Hamburg. Kunstsammler-Enkel vermacht Gründerzeitvilla an der Oberstraße. Dort könnte eine 100 Jahre alte Veranstaltungsreihe wieder aufleben.

Illustre Gäste, feine, aber unprotzige Leckerbissen, spontan improvisierte Gesangs- und Tanzeinlagen und dann diese revolutionäre Kunst an den Wänden: Liebermann! Die legendären „Schiefler-Abende“, zu denen der Hamburger Landgerichtsdirektor und Kunstsammler Gustav Schiefler einlud, könnten nun – 100 Jahre später – wieder aufleben. Denn die Gründerzeitvilla an der Oberstraße 86 wird schon bald in den Besitz der Freunde der Kunsthalle gehen. Der am 7. Januar dieses Jahres verstorbene Enkel Otto Georg Schiefler vermachte ihnen sein Elternhaus in Harvestehude.

Dieses „Vermächtnis mit Auftrag“, wie es die Geschäftsführerin des Freundeskreises Kathrin Erggelet nennt, sei einzigartig in Deutschland. Es komme häufiger zu kleineren oder auch mal größeren Geldschenkungen, aber eine Villa habe bislang noch kein Verein erhalten.

So kam es zu dem Vermächtnis

Vorsitzender Ekkehard Nümann erinnert sich, wie es zu dem großzügigen Vermächtnis kam: „Otto Georg Schiefler war lange Zeit Mitglied des Freundeskreises und verfolgte unsere Aktivitäten mit großem Interesse. Vor etwa acht Jahren bat er um ein erstes Treffen, fragte: ‚Können Sie sich vorstellen, das Haus meines Großvaters wieder zu einem Ort der kulturellen Begegnung zu machen?‘“. Und ob Nümann konnte! Als „sensationell“ bezeichnet er den Umstand, dass dieses Projekt just im 150. Jubiläumsjahr der Kunsthalle auf die Freunde zukommt. Der Verein wurde 1923 vom damaligen Kunsthallendirektor Gustav Pauli gegründet mit dem Ziel, „die Bildung im kulturellen Bereich sowie das Kunstleben in Hamburg in Zusammenhang mit der Kunsthalle durch Vorträge, Führungen und Veranstaltungen zu fördern“.

Platz für bis zu 30 Leute

„Alfred Lichtwark, Werner von Melle, sogar Emil Nolde und Rosa Schapire gingen hier ein und aus“, erzählt Nümann begeistert. Nun könnte die Villa, die bis 1920 ein beliebter Treffpunkt der Gesellschaft und künstlerischen Avantgarde war, ein ebensolcher Ort werden. Bislang mussten die Veranstaltungen des Freundeskreises im Museum oder anderweitig stattfinden; die Räume der Kunsthalle seien immer stark ausgebucht, so Nümann.

Im Hochparterre der Villa, die ruhig gelegen ist zwischen Hochallee und ­Rothenbaumchaussee, über eine Veranda und einen großen Garten verfügt, wohnte der Architekt Otto Georg Schiefler bis zu seinem Tod. Die übrigen Wohnungen sind vermietet. Die zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten würden bis zu 30 Leuten Platz bieten, schätzt der Vorsitzende. Bis zur Schlüsselübergabe wird es wohl noch einige Monate dauern. Mit dem direkten Erben müsse die Umsetzung besprochen, der neue Eigentürmer müsse ins Grundbuch eingetragen werden. Um die Atmosphäre des Hauses zu bewahren, soll nur sehr behutsam restauriert werden, so Nümann, der hier schon einige Nachmittage bei Tee, Kuchen und angeregten Gesprächen über Kunst und die Welt verbrachte.

Die Zeiten, in denen man einen Impressionisten wie Max Liebermann als revolutionär betrachtete, sind längst vorbei. Doch Themen wie Banksy, der seine eigenen Bilder zerstört, oder David Hockney als teuerster lebender Maler bis hin zur Frage, wie die Museen es schaffen, jüngeres Publikum anzulocken, dürften genügend Stoff für zukünftige „Schiefler-Abende“ in der Oberstraße bieten.