Hamburg. Literaturhauschef Rainer Moritz (v)erklärt in seinem kurzweiligen und meinungsstarken neuen Werk „Leseparadiese“.

Dieses charmante Büchlein besteht, unter anderem, aus Anekdoten. Es ist die Andockstation für die im bibliophilen Universum des Verfassers flottierenden Geschichten. Für die Nachrichten aus der Welt der Bücher und der Orte, an denen sie verkauft werden. Rainer Moritz erzählt in „Leseparadiese. Eine Liebeserklärung an die Buchhandlung“ Geschichten, und eine handelt von der in seiner Heimatstadt weltberühmten Carmen Tabler, der attraktiven Buchhändlerin, in die der Gymnasiast einst verschossen war und die er stets ins Gespräch zu ziehen trachtete.

Die Rolle der Buchhändlerin oder des Buchhändlers würde niemand, der sich von Berufs wegen für das Verkaufen von Büchern interessiert, je in Abrede stellen. Wenn sich der 1958 geborene Moritz nun an den Sex-Appeal einer Heilbronnerin Buchhändlerin erinnert, dann könnte dies für Jüngere überraschend sein. Vielleicht, weil sie Buchhandlungen ohnehin nur noch von ferne kennen und ihnen die Erotik von Verkäuferinnen fremd bleiben muss.

Aber was heißt eigentlich „Verkäuferin“ – Bücher sind ja, erklärt Moritz, grundsätzlich etwas anderes als ein Fünfer-Pack Socken und eine Buchhandlung immer das, was ein, sagen wir, Drogeriemarkt nicht ist. Auch in Hamburg, behauptet Moritz, habe es in der City eine Buchhändlerin gegeben, die den Verkauf ankurbelte, eine „Säuslerin, die jeden Reclam-Band so anzupreisen verstand, als handelte es sich um die tollkühnste neue Kamasutra-Einführung“. Klingt eigentlich zu schön, um wahr zu sein.

Eminent fleißiger Buchautor

Rainer Moritz, eminent fleißiger Buchautor (zuletzt auch erschienen: „Zum See ging man zu Fuß: Wo die Dichter wohnen. Spaziergänge von Lübeck bis Zürich“) und im Hauptberuf Leiter des Hamburger Literaturhauses, ist ein weit gereister und mit den Metropolen – London, Paris, Stade – auf du und du stehender Connaisseur. Er weiß von Buchhandlungen zu berichten, die spätestens durch die mit dem Firmennamen bedruckten Jutetaschen bekannt geworden sind. Und er kennt das weite „Non-Book“-Feld, mit dem Buchhandlungen schon seit Längerem ihre Kunden umgarnen. Marmelade, Wein gibt es hie und dort zu kaufen, oder eben Kaminholz wie bei Christiansen in Ottensen.

Überhaupt, Hamburg: Neben der erwähnten anonym bleibenden Schönen aus der Innenstadt, die lediglich kursorisch erwähnt wird, widmet Moritz einzelnen Hamburger Institutionen liebevolle Porträts: Stephan Samtleben etwa, dem Literatur-Liebhaber und empfindsamen Buchhändler, der seit drei Jahrzehnten die gleichnamige Buchhandlung im Literaturhaus betreibt. Oder der berühmtesten Hamburger Buchhandlung, Felix Jud am Neuen Wall, mit ihren zen­tralen Figuren Felix Jud, Wilfried Weber und Marina Krauth.

Rainer Moritz: „Leseparadiese: Eine Liebeserklärung an die Buchhandlung“. Sanssouci Verlag. 158 S., 14 Euro
Rainer Moritz: „Leseparadiese: Eine Liebeserklärung an die Buchhandlung“. Sanssouci Verlag. 158 S., 14 Euro

Liebeserklärung ist gewissermaßen eine Arbeit am Mythos, der die Buchhandlung als langgedienten und magischen Ort begreift, an dem man einiges richtig, aber auch etliches falsch machen kann. Aus seinen Worten spricht die aufrichtige Liebe zum Kulturprodukt Buch, das nicht nur verkauft, sondern auch inszeniert werden will. Moritz hat viele, viele Buchhandlungen gesehen, aus seinen Stilkritiken – mit Blick auf Architektur, Aura, Ordnung, Sortiment – spricht Kenntnis der Sache und persönliche Vorliebe. Und weil zu einer ambitionierten Buchhandlung auch die Autorenlesung gehört, gerät ihm dieses Buch auch zum flammenden Plädoyer für Literaturveranstaltungen.