Wie Bruno Ganz Dennis Hopper in Hamburg ein Bein stellte
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Hamburg. Der Schweizer Schauspieler spielte den Almöhi und Adolf Hitler. Jetzt ist er mit 77 Jahren in Zürich gestorben.
Faust, der Almöhi, Sigmund Freud, Hitler – das Spektrum der Charaktere, die Bruno Ganz im Laufe seiner Karriere verkörpert hat, ist groß. Der Mann war die Vielseitigkeit in Person, der aber die leisen Töne besonders gut beherrschte. Am Sonnabend ist der Schweizer Schauspieler im Alter von 77 Jahren in Zürich gestorben. Kollegen schickten ihm, wie das immer so ist, freundliche und anerkennende Worte hinterher: jedes einzelne verdient.
Vor vier Jahren beim Filmfest Hamburg: Bruno Ganz ist angereist, um den Film „Remember“ von Atom Egoyan zu bewerben. Er spielt darin einen alten Nazi, obwohl er das eigentlich nie mehr wollte. Unser Gespräch beginnt kurios. Normalerweise bringen Promoter die Künstler und die Journalisten zusammen. Ganz kam aber ganz allein in die Hotellobby auf nagelneuen Sneakers. „Lassen Sie uns ruhig anfangen, wir sind ja schon groß“, sagt er. Zu Nazi-Rollen stellt er klar: „Eigentlich ist das Thema für mich abgehakt, denn ich habe immerhin den Chef gespielt.“
Auf Hopper war er eifersüchtig
An Hamburg hatte er ziemlich spezielle Erinnerungen, denn er stand hier für Wim Wenders‘ Klassiker „Der amerikanische Freund“ zusammen mit Dennis Hopper vor der Kamera. Das verlief alles andere als reibungslos. „Ich war auf ihn extrem eifersüchtig“, erinnerte er sich. Hopper hatte kurz vorher „Easy Rider“ gedreht, war mit James Dean befreundet, hatte kurz vorher mit Marlon Brando „Apocalypse Now“ gemacht: „Größer ging es gar nicht. Ich war damals ein totaler Anfänger, was Kino betraf.“ Und Hopper benahm sich wie ein Platzhirsch. Das machte Ganz wütend. „Ich hatte den Eindruck, er erdrückt mich. Da habe ich ihm dann vors Bein getreten. Er war Amerikaner genug, um sofort zurückzuschlagen. Und das hat sich dann so entwickelt. Aber hinterher waren wir gut miteinander.“
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Als Kind war Ganz ein versonnenes Wesen. Kurz nach seiner Einschulung wurde er ein Jahr zurückgestellt, weil er ständig aus dem Fenster schaute. Er begann seine Laufbahn dann als Theaterschauspieler in seiner Heimatstadt Zürich und ging später an die Berliner Schaubühne. Er freundete sich mit Thomas Bernhard an, der ihm sein Stück „Die Jagdgesellschaft“ mit den Worten widmete: „Für Bruno Ganz, wen sonst?“
Aus Wut wurde Altersmilde
Sehr beeindruckend war er in der monumentalen Umsetzung von Peter Steins „Faust I und II“, die 21 Stunden umfasste. 1996 bekam er von Josef Meinrad den Iffland-Ring, der dem „jeweils bedeutendsten und würdigsten Bühnenkünstler des deutschsprachigen Theaters“ auf Lebenszeit verliehen wird. Ganz wollte ihn eigentlich an Gert Voss weitergeben, aber der starb 2014. Wen er sich nun als Nachfolger ausgesucht hat, ist nicht bekannt.
Die Wut der frühen Jahre ist bei ihm später einer Altersmilde gewichen, die er auf der Bühne und vor der Kamera sehr differenziert umsetzen konnte. Am Theater war er ein Star, einem breiteren Publikum wurde er aber durch seine Filmrollen bekannt. Für Wim Wenders stand er als Engel in „Der Himmel über Berlin“ vor der Kamera. Mit Theo Angelopoulos drehte er „Die Ewigkeit und ein Tag“, der in Cannes die Goldene Palme gewann. Er spielt darin einen melancholischen und todkranken Dichter.
Spektakulär war Ganz‘ Interpretation des neurotischen und cholerischen Diktators Adolf Hitler in der Endphase im Film „Der Untergang“ des Hamburger Regisseurs Oliver Hirschbiegel. Aber auch bei seinen seltenen TV-Auftritten konnte er überzeugen, wie zum Beispiel im Drama „Satte Farben vor Schwarz“ mit Senta Berger, in den es um ein selbstbestimmtes Lebensende ging. Überrascht hat viele, dass er vor vier Jahren den Almöhi in der Verfilmung des Kinderbuch-Klassikers „Heidi“ auf liebenswert-knorrige Weise spielte.
Heidi war ihm lieber als Schokolade
Aber Ganz stellte klar: „Es war eine Art patriotischer Pflicht. ,Heidi‘ ist ein nationales Epos erster Güte, viel mehr als ,Wilhelm Tell‘. Ich bin froh, dass ich meine Skrupel überwunden und die Rolle angenommen habe. Gut, dass die Schweiz eher mit Heidi assoziiert wird als mit den Banken, dem Käse oder der Schokolade.“
Berlinale-Chef Dieter Kosslick sagte über Ganz: „Ich habe das Gefühl, dass nichts im Weg sein soll, wenn er auf seinem Weg ist in den ,Himmel über Berlin‘.“ Iris Berben, mit der der Schweizer einige Jahre die Deutsche Filmakademie leitete, sagte: „Bruno war der Mensch und Anlass, mir das Amt als Präsidentin der Deutschen Filmakademie vorstellen zu können. Sein Wissen um den Beruf, seine Klugheit und vor allem seine Haltung haben mich gestärkt und mir meinen Weg dann geebnet. Sein nationales wie internationales Renommee ist unumstritten, aber mir wird er vor allem als Freund fehlen.“
Und Fatih Akin postete auf Instagram: „My man! Ich wollte immer mit dir arbeiten! Machen wir im Himmel!“
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