Hamburg. Das Museum für Kunst und Gewerbe feiert 100 Jahre Sezession und seinen einstigen Direktor Max Sauerlandt mit einer sehenswerten Ausstellung.

„Sie war eine ideale Künstlervereinigung, die neben ihrer sachlichen Ausstellungstätigkeit eine Verbundenheit ihrer Mitglieder gewährleistete als ein Mittelpunkt kameradschaftlich-menschlich-warmer Zusammengehörigkeit. Alle wurden Freunde.“ So beschrieb einst der Maler Karl Kluth (1898–1972) die Hamburgische Sezession, die sich vor genau 100 Jahren gründete und deren Jubiläum das Museum für Kunst und Gewerbe ab morgen eine sehr sehenswerte Ausstellung widmet.

„Ein lebendiges Museum … Max Sauerlandt und die Hamburgische Sezession“ zeigt bis März 2020 mehr als 40 Druckgrafiken, Gemälde, Plakate und Kataloge der Sezessionskünstlerinnen und -künstler in der Haspa-Galerie. Ein Großteil der Werke stammt aus einer Dauerleihgabe der Hamburger Sparkasse ans Museum.

Der Nachkriegssommer 1919 war geprägt von Aufbruch, politisch, gesellschaftlich und auch künstlerisch. Man probierte sich aus, griff die in Europa modernen Strömungen auf: Postimpressionismus, Expressionismus, Neue Sachlichkeit, surreale Ausdrucksformen und Abstraktion. So unterschiedlich wie die Stile waren auch die Persönlichkeiten. All dies wird in der Ausstellung sichtbar: Da malt ein Richard Haizmann „Mutter und Kind“ in zarter Pastellkreide, taucht ein Willem Grimm das „Watt bei Kampen“ in dunkles Öl und druckt eine düstere Hafenszenerie mit Tusche auf Papier. Rolf Nesch wiederum verewigt die „Elbbrücken“ in kräftezehrendem Metalldruck.

Hamburg eilte ein Ruf als Kunststadt der Moderne voraus

Gemeinsam wollte man an das künstlerische Engagement des frühen 19. Jahrhunderts anknüpfen, eine lebendige und progressive Kunstszene in Hamburg etablieren, die die Zukunft mitgestaltet. Und so schlossen sich 33 Kreative um den Autodidakten Heinrich Steinhagen zusammen und gründeten die Hamburgische Sezession, die sich in jährlichen Ausstellungen im Kunstverein präsentierte. Anders als in Berlin oder Wien gab es keine Akademie, von der man sich abspalten konnte. In Hamburg führte Max Sauerlandt die Landeskunstschule und prägte das Kunstleben der Stadt.

„Hamburg eilte ein Ruf als Kunststadt der Moderne voraus“, sagt Caroline Schröder, die zusammen mit Silke Reuther kuratiert hat. „Viele Künstler zogen an die Elbe, trafen hier auf Gleichgesinnte und engagierte Förderer wie die Kunsthistorikerin Rosa Schapire oder eben Max Sauerlandt, der als Direktor des damaligen Hamburgischen Museums für Kunst und Gewerbe viele Arbeiten Hamburger oder nach Hamburg gezogener Künstler kaufte.“

Im Laufe der Zeit zählte die Vereinigung 52 reguläre Mitglieder, darunter einige Malerinnen. Was erstaunlich ist für diese Zeit, denn Frauen durften zwar 1919 zum ersten Mal wählen, doch noch lange nicht studieren. Künstlerinnen wie die Hamburgerin Anita Rée (1885–1933) oder Alma del Banco (1863–1943, mit ihrem „Mann mit rotem Buch“ vertreten) wählten den Weg der privaten Ausbildung: Die eine ließ sich von Arthur Siebelist schulen, die andere besuchte die private Kunstschule von Valeska Röver, ebenso wie Gretchen Wohlwill („Anprobe“) einige Jahre später. Dass diese, zumindest in der Vereinigung gleichberechtigten Künstlerinnenpersönlichkeiten „überproportional in der Ausstellung vertreten und Frauen nicht nur als Bildmotiv zu sehen sind, liegt in der Natur der Sache, wenn Kuratorinnen am Werk sind“, so Caroline Schröder.

Nie aufhören, an die Kraft der Kunst zu glauben

Mit der Fokussierung auf die Frauen in Kunst und Gesellschaft wird im Rahmen der aktuellen Schau ein dramaturgischer Bogen weitergeführt, der mit „Darum wählt!“ begonnen hat und mit der Mai-Ausstellung „Gegen die Unsichtbarkeit. Designerinnen der deutschen Werkstätten Hellerau“ vollendet werden soll. Wie exzessiv und ausgelassen die Atmosphäre nicht nur in der Hamburger Kunstszene, sondern allgemein in den Metropolen war, zeigt ein Überraschungsfund, der als Reproduktion an eine meterhohe Museumswand tapeziert wurde: „Eva mit Schlange“, vermutlich vom Maler Hans Leip als Wanddekoration für ein Hamburger Künstlerfest entworfen, ist Sinnbild für den „Tanz auf dem Vulkan“. 1933 setzte die Machtergreifung der Nationalsozialisten der Hamburgischen Sezession ein jähes Ende.

Die zwölfte und letzte Sezessionsausstellung wurde wegen „Beförderung des Kulturbolschewismus“ auf behördliche Anordnung hin geschlossen, der Ausschluss jüdischer Mitglieder gefordert. Aus Solidarität löste sich die Vereinigung nach 14 Jahren ganz auf. 1935, zwei Jahre bevor Hunderte Werke als sogenannte entartete Kunst verfemt wurden, schrieb Max Sauerlandt in „Die Kunst der letzten 30 Jahre“: „Man kann Gemälde von den Nägeln nehmen – solange man aber an die frei gewordenen Haken nicht die Künstler selbst aufhängen kann, die die Bilder gemalt haben, wird ihre Wirkung nicht aufhören.“

„Diese Aufbruchsstimmung von damals sollte uns heute zu denken geben. Auch wenn viele von uns keinen Weltkrieg miterlebt haben, sollten wir nie aufhören, an die Kraft der Kunst zu glauben, wenn es darum geht, die Gegenwart und die Zukunft mitzugestalten“, sagt Direktorin Tulga Beyerle.