Hamburg. Geiger David Garrett ist der Bruder von Sängerin Ada Brodie, doch die Hamburgerin steht musikalisch auf eigenen Beinen.

Neun Quadratmeter Plakatfläche auf dem U-Bahnsteig. Am Hauptbahnhof, an der Oster- und Hallerstraße, der Sternschanze und am Baumwall: Das kostet nicht nur, das fällt auch auf. Und auffallen muss Ada Brodie jetzt unbedingt. Immerhin ist sie an einem Wendepunkt ihres Lebens angekommen, hat viel Zeit, Kraft und außerdem einen fünfstelligen Betrag investiert, um ihren musikalischen Traum zu verwirklichen – ein jazziges Singer-Songwriter-Album, das an Fiona Apple ebenso erinnert wie an Norah Jones und doch einen ganz eigenen Sound hat.

Eigentlich heißt die Hamburger Sängerin Elena Bongartz und hat unter ihrem Vornamen auch schon ein Album veröffentlicht. Mit deutschen Texten und eher mäßigem Erfolg, auch wenn sie zweimal im Vorprogramm von Katie Melua auftreten durfte. „Ich hatte im vergangenen Jahr eine echte Krise“, erzählt die 30-Jährige und nippt an ihren Cappuccino. „Musikalisch hatte ich mich einfach verzettelt.“ Also beschloss sie, sich „neu zu erfinden“.

In den Boogie Park Studios hat schon Lionel Richie aufgenommen

Der erste Schritt: eine Anfrage bei den legendären Boogie Park Studios in Ottensen, wo schon Lionel Richie und Udo Lindenberg aufgenommen hatten. Tatsächlich war dort ein Termin frei. In vier Wochen. Nur: Ada Brodie, wie sie sich inzwischen nennt, hatte noch keinen einzigen Song geschrieben. Nicht einen Text, nicht eine Melodie. Klar war nur, es sollte jazzig sein, englischsprachig und nicht banales Liebesallerlei behandeln, sondern vom wirklichen Leben einer jungen Frau erzählen. Stichwort: feministische Perspektive.

Natürlich sei es ein ziemlicher Druck gewesen, so kurzfristig abliefern zu müssen, aber: „Ich brauche das.“ In einen besonderen Flow sei sie gekommen, habe musikalisch wie textlich schnell einen roten Faden gefunden. Also ging sie im November vergangenen Jahres ins Studio und spielte binnen 36 Stunden das komplette Album am Piano ein. Nur der erste Teil einer One-Woman-Show, für die von der Entscheidung für einen Künstlernamen und das Bühnenoutfit bis zum Look der Social-Media-Präsenz und den flankierenden Werbemaßnahmen noch so viel auf den Weg zu bringen war. Dass sie keinen Plattenvertrag hat, sondern das Album in Eigenregie herausbringt, ist für sie kein Pro­blem. Im Gegenteil: „So behalte ich über jeden Schritt die volle Kontrolle.“

Der große Traum: ein Konzert in der Elbphilharmonie

Vor dem ersten Konzert im Birdland vor einigen Wochen hatte Ada Brodie die Songs noch nie live gespielt, ein Stresstest also, doch sie bestand auch diesen und sagt rückblickend: „Ich wollte, dass der Schweiß mir auf die Tasten tropft, dass es nicht nur echt wirkt, sondern echt ist.“ Gemessen an den Publikumsreaktionen im traditionsreichen Club an der Gärtnerstraße ist ihr das gelungen.

Und dazu brauchte es nicht ihren berühmten Bruder, der natürlich in jedem Interview, das sie gibt, Thema ist: David Garrett. Seine Schwester zu sein, mag zunächst Türen öffnen, allerdings um den Preis, sich immer wieder abgrenzen zu müssen. In gewisser Weise paradox, denn die beiden haben ein sehr gutes Verhältnis, arbeiten sogar an einem gemeinsamen Projekt für Geige und Stimme. „Mein letztes Video hat David spontan auf seiner Facebookseite geteilt“, sagt Ada. In den Medien mehr zu sein als die Schwester eines Weltstars, „die jetzt auch Musik macht“, bleibt dennoch ein Kampf.

Einer, den sie gewinnen könnte, ist „The Grand Tale“ doch trotz des Zeitdrucks ein sehr rundes, gut produziertes Album geworden, das zwar kaum nach ihren Vorbildern Ella Fitzgerald und Nina Simone klingt, dafür aber sehr zeitgemäß Jazziges mit Alternative-Folk verbindet. Wo sie die Songs gerne einmal live spielen würde? Natürlich in der Elbphilharmonie. Es muss ja beim ersten Mal nicht gleich der Große Saal sein.