Hamburg. Der beliebte Musical-Star Anton Zetterholm singt und spielt in „Paramour“ vom Cirque du Soleil in der Neuen Flora eine der drei Hauptfiguren.

Der Weg zum Bühneneingang hinter dem riesigen Musical-Theater der Stage Entertainment liegt etwas versteckt. Nicht aber für Anton Zetterholm: „Da drüben in dem gelben Haus habe ich gewohnt“, erzählt er und deutet aus dem Aufenthaltsraum auf der Rückseite des Theaters über eine kleine Grünfläche hinweg: Missundestraße, Altona. Nur gut 100 Meter Luftlinie von der Neuen Flora entfernt, war Tarzan zu Hause.

Zetterholm kennt sich hier wie da bestens aus: Fast zwei Jahre lang hat er sich auf den kurzen Dienstweg gemacht. Sechsmal pro Woche von seiner Wohnung rüber zum Bühneneingang, ab in die Garderobe, runter zur Maske und rein in den großen Saal. So lange spielte und sang er seit der Deutschland-Premiere im Oktober 2008 „Tarzan“. Schwang sich in der Titelrolle Abend für Abend an der Liane über den Köpfen von fast 2000 Besuchern zu musikalischen und akrobatischen Akten auf.

Musical mit Artisten – das gab es noch nicht

„Jetzt bin ich wieder in meinem zweiten Zuhause“, sagt er lachend. Denn Zetterholm ist erneut einer der Protagonisten einer Premiere, am 14. April sogar einer Europa-Premiere: „Paramour“ vom Cirque du Soleil soll eine Verschmelzung von klassischem Musical und Weltklasse-Artistik werden; es ist die erste gemeinsame Show des kanadischen „Sonnenzirkus’“ mit Stage Entertainment. Ein Musical mit Artisten – das gab es auch in der Metropole Hamburg noch nicht. Und es hat Gründe, dass der größte europäische Musical-Produzent für dieses Spektakel einmal mehr auf Zetterholm setzt: Der gebürtige Schwede hat sich seit seinem Debüt in Hamburg zu einem der bekanntesten und gefragtesten Musical-Darsteller im gesamten deutschsprachigen Raum und darüber hinaus entwickelt.

„Ich stehe seit elf Jahren auf der Bühne, aber jetzt so etwas zu machen, ist eine Riesen-Erfahrung“, schwärmt er. Zetterholm sagt das mit Freude, ohne jegliche Manieriertheit. Völlig unprätentiös sitzt er da – schwarze Jeans, schwarzes T-Shirt, unter dessen Ärmeln immer mal wieder die Oberarm-Muskeln zucken –, und trinkt stilles Wasser. Als Tarzan wurde Anton, gerade mal Anfang 20, auf der Straße in Hamburg oft erkannt. Noch heute wundert er sich über seine Popularität. Schlank, blonde halblange Haare, braune Augen, schöne Tenor-Stimme – die Mädchen drehten sich nach ihm um. Zuvor war er in der Sat.1-Casting-Show „Ich Tarzan, Du Jane!“ persönlich von Phil Collins für die Hauptrolle ausgewählt worden. Der britische Pop-Star komponierte die Musik zum Disney-Stück.

Die Reise startete im Dschungel Neue Flora

Für den jungen Burschen aus Vaxjö in der Provinz Småland, ging die Musical-Reise vom Dschungel Neue Flora erst so richtig los: In Oberhausen stand er als Fiyero in „Wicked – Die Hexen von Oz“ auf der Bühne, danach in Berlin als Alfred in „Tanz der Vampire“ und in Wien als Kronprinz Rudolf in „Elisabeth“. 2013 feierte Zetterholm in London sein Debüt am West End in „Les Misérables“. In seiner Heimat spielte er im schwedischen Revival von „Das Phantom der Oper“; mit „West Side Story“ fügte er seiner Vita einen Musical-Klassiker hinzu.

Beeindruckt erzählt Zetterholm von seiner jüngsten Gesangs-Tournee für „Disney’s Broadway Hits“ – ein Ausflug, der ihn kurz vor Probenbeginn in Hamburg noch einmal nach London führte. Dass seine eigens aus Schweden angereisten Eltern sein Debüt in der Royal Albert Hall miterlebt haben, macht ihn sichtlich glücklich. Er greift zum Smartphone und spielt ein Handy-Filmchen seines Vaters aus der altehrwürdigen Konzerthalle vor: „Das war ein neuer Höhepunkt meiner Karriere.“

Verdammt viel Neues in der Hamburger "Paramour"-Show

Er sagt „Höhepunkt“ in einem nahezu perfekten Deutsch, nicht etwa „Highlight“ – obwohl die Musical-Sprache auch in Hamburg unter den Darstellern und Artisten aus 19 Ländern Englisch ist. Erst recht bei solch einer Großproduktion wie „Paramour“ mit 51 Ensemble-Mitgliedern, davon pro Show 37 auf der Bühne, die sechs Musiker der Band noch gar nicht mitgerechnet. „Ich mag solche Herausforderungen“, sagt Zetterholm. Als er im vorigen Sommer das Angebot bekam, eine der drei Hauptrollen in der Europa-Premiere zu übernehmen, hat der Ex-Tarzan prompt zugegriffen. „Paramour“, zu Deutsch „die Geliebte“, erzählt eine Dreiecksgeschichte, die im goldenen Zeitalter Hollywoods spielt – zugleich eine Anspielung auf den Film-Giganten Paramount. Der Regisseur AJ sucht nach einem Talent für den nächsten Kino-Hit und verliebt sich in die ehrgeizige und aparte Indigo. Die Schauspielerin empfindet aber auch etwas für den jungen Pianisten Joey, der den Titelsong des neuen Films komponieren soll. Und den gibt Anton Zetterholm.

Er wird in der Show Klavier sowie Gitarre spielen und mit Hauptdarstellerin Vajèn van den Bosch im Duett Balladen anstimmen, ebenso aber auch „sehr rockige“ Titel singen und dazu tanzen. Und wird man ihn auch zusammen mit den Akrobaten turnen sehen? Diese Frage lässt Zetterholm mit seinem smarten Lächeln bewusst offen.

Aus Tarzan ist ein Musical-Star geworden

Es stecke im Vergleich zur Broadway-Produktion verdammt viel Neues in der Hamburger „Paramour“-Show. „Man kann es fast eine Weltpremiere nennen“, sagt Zetterholm keck. Deutschland, speziell Hamburg mit seinem großen Musical- und staatlich geförderten Kultur-Angebot habe eine sehr große Bandbreite, hat der Vielgereiste erkannt. Da müsse man dem Publikum etwas Besonderes bieten, meint er. Er selbst hat in seiner neuen alten Heimat schon einige Stücke im Thalia Theater gesehen, Shakespeares „Sommernachtstraum“ etwa. 32 Jahre ist Anton Zetterholm, der einst Theater an der Ballettakademie in Göteborg studiert hat, inzwischen alt. Aus dem Tarzan, diesem blonden Jüngling, ist ein Musical-Star geworden, der gelernt hat, über den eigenen Bühnenrand zu blicken.

Er freut sich, dass am Ende dieses Probentages seine Freundin Harriet Jones nach Hamburg kommt, ebenfalls Musical-Darstellerin. Mit ihr wohnt er jetzt im Karoviertel. Etwas weiter weg von der Neuen Flora, längst außer Sichtweite. Und doch noch immer recht nah dran.