Hamburg. Der Pianist und Komponist begeisterte das Publikum am Traditionsort. Warum der besser ist als die Elbphilharmonie.
Der Morgenmantel des Hamburger Modelabels Herr von Eden leuchtet in Grüntönen, auch die Socken von Chilly Gonzales gehen farblich in Richtung Kermit, der Frosch. Eine Modesprache, über die sich diskutieren ließe, doch schon mit den ersten Akkorden eines Medleys aus seinem neuen Album „Solo Piano III“ bringt der kanadische Pianist und Komponist das Publikum in der ausverkauften Laeiszhalle zum andächtigen Schweigen.
„Ist Euch aufgefallen, dass ich noch nichts gesagt habe? Dann spiele ich also weiter“, verkündet er gut gelaunt und legt gleich noch ein paar seiner Miniaturen nach. Die bewegen sich wie immer kunstvoll zwischen Neoromantik, Impressionismus und Minimal Music, zwischen Chopin, Debussy und einem Hauch Satie, sie haben filmische Qualität ohne je in Kitsch-Verdacht zu geraten.
Er verbindet Ernst und Unterhaltung
Gonzales war schon immer ein großer Verbinder von Ernst und Unterhaltung, von Klassik, Pop und Hip-Hop. Später kommt der Wahlkölner doch noch ins Erzählen, philosophiert in beachtlich verbessertem Deutsch über einzelne Noten, um das Stück „Be Natural“ einzuleiten. Oder er erläutert vor dem „ Metronome Rap“ seine Rhythmus-Faszination. Der Sound wird voller, eine junge Cellistin und ein Schlagzeuger gesellen sich hinzu. Gonzales gibt schmissig das „Rap Race“ und lässt die Hände über die Tasten fliegen.
Nicht dabei ist erstmals das Hamburger Kaiser Quartett, treuer Konzertbegleiter vieler Tournee-Jahre. Je weiter der Abend fortschreitet, desto ausladender wird die Musik. Mit den schweren und dann feurigen Akkorden von „Knight Moves“. Oder dem flirrend-leichtfüßigen „Oregano“ mit seiner melodiösen Fröhlichkeit. „Smothered Mate“ habe es gar als Stadionmusik bis zur diesjährigen Fußball-WM geschafft, verkündet der Maestro stolz. Dann wieder schneidet er ein paar Nirvana-Noten mit einem Britney-Spears-Song kurz, um sein Kompositionsprinzip zu erläutern.
Schwärmerei für Laeiszhalle
Wer bedauert, dass die Laeiszhalle derzeit sehr im Schatten der Elbphilharmonie steht, kann sich jetzt ein wenig besser fühlen: Chilly Gonzales war zuletzt mit der Atmosphäre im neuen Konzerthaus wenig glücklich und kommt aus dem Schwärmen für seinen diesjährigen Auftrittsort gar nicht mehr heraus. Er beschwört die magische Verbindung mit dem Publikum, zählt die Laeiszhalle gar zu seinen drei Lieblingsorten in ganz Deutschland. Und schaltet zur Zugabe entschlossen noch die Orgel für ein Medley an, das er mit Michael Jacksons „Thriller“ furios enden lässt. Glücklicher Künstler, stehende Ovationen, mehr kann man nicht verlangen.
Alle aktuellen Kritiken des Abendblatts