Hamburg. Florian Boesch und die Gruppe Franui mit Stücken von Schubert, Mahler und anderen. Sie kommen einem erschütternd nah.

Das soll Schubert sein? Hohe Fieptöne leiten das Konzert in der Laeiszhalle ein, dann mischt die Klarinette einen Ruf dazu, am anderen Ende der Tonskala setzt die Tuba stoisch ihren Rhythmus dagegen. Die Harfe klingt, als flirrte Sonnenlicht durch Frühlingslaub, und die Geige schwingt sich zwitschernd in die Höhe.

Die Gruppe Franui hat Schuberts Lied „Die Vögel“ beim Wort genommen. Was das Publikum an diesem Abend rund um Mahlers „Lieder eines fahrenden Gesellen“ zu hören bekommt, ist Naturschilderung, Verfremdung, Spurensuche und vieles andere mehr. Vom bürgerlichen Klavierlied bleibt da wenig. Selbst Florian Boesch, im normalen Leben ein international gefragter klassischer Bariton, der an diesem so besonderen Abend mal eben 75 Minuten am Stück singt, bringt andere Klangfarben hinein als bei einem traditionellen Liederabend.

Erschütternd nah kommen sie einem

Franui, das sind diverse Klarinetten und Blechblasinstrumente, Harfe, Hackbrett und Zither, eine einsame Geige, Kontrabass und Akkordeon. Alles zusammen ergibt ein volkstümlich alpenländisches Klangbild; schließlich hat die Musicbanda, wie sie sich nennt, ihre Wurzeln in einem Osttiroler Dorf. Wenn sie sich über Lieder von Schubert oder Mahler hermacht, dann explodiert das förmlich im Kopf des an die geschlossene Klanglichkeit des Klaviers gewöhnten Hörers. Urplötzlich zeigen sich die beiden Komponisten nicht als international gängige Tonsetzer, sondern als Persönlichkeiten mit einer regionalen Zugehörigkeit. Erschütternd nah kommen sie einem, zumal die Künstler mit einer Feinheit und einem Esprit musizieren, die das vorgeblich Derbe ihrer Besetzung hinreißend Lügen strafen.

Nicht nur Mahler und Schubert kommen zu Ton, sondern auch Schumann und Brahms. „Alles wieder gut“, ist das Konzert überschrieben. Wer’s glaubt, der kennt Mahlers seelische Abgründe nicht. Der Videokünstler Jonas Dahlberg jedenfalls dekonstruiert einen Abend lang das Mobiliar eines Schlafzimmers – so langsam und unerbittlich, wie uns allen das Leben durch die Finger rinnt.