Hamburg. Überwältigende “Hedda Gabler“'beim Theaterfestival am Thalia. Das Ensemble ist wach, fokussiert und ineinander versunken.

Man schaut sich den Abend an und kann es kaum glauben: Fast auf den Tag genau 13 Jahre sind vergangen, seit diese Inszenierung Premiere feierte. Als Thomas Ostermeier seine „Hedda Gabler“ mit Katharina Schüttler und Lars Eidinger in den Hauptrollen an der Berliner Schaubühne herausbrachte, war Gerhard Schröder (gerade noch) Bundeskanzler. 13 Jahre. Seither ist diese „Hedda“ auf der ganzen Welt gezeigt worden, in New York, London und Paris, in Shanghai, Ottawa und Tel Aviv, um nur einige Stationen zu nennen. Nun also kam die Produktion zum ersten Mal nach Hamburg, ans Thalia Theater, als vorletztes Gastspiel des diesjährigen Hamburger Theaterfestivals (das bei der Premiere des Stücks noch gar nicht existierte).

Keine Sekunde lang hat man jedoch den Eindruck, hier eine abgestandene oder überholte Inszenierung zu erleben. So wach, fokussiert und ineinander versunken ist dieses fantastische Ensemble, so genau hören die Schauspieler einander zu, so präzise ist jeder Blick, jeder Gang, jede Bewegung, dass man im Publikum kaum ein Atmen hört.

Hedda Gabler wünscht sich Macht über andere

In diesem Spiel haben sich fast alle Figuren verkalkuliert. Zuallererst Hedda, die mit dem braven Tesman den falschen Mann geheiratet hat, einen, der sie - so glaubte sie - materiell und gesellschaftlich versorgen würde, der aber leider zu Tode langweilt. Nett ist nicht abendfüllend? Außer bei Lars Eidinger als dröge-naivem Bücherwurm in Strickpuschen.

Das eigentliche Ereignis sind dennoch die Szenen zwischen Katharina Schüttler, die mit eleganter Rücksichtslosigkeit durch ihren verglasten Bungalow tigert, und Jörg Hartmann (dem Dortmunder „Tatort“-Kommissar) als faszinierend unverfrorenem Hausfreund Brack sowie Schüttler und Kay Bartholomäus Schulze als Heddas früherem Liebhaber Eilert Løvborg. Die Spannung zwischen den psychologisch genau gezeichneten Figuren ist geradezu körperlich spürbar. „Einmal Macht über jemanden zu haben“, wünscht sich Hedda mit perfider Lust an der Manipulation, bevor ihr das Spiel entgleitet.

Die Macht hatte sie da längst, wenn schon nicht über die Männer, so doch über ein ganzes, ausverkauftes Theater. Großer Jubel für eine 13 Jahre alte, ungebrochen aufregende Konstellation.

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