Hamburg. Der Regisseur bringt mit Bühnenbildner Via Lewandowsky im Thalia Kleists „Amphitryon“ auf die Bühne. Ein Doppelgespräch.
Leander Haußmann inszeniert zum dritten Mal am Thalia Theater. Für die Premiere am 11. Mai richtet er Heinrich von Kleists Verwechslungstragikomödie „Amphitryon“ unter anderem mit Jens Harzer ein. Nach „Der gute Mensch von Sezuan“ am Berliner Ensemble ist dies Haußmanns zweite gemeinsame Arbeit mit dem Bildenden Künstler Via Lewandowsky. Jetzt sitzen beide in der Sonne vor dem Café des Artistes und prosten sich mit einem Glas Riesling zu.
Hamburger Abendblatt: Herr Haußmann, eigentlich wollten Sie sich doch eine längere Auszeit gönnen.
Leander Haußmann: Ich habe zwei Jahre kein Theater gemacht. Dann habe ich gemerkt, dass keiner nach mir gerufen hat, und da bin ich eben selbst wieder zurückgekommen.
Wie viel vom Ursprungsautor Molière, wie viel Humor steckt in Ihrer Inszenierung von Kleists „Amphitryon“?
Haußmann: Das Interessante daran ist, wie da mit merkwürdig verquaster Sprache vor unseren Augen sehr komplex und wahnsinnig schön eine Komödie wächst. Andererseits stellt sich die Frage, was wollen die Menschen erzählt bekommen? Das, was sie schon kennen oder etwas, von dem sie nicht wussten, dass sie es schon kennen? Das ist mit dieser Sprache sehr schwer, aber es geht, wenn man es ganz direkt erzählt.
Das ist ja Ihre zweite gemeinsame Arbeit. Herr Lewandowsky, ist Leander Haußmann ein einfacher Regisseur?
Via Lewandowsky: Ich mag Leander. Er lässt mich gewähren, und Neugierde auf beiden Seiten übersieht dabei mögliches Konfliktmaterial. Ich sitze in den Proben und staune. Es ist das Staunen eines Kindes, das sich darüber freut, wie etwas entstehen kann. Am Ende ist ein Werk im Museum oder einer Galerie ein fragiles Gebilde. Ein Bühnenbild hingegen braucht eine Robustheit. Es wird immer wieder auf- und abgebaut und neu bespielt. Manchmal zucke ich innerlich schon zusammen, wenn ein lang erarbeitetes Bild sich verändert oder plötzlich ganz verschwindet.
Haußmann: Das Spielerische, das Witzige, die Bewegung, das Absurde, das Surreale in der Kunst, das ist auch mein Humor. Auch die ironische Brechung. Ich habe einen Wahn, verstanden werden zu wollen. Für den Künstler ist das ja der Tod. Das ist der Ausverkauf. Wenn er verstanden wird, ist er Kitsch. Deshalb freue ich mich, wenn jemand kommt und eine vollkommen andere Fantasie hat. Auch wenn ich Vorgaben mache. Wenn ich da erst mal ein paar große Vasen kriege, sage ich, nee, Jens Harzer wird nicht aus einer Vase treten.
Lewandowsky: Es war ein provokanter Entwurf.
Haußmann: Ja, er hatte auch Fans. Aber dann kommt man auf einen viel besseren Entwurf. Manchmal arbeite ich gern mit dienstleistenden Bühnenbildnern, weil mich die zusätzliche Idee auch stört.
Wie haben Sie einander gesucht und gefunden?
Lewandowsky: Als wir uns über eine gemeinsame Freundin kennenlernten, hatte ich das Gefühl, ich treffe einen alten Freund wieder. Das hatte was ganz Herzliches. Jetzt stellt sich die Frage, kenne ich ihn wirklich so gut, und kann ich liefern, was er braucht?
Haußmann: Diese Frage habe ich nie gestellt. Via war für mich als Künstler spannend, auch weil es für ihn kein Selbstverständnis gibt, als Bühnenbildner zu arbeiten. Ich bin schon immer von gängigen Besetzungen abgewichen. Ich versuche mir gerade einen Inszenierungsstil abzugewöhnen. Ich möchte mich nicht auf eine Sache festlegen, die dann als Forderung an mich herangetragen wird.
Die Bühnenbilder zu Ihren bisherigen Hamburg-Arbeiten „Cyrano“ und „Die Möwe“ waren ja eher reduziert. Was erwartet uns jetzt, Herr Lewandowsky? Es heißt ja, Sie neigen nicht zum Pathos, eher zur offenen Architektur.
Lewandowsky: Leander inszeniert in einer Weise, die recht offen ist. Das entspricht auch meiner Arbeitsweise. Nur, was bei der Regie gilt, ist für das Bühnenbild logistisch unmöglich. Also gibt es zwei Ebenen: wie das Bühnenbild einmal konzipiert da steht und wie es dann in der Inszenierung genutzt wird. Das Erlebnis der Aufführung harmonisiert dann beide Seiten.
Haußmann: Ich habe zwei Forderungen an ein Bühnenbild. Ich möchte mir nicht vorstellen müssen, warum einer durch diese Tür oder dieses Loch kriechen muss. Das Bühnenbild muss benutzbar sein. Es darf keine Dekoration sein.
In „Amphitryon“ geht es um die Wahrhaftigkeit der Liebe, aber auch um eine Identitätskrise ...
Haußmann: Wir haben erwachsene Leute vor uns, die ihre Identität verlieren und nicht verstehen, warum. Auf Alkmene trifft das allerdings nicht zu. Sie wird unter falschen Voraussetzungen von Jupiter in Gestalt ihres Mannes Amphitryon sexuell missbraucht, wenn man so will. Die Götterwelt ist ja bei den Griechen mit allen menschlichen Schwächen ausgestaltet. Die treiben ihren Spaß und hören nicht auf. Dann wird es kompliziert. Die Komödie ist fast mathematisch gebaut. Da sollte man nicht eingreifen. Allerdings wird es hinten, wie bei allen Komödien etwas flacher. Die Leute haben ausgelacht und dann soll es auch zu Ende sein. Dann rettet man sich in das Tableau – oder greift in die Geschehnisse ein.
Lewandowsky: Das Gute ist, dass es nicht diese Identitätsklau-Geschichte ist, als wie man sie in digitalen Zeiten lesen könnte. Hier wird es nicht mit Gewalt in eine politisierte Moralgeschichte aufgebohrt, wo Google und Facebook erscheinen, sondern es werden Bilder gefunden, die so einfach wie universell sind. Die den Irrsinn zulassen, aber nicht zwingend darauf einengen. Das mag ich.
Macht es einen Unterschied, dass Jens Harzer, mit dem sie bei „Amphitryon“ arbeiten, jetzt den Iffland-Ring trägt?
Haußmann: Wir lachen viel darüber. Er würde sicher sagen: Es hat mich getroffen, aber es gibt auch ein paar andere neben mir, die alle ebenbürtig und auf Augenhöhe sind.
„Amphitryon“ Premiere Sa 11.5., 19.30, Thalia Theater, Alstertor, Karten unter T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de