Hamburg. Der Isländer hat im Großen Saal der Laeiszhalle aus dem Zusammentreffen von Bach und Steinway ein wahres Farbfest gemacht.
Johann Sebastian Bach und der Konzertflügel haben eins gemeinsam: Sie haben etwas von einem Chamäleon. Bach kann man auf tausend Arten spielen, und die Musik wird immer etwas zu erzählen haben. Und ein Klavier, wie wir es heute kennen, hat eine gewisse „Neutralität“ des Klanges, wie Maurizio Pollini das einmal bezeichnet hat, die das Instrument über alle Epochen hinweg einsetzbar macht.
Der Isländer Víkingur Ólafsson, in aller Munde seit seinem CD-Debüt mit Werken von Philip Glass, hat bei seinem Soloabend im Großen Saal der Laeiszhalle aus dem Zusammentreffen von Bach und Steinway ein wahres Farbfest gemacht. Wäre der Künstler nicht in jeder Zehntelsekunde Herr noch der kleinsten Bewegungen gewesen, man müsste von einem Farbrausch sprechen.
Beethovens frühe Sonate f-Moll wurde ein Krimi
In der ersten Programmhälfte setzte er Bach mit Kollegen in Beziehung, ob es Zeitgenossen waren wie der Italiener Alessandro Marcello oder Nachgeborene wie Sergej Rachmaninow. So zeigte sich Bach mal kontrapunktisch streng und mal italienisch melodiebetont. Rachmaninows Bearbeitung der Gavotte aus der E-Dur-Partita für Violine Solo wurde unter Ólafssons Fingern zu einem großen, vergnügten Jahrmarkt. Es war überwältigend zu erleben, was für Klangnuancen diesem Pianisten zur Verfügung stehen, ob in Textur, Lautstärke oder Artikulation, und wie er die Musik damit zu Geschichten und Gestalten formte. Historische Aufführungspraxis? Wozu brauchen wir die?
Beethovensfrühe Sonate f-Moll wurde ein wahrer Krimi. Und hätte es nur eines Beweises für die Kunst Ólafssons bedurft, dann hätte er ihn mit dem Beginn der „Pathétique“ erbracht. Ebenfalls von Beethoven, legte er das anspruchsvolle Stück in einer gänzlich anderen Klanglichkeit an. Und blieb den selbst gesteckten Maßstäben die ganze Sonate hindurch treu.
Selten so gestaunt.