Hamburg. Der österreichische Dramatiker spricht mit dem Abendblatt über sein neues Stück „Dritte Republik“ im Thalia Gaußstraße.

Der vielfach ausgezeichnete österreichische Dramatiker und Regisseur Thomas Köck, Jahrgang 1986, ist mit seinen sprachgewaltigen Texten derzeit überall gefragt. Gerade erst wurde Köck (Kleist-Förderpreis, Mühlheimer Dramatikerpreis) als Regisseur für den österreichischen Nestroy-Preis nominiert. Sein neues Stück „Dritte ­Republik“ bringt er am morgigen Freitag gemeinsam mit der Regisseurin Elsa­-Sophie Jach im Thalia in der Gaußstraße zur Uraufführung.

Was war der Anreiz für Sie, dieses Stück zu schreiben?

Thomas Köck: Die Geschichte Europas jährt sich 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges. Das ist ein historischer Moment. Ich dachte, man müsste das mal in Erinnerung rufen. Woher kommen die Nationalstaaten, die sich wieder aus ihren Gräbern erheben und ordentlich auf die Pauke hauen?

Wovon genau handelt das Stück?

Köck: Wir begegnen einer Landvermesserin, die beauftragt wird vom ehemaligen KUK-Vermessungsamt, die Außengrenzen neu zu vermessen. Sie gerät in einen Schneesturm und kommt vom Weg ab. Wir erzählen das als klassisches Stationendrama, in dem die Landvermesserin hauptsächlich deformierten, vom Krieg versehrten Männern begegnet.

Unter anderem trifft sie einen Reeder, der unschwer an den Hamburger Albert Ballin erinnert. Was interessiert Sie an dieser ­historischen Figur?

Köck: Interessant ist, dass er eine konkrete Utopie hatte, von globalem Weltbürgertum, die im Kern das Nationale nicht brauchte. So verstehe ich das. Am Tag der Ausrufung der Republik, am 9. November 1918, nahm sich Albert Ballin das Leben. Im frühen 20. Jahrhundert gab es eine große Aufbruchstimmung, die dann versank in einem Sumpf aus Zerstörung, Hass und totalitären Ideologien.

Wie erklären Sie sich das Erstarkcn neuer rechter Bewegungen?

Köck: Wenn man mitkriegt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz von ehemaligen SS-Funktionären geprägt war, die vor allem damit beschäftigt waren, Kommunisten in Westdeutschland auszuschalten, so sehe ich das, dann kommt man zu der Überlegung, dass der „neue“ Nationalismus und der „plötzliche“ Rechtsruck vielleicht gar nicht so neu sind. Vielleicht haben die nur geschlafen. Die Zwischenkriegszeit war bevölkert von Kriegsheimkehrern, gescheiterten Existenzen, die nicht mal den Krieg gewonnen hatten, sondern nur zerstört waren, gleich wieder in den Krieg wollten, und auch der war von Versehrten, Besiegten, Verwahrlosten geprägt. Die Wunden der zwei Kriege sind vielleicht nie wirklich geheilt.

Und welches Szenario entwerfen Sie nun im Stück für die ­Zukunft?

Köck: Wir zeigen eine negative Utopie. Eine nationalstaatliche Lösung hieße Untergang. Die Gefahr besteht, dass man in einen autoritären, illiberalen Kontinent rutscht, der Festung Europa heißt, der seine Bürger überwacht und Mittel kürzt. In Staaten wie Russland, China oder Türkei merkt man, wie es mit einer schwachen Opposition ist. Wenn die Pressefreiheit erst mal eingeschränkt wird, ist das weg. Das ist der ewige Traum der Nationalstaats-Verfechter auch in Österreich – die „Dritte Republik“ ist ja ein Verfassungskonzept der FPÖ aus den 1990er-Jahren. So neu sind diese Entwicklungen also alle gar nicht. Es geht darum, totalitäre Muster zu entwickeln, die in einer globalisierten Welt völlig schizophren sind. Aber vielleicht lieben die Menschen Diktaturen. (asti)

„Dritte Republik“ Uraufführung Fr 2.11., 20.00, Thalia in der Gaußstraße (Bus 2), Gaußstraße 190, Karten unter T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de