Hamburg. Die Komödie „Heiß auf 2. Liga“ in den Kammerspielen thematisiert die Machenschaften hinter den Kulissen des Fußballvereins.
Es ist der Abend danach, einen Tag nach dem 0:5-Desaster des HSV im Zweitliga-Heimspiel gegen Jahn Regensburg. Der ältere Mann sitzt in der U 1, seinen HSV-Schal hat er ak-kurat über seiner Jacke gebunden, fast wie eine Krawatte. Er schaut nach vorn. „Heiß auf 2 Liga?“ Offenbar nicht – als der Zug in die Station Hallerstraße einrollt, steigt er nicht etwa aus, sondern fährt weiter Richtung Ochsenzoll.
Dabei steht in den nahen Hamburger Kammerspielen in Rotherbaum „Heiß auf 2. Liga“ auf dem Plan. Ein besonderes Montagsspiel, eine Uraufführung. Geschrieben hat das Stück Jörg Menke-Peitzmeyer nach einer Idee des Kammerspiele-Intendanten Axel Schneider in der Sommerpause – nachdem der erste Abstieg des HSV aus der Bundesliga feststand. Schnellschuss, Tor des Monats oder Volltreffer? Darüber lässt sich später wie über ein Fußballspiel noch länger diskutieren.
Wundersamer Waschsalon
Auf der Bühne ein wundersamer Waschsalon mit fünf Maschinen. Die heißen Horst, Manni, Uwe, Felix (versehen mit dem Schild: „Außer Betrieb“) und Kevin und stehen – mit Nachnamen – für die HSV-Ikonen Hrubesch, Kaltz, Seeler, Magath und Keegan. Mit HSV-Devotionalien und einem großen HSV-Mannschaftsfoto aus den frühen 60ern an der Wand gleicht er einem HSV-Museum, ist aber das (Macht-)Zentrum des Wäscherei-Unternehmers und HSV-Geldgebers Rolf-Peter Hala. Fast immer an seiner Seite: Waschfrau Luise.
Sie nehmen das Publikum mit in die aktuelle Fußball-Saison. Neben dem an Groß-Investor Klaus-Michael Kühne angelehnten Hala taucht der Trainer Trutz auf, dem derzeitigen Coach Christian Titz ähnlich. Der eine nennt den Trainer einen „U-19-Tätscher“, der andere muss sich im Gegenzug mit einem „Typ arrangieren, der dem HSV die ganze Scheiße eingebrockt hat“. Als sich Hala dann auch noch vom Spielervermittler Nettermann einen vermeintlich Wunderstürmer aus Brasilien namens Sergio andrehen lässt, weitet sich der Konflikt aus. Doch Hala erklärt: „Jesus kam schon nach drei Tagen wieder hoch, wir müssen ‘ne ganze Saison spielen.“
Björn Bonn ist der eigentliche Gewinner
Autor Menke-Peitzmeyer hat viele Namen und Themen aus der HSV-Historie eingebaut. Das erschwert es Nicht-Sportinteressierten, am Ball zu bleiben in dieser Abstiegskomödie; dass Coach Trutz mangels Stift für seine Taktikerklärungen im Waschsalon aber den Lippenstift von HSV-Vorstandsfrau Dr. Valentina Claus (Ann-Cathrin Sudhoff) benutzt, trägt schon wieder komische Züge. Auch dass sie ein Verhältnis mit dem Trainer hat, bis der eines Tages „freigestellt“ wird – im doppelten Sinn.
Björn Bonn aber ist der eigentliche Gewinner in dieser Schauspieler-Mannschaft: Er gibt seinem Trutz, der einzigen nicht überzeichneten Figur, auch melancholische Züge. Und dass Bonn als dubioser Spielervermittler Nettermann und Tätowierer Mr. Needle noch zwei andere Rollen ausfüllt, merkt man erst beim Blick ins Programmheft. An Nettermanns Gebaren zeigen sich die Machenschaften des Fußball-Geschäfts bis hin zum Menschenhandel, dass man sich fragt:
Feine satirische Züge
Was ist Realität (wie etwa gestaffelte Tor- und Vorlagenprämien), was (noch) Fiktion? Denn von einem „Clean Sheet Bonus“ von 50.000 Euro für den Stürmer Sergio, bloß weil der Gegner kein Tor erzielt, wissen selbst HSV-Experten bisher nichts. Dass Vorstandsfrau Dr. Claus daraus für sich sogleich vierstellige Sonderprämien nur für das Betreten des Büros und Hochfahren des Computers ableitet, sind feine satirische Züge des absurden Spiels.
Blamage gegen Regensburg:
Die HSV-Bilder der Blamage gegen Regensburg
n dem ist Franz-Joseph Dieken als Hala die starke Hauptfigur. Dass er dennoch fast immerzu brüllen muss, hätte Gil Mehmert unterbinden sollen. Der Regisseur („Das Wunder von Bern“) sorgt für Tempo in dieser Komödie, mit Ausstatterin Beatrice von Bomhard auch mal für einen Wechsel an den Spielfeldrand und hat die Übergänge – mit HSV-Rauten-Vorhang – mit klassischen Werken kunstvoll ausgestaltet. Es obliegt letztlich Luise, saubere Wäsche zu waschen. Hannelore Droege hat als gute Seele des HSV eine dankbare, wenn auch recht eindimensionale Rolle. Aber wie sagt sie so schön: „Ich wäre schon froh, wenn wir einsnull gegen Regensburg gewinnen würden.“
Und wenn der Bahnfahrer aus der U 1 Richtung Ochsenzoll – dort stand jahrzehntelang auch das Trainingszentrum der HSV-Profis – demnächst an der Hallerstraße ausstiege, würde er wohl auch so lange applaudieren wie das Premierenpublikum. Obwohl schon zur Pause einige Zuschauer die Kammerspiele verlassen hatten.
„Heiß auf 2. Liga“ wieder ab Fr 28.9., 20.00., bis 17.11., Kammerspiele (U Hallerstr.), Hartungstr. 9–11, Karten zu 18,- bis 43,-: HA-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18–32, T. 30 30 98 98; hamburger-kammerspiele.de