Hamburg. Die Bassistin und Teilzeit-Hamburgerin war eine der ersten Frauen in der Rockmusik. Im Mai spielt die 68-Jährige in der Laeiszhalle.

Das Jahr 1974: Helmut Schmidt wird erstmals Bundeskanzler. Roman Polanski bringt „Chinatown“ ins Kino, die Gruppe Kraftwerk das Album „Autobahn“ auf den Markt. Und Suzi Quatro stürmt mit ihrem Album „Quatro“ an die Spitze der australischen Charts. Zwischen all den Musikern, die in paillettenbesetzten Klamotten und auf hohen Plateausohlen über die Bühnen tobten, bildet die kleine US-Bassistin einen Gegenentwurf. Und doch hat sie Hits wie „48 Crash“, „Can The Can“ oder „Devil Gate Drive“.

Ein Gespräch beim NDR, Quatro ist unprätentiös und freundlich. Sie hat sich gut gehalten, auch wenn die Haare etwas grau geworden sind. Was sie in all den Jahrzehnten gemacht hat? „Ich war auf Tour“, sagt die 68-Jährige und ist offenbar erstaunt, dass man von ihr etwas anderes erwarten könnte. „Ich arbeite nonstop.“ Auch 2019: Im Februar ist sie das Zugpferd bei einer Arena-Tour in Großbritannien, im Mai spielt sie 20 Konzerte in Deutschland, am 6. Mai auch eines in der Laeiszhalle. Und dann wartet auch noch Australien auf die 37. und 38. Quatro-Tour. Seit 54 Jahren ist sie Musikerin. Sie wohnt, wenn sie nicht gerade tourt, übrigens in Hamburg und im britischen Essex.

Der weibliche Elvis

Acht Bässe besitzt sie zurzeit. „Das ist doch eine vernünftige Zahl“, findet Quatro. Sie spiele ständig auf ihnen, nicht nur, wenn sie auf Tour ist. „Wenn du das nicht machst, werden deine Fingerkuppen weich.“ Als Kind lernte sie Bongos zu spielen und machte das schon als Siebenjährige in der Show ihres Vaters. Am Bass ist sie Autodidaktin. „Schon als kleines Mädchen wollte ich eine Entertainerin werden“, sagt die Frau, die in einem Vorort von Detroit, Sitz des Motown-Labels, aufwuchs. Schon früh spielte sie mit Musikern dieser Stadt – Bob Seger, Ted Nugent, Iggy Pop – zusammen. „Detroit ist wirklich eine großartige Stadt für Musik.“ Heute hört sie gern Bob Dylan, Otis Redding oder Elvis Presley. Zu Karrierebeginn wurde Quatro häufiger als „weiblicher Elvis“ bezeichnet. Sie mag aber auch Musik aus den 50ern – und von Ed Sheeran. Gab es je eine Phase ohne Musik? „Niemals“, sagt Suzie Quatro.

Sie trug einen Lederbikini

Wie war es in den 70er-Jahren, in die von Männern dominierte Rockmusik einzusteigen? Sie war eine der ersten erfolgreichen Frauen in dem Metier. „Ich komme ja aus einer Musikerfamilie. Mein Vater hat mir viel Selbstvertrauen mit auf den Weg gegeben. Es ist nie ein Problem gewesen. Aber ich nehme ja auch ernst, was ich mache.“ Der Rock sei nicht mehr das, was er früher einmal war. „Er hat seine Ehrlichkeit und Spontaneität verloren und ist zu einem großen Geschäft geworden. “

Über das Phänomen Glam Rock, das Bands von The Sweet bis Slade hochspülte, muss sie heute lachen. „Ich gehörte eigentlich gar nicht dazu. Die Leute assoziieren mich nur damit, weil ich zu der Zeit meine Hits hatte. Ich trug damals nie Make-up, die Jungs aber jede Menge. Sie hatten all diese irren Klamotten, ich nur einen einfachen Lederanzug. Aber es war eine lustige Zeit, denn es war ein schönes Gegengift zur Hippie-Ära. Musik war wieder zum Spaßhaben da, nicht nur zum Protestieren.“ Sie setzte damals konsequent auf Leder, sogar ihr Bikini war aus dem Material. Diese Klamotten trägt sie immer noch – auf der Bühne. Zum Gespräch ist sie in Jeans gekommen, stattdessen ist ihr Ehemann, der Hamburger Konzertveranstalter Rainer Haas, in schwarze Tierhaut gekleidet.

Bodenständiges Mädchen

Suzi Quatro bekennt sich dazu, nostalgisch zu sein. Ihre Musik hat sie um die Welt geführt. Als sie 1989 in Russland auftreten sollte, wurden drei ihrer Shows gestrichen. Angeblich wurde die Halle für andere Zwecke benötigt. Quatro und Band mussten in einer Zirkusmanege auftreten. Tolle Erinnerungen hat sie dagegen an die Oper in Sydney. „Wir haben da auf unserer letzten Tour vor ausverkauftem Haus gespielt.“

Viele Musiker aus ihrer Glanzzeit weilen schon nicht mehr unter uns. „Ich habe dieses verrückte Rock-‘n‘-Roll-Leben noch nie gebraucht. Ich gebe zwar alles auf der Bühne, aber wenn ich damit fertig bin, bin ich ein sehr bodenständiges Mädchen. Mich macht meine Arbeit auf der Bühne high, warum sollte ich es also sein, bevor ich auf die Bühne gehe?“ Wenn sie nicht spielt, schreibt sie Gedichte und Songs, besucht ihre beiden Kinder und ihre Enkeltochter. Mehrfach ist sie als Schauspielerin aufgetreten. Hatten Musikerinnen damals eigentlich Groupies? „Natürlich, männliche und weibliche“, sagt sie und lacht. „Aber ich bin eine katholische Musikerin.“

Haus am Wald in Niendorf

Ihr Haus in Niendorf liegt nahe am Wald. Sie läuft dort viel. An Hamburg schätzt sie die vielfältigen Einkaufsmöglichkeiten und die schönen Restaurants. „Das ist hier wirklich eine kosmopolitische Stadt.“ Wie reagieren ihre Nachbarn auf die bekannte Musikerin? „Ich wollte mich nie verstecken. Sie kommen zu mir und fragen: ,Bist du’s?‘ Und ich sage: ,Ja, bin ich.‘ Und dann lassen sie einen auch schon wieder in Ruhe.“ Auch wenn sie glaubt, dass sie selbst zeitlos sein könnte, weiß sie jetzt mit 68, wann sie aufhören will? „Ich erlebe meinen zweiten Frühling, genieße die Shows. Aber wenn ich auf die Bühne gehe, dem Publikum den Rücken zukehre, mit dem Po wackele, und danach bleibt hinter mir alles still – dann höre ich auf.“

Suzi Quatro & Band Mo 6.5., 20.00, Laeisz- halle, Karten zu 48,15 bis 90,70 im Vvk.