdesigner und Beleuchtungsarchitekt. Er wurde von Max Sauerlandt, dem damaligen Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe und kommissarischen Leiter der Landeskunstschule, wie kein zweiter durch Ankäufe und Ausstellungen gefördert.

Eine Form des Bauhaus-Alltags: Teeservice im typisch schlichten Design.
Eine Form des Bauhaus-Alltags: Teeservice im typisch schlichten Design. © HA | Michael Rauhe

Und doch war Slutzky am Ende seiner Hamburger Jahre völlig mittellos, was dazu führte, dass er einfachste, minimalistische Schmuckstücke aus Industrieblechen und Metallröhrchen schuf. Die Vitrine am Eingang der Ausstellung zeigt einige seiner Entwürfe, die zu den revolutionärsten des 20. Jahrhunderts gehören. Sie dürften europaweit einmalig sein.

Die Hochschule für bildende Künstler zog „Bauhäusler“ an

Eine viel größere Verbreitung fand das Bauhaus-Gedankengut nach dem Zweiten Weltkrieg. Ebenso wie in Dessau 1919 musste nach 1945 in Hamburg kriegszerstörter Wohnraum wieder aufgebaut und eingerichtet werden; vor allem den handwerklich orientierten Werkstätten der Schule kam eine wesentliche Aufgabe zu. Möbel, Textilien, Keramik und Beleuchtungskörper waren gefragt. Schöne Beispiele sind die in der Ausstellung präsentierte Regal- und Schrankwand sowie eine Deckenleuchte von Wolfgang Tümpel; der Designer entwarf auch Beleuchtungskörper für die Staatsoper und das Museum für Kunst und Gewerbe.

Viele der ehemaligen Meister und Studenten aus Dessau und Weimar konnten an ihre frühere künstlerische Tätigkeit anknüpfen. Mit dem ehemaligen „Bauhäusler“ Gustav Hassenpflug, der die Hamburger Landeskunstschule auf Sachlichkeit trimmte und 1950 in „Hochschule für bildende Künste“ (HfBK) umbenannte, fanden sie einen idealen Sparringspartner. Mitte der 1960er-Jahre kam mit Max Bill ein berühmter „Umweltgestalter“ von Ulm an die Elbe; er entdeckte hier „Größe, Weltoffenheit und Tradition an der Schule“, die er stark in Richtung Designausbildung lenkte und somit an die Lehren von Architekt Walter Gropius und dessen Nachfolger Hannes Meyer anschloss.

Insgesamt unterrichteten an keiner Kunsthochschule Deutschlands so viele ehemalige Bauhaus-Pädagogen wie in Hamburg. Als erste Lehrerin wurde die Bildweberin Else Mögelin verpflichtet; der letzte Künstler, der noch die Bauhaus-Tradition verkörperte, war der Maler Hans Thiemann. Er verließ die Hochschule 1976. Mit diesem Jahr endet auch die Ausstellung in der Freien Akademie der Künste.

Der Bauhaus-Geist ist nach wie vor am Lerchenfeld spürbar

Doch der Bauhaus-Geist ist nach wie vor am Lerchenfeld spürbar. „Wie ein Untoter, der stets da ist. Im Guten wie im Schlechten“, sagt Jesko Fezer. Der Professor an der HfBK im Studienschwerpunkt Design war zuletzt an der globalen „Bauhaus Imaginista“-Ausstellung beteiligt und kritisiert die „Überladung des Begriffs als Stilrichtung: Das Bauhaus war eine Schule, eine internationale Bewegung, die zeitweise in Dessau sesshaft wurde.“

Das eigentlich Spannende sei die „radikale, fast naive Begeisterung für die gesellschaftliche Bedeutung von Kunst und Gestaltung, das Alltags-Bauhaus, das politisch, sozial psychologisch und ästhetisch intervenieren wollte. Das war mutig und aufregend und führte letztendlich ja auch zu dessen Schließung“. Im Studio „Experimentelles Design“ lässt Fezer seine Studierende Ideen praktisch ausprobieren – „in diesem offenen Wirklichkeitsbezug sehe ich durchaus eine Parallele zum Bauhaus-Gedanken“.

„Bauhaus Hamburg. Künstler, Werke, Spuren“ bis 30.6. Freie Akademie der Künste (U Steinstraße), Klosterwall 23, Di-So, 10.00-17.00, Eintritt 5,