Hamburg. Der „So was von da“-Autor lebt mittlerweile in Mexiko. Zuletzt hat er das Buch einer hierzulande unbekannten Amerikanerin übersetzt.

Als im vergangenen Jahr die Verfilmung des Kultromans „So was von da“ in den Kinos gezeigt wurde, fehlte einer: der Verfasser der Vorlage. Und zwar deswegen, weil Tino Hanekamp inzwischen ganz weit weg lebt. In Mexiko, mit Frau und kleinem Kind, auf einer Art „Dschungelfarm oder was das hier ist“, wie der 39-Jährige sagt. Vorher hatte er einige Jahre erfolglos mit einem Manuskript für den Nachfolger des gefeierten Debüts zugebracht. Ein „ständiges Schreibscheitern“, wie Hanekamp heute sagt, und nur durch dieses sei er letztlich nach Mexiko Land geraten und „an diese Frau“ – „was für ein Glück also, dass es bisher mit dem zweiten Roman nicht geklappt hat“. Untätig ist der langjährige Hamburger Clubbetreiber aber nicht: Zuletzt hat Tino Hanekamp das Buch einer in Amerika gerade wiederentdeckten literarischen Legende ins Deutsche übersetzt.

Wie kam es, dass Sie das erste und wichtigste Werk der hierzulande fast unbekannten Kalifornierin Eve Babitz ins Deutsche übersetzt haben?

Tino Hanekamp: Ich wollte mal was anderes versuchen, als immer nur mein eigenes Zeug zu schreiben, habe ein bisschen rumgefragt, und dann tauchte Frau Babitz auf.

Babitz war seit den Sechzigerjahren eine Chronistin des hedonistischen Lebensstils der Westküste. Sie gehörte selbst zur Boheme. Berühmt wurde sie als nackte Schachspielerin am Schachtisch mit Marcel Duchamps. Was sagt dieses Bild über Eve Babitz aus?

Hanekamp: Dass sie eine sehr abenteuerlustige junge Frau war ohne Körperkomplexe, die sehr viele interessante Menschen kannte und das Schachspiel beherrschte.

Warum lohnt es sich, Eve Babitz zu entdecken?

Hanekamp: Weil sie uns von einem Los Angeles erzählt, wie wir es nicht kennen, von einer Welt, die es nicht mehr gibt, von spannenden Künstlern aus allen Bereichen, die zu entdecken eine Freude ist, und nicht zuletzt von einer jungen Frau, die vor mehr als 50 Jahren auf auch aus heutiger Sicht moderne und freigeistige Weise ihren Weg suchte und fand.

Im letzten Jahr kam die Verfilmung Ihres Erfolgsromans „So was von da“ heraus. Wo haben Sie sie gesehen?

Hanekamp: Hier. Bett. Frau. Whisky. Chips.

Der Stoff ist eine Ode an St. Pauli. Mittlerweile leben Sie in Mexiko, mit Frau, Kind, Haus. Wie konnte das passieren?

Hanekamp: Ich habe irgendwie nie aufgehört, nach dem zu suchen, was ich mir immer so vage erträumt hatte, und dann kam irgendwann eins zum anderen und alles wurde wahr.

Sind Sie ein Aussteiger?

Hanekamp: Wenn damit jemand gemeint ist, der in ein anderes Land zieht und da dann ein anderes Leben lebt, ja. Es ist hier zumindest alles ein bisschen anders als da, wo ich herkomme. Bis zur nächsten Stadt fährt man eine Stunde, unsere nächsten Nachbarn sind ein paar versprengt lebende Indios, man sieht sehr viele Sterne und nur alle paar Wochen mal ein Flugzeug am Himmel. Aber wir haben Highspeed-Internet und edle Alkoholika, und meine Frau (avasgarden. net) verfügt zudem über einen IQ von 163, ich fühle mich also nicht abgeschnitten von der Welt und dem Leben, sondern habe eher das Gefühl, erst jetzt so richtig eingestiegen zu sein.

In einem Interview haben Sie unlängst erzählt, Sie hätten in Ihrem neuen Leben eine Knarre. Das haben Sie sich doch ausgedacht! Oder muss man sich Mexiko grundsätzlich wie in der TV-Serie „Narcos“ vorstellen?

Hanekamp: Nee, das ist hier Indianerland, hier leben die Mayas. Ab und zu reitet mal einer auf ‘nem Maultier vorbei. Und wir haben drei Knarren, weil das hier der Wilde Westen ist.

Ist Mexiko jetzt Ihr Zuhause? Wie sind die Kontakte nach Hamburg? Fehlt Ihnen irgendwas?

Hanekamp: Wir leben auf einem traumhaften Stück Land, und das befindet sich in Mexiko, sollte da aber ein Meteorit drauffallen und alles zerstören, ist mein Zuhause da, wo meine Frau und mein Sohn sind. Aus Hamburg fehlen mir sehr viele Menschen, zum Glück kommt ab und zu mal einer vorbei.

Eve Babitz: „Eve’s Hollywood“. Übers. von Tino Hanekamp. Heyne Verlag. 384 Seiten, 22 Euro.
Eve Babitz: „Eve’s Hollywood“. Übers. von Tino Hanekamp. Heyne Verlag. 384 Seiten, 22 Euro.

Alle warten auf den zweiten Roman. Man hört, er sei eigentlich schon längst fertig. Woran hängt es denn?

Hanekamp: Es sind sogar zwei, aber der eine ist größtenteils ausgedacht und liest sich auch so, und der andere ist vollkommen wahr und leider total unglaubwürdig. Vor allem war ich aber in den letzten Jahren mehr mit dem Leben beschäftigt als mit dem Schreiben. Es beruhigt sich aber gerade alles ein bisschen.

Wer, neben Ihrem Lektor, sagt Ihnen, dass Sie zu streng mit sich und Ihren Texten sind?

Hanekamp: Niemand mehr, die haben alle längst aufgegeben.

Was ist für Sie eigentlich die Essenz guter Literatur?

Hanekamp: Erkenntnis, Belebung, Genuss?

Kommt Ihnen Ihr Leben, gerade aufgrund der letzten Wendung, selbst manchmal romanhaft vor?

Hanekamp: Mehr als das. In Romanform glaubt einem das keiner, das ist ja das Problem!

Was ist das Lieblingswort Ihres kleinen Sohnes auf Deutsch, welches auf Spanisch?

Hanekamp: Spanisch: „abrazo“, das heißt „Umarmung“. Deutsch: „kaputt“.