Hamburg. Das neue, persönliche Buch des Literaturhaus-Chefs ist äußerst lesenswert. Er porträtiert seinen verstorbenen Vater.
Der Tod des eigenen Vaters ist, so heißt es, ein einschneidendes Ereignis im Leben eines Mannes. Was denn auch sonst?
Rainer Moritz hat nach diesem einschneidenden Ereignis nun ein Buch geschrieben. „Mein Vater, die Dinge und der Tod“ porträtiert den aus Bayern stammenden Schwaben Kurt Moritz, der 2015 im Alter von 89 Jahren starb. Die letzten Jahre seines Lebens war er fast erblindet, angewiesen auf die Hilfe seiner Frau und kaum noch außerhalb seiner Wohnung in Heilbronn anzutreffen. In der Mietwohnung – 100 Quadratmeter – wohnte er 46 Jahre lang mit seiner Frau zusammen, zog drei Kinder groß und lebte ein Leben, das exemplarisch war für die Zeit, in der er lebte, und die Generation, der er angehörte.
Rainer Moritz ist im Hauptberuf Leiter des Hamburger Literaturhauses, und er ist als Autor dieses Buches ein eher distanzierter, ein meist nüchterner Berichterstatter, der sich erfolgreich bemüht, so unsentimental wie möglich vom Leben seines Vaters zu erzählen. Berührend ist diese kursorische Lebensbeschreibung, ist diese Normalbiografie eines Mannes, der sich zeit seines Lebens kaum je über seine emotionalen Zustände und Gefühlsregungen verbreitete, natürlich dennoch. „Mit sich selbst die Dinge auszumachen, das habe ich von Vater geerbt. Ob ich damit glücklich bin? Manchmal ja“, heißt es einmal in diesem Text, der die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede zwischen Vater und Sohn auslotet.
Über Existenzielles sprachen Vater und Sohn nicht
Rainer Moritz’ bislang jüngste Buchveröffentlichungen drehten sich um Fußball und Schlagermusik, also die privaten Leidenschaften des Literaturkenners; private Leidenschaften, die sich leicht auch vollkommen unpersönlich öffentlich machen lassen. Ein Vater-Buch ist ohne die Preisgabe von intimeren Details nicht denkbar. Und so erfährt man hier auch manches über Moritz selbst: etwa, dass er wie sein Vater rohe Paprika nicht mag und bisweilen dazu neigt, seine Ex-Freundinnen zu googeln.
Man kann wohl sagen, dass dieses Buch keine außergewöhnliche Vater-Sohn-Beziehung beschreibt. Der konservative Vater, der Sohn, der die Provinz verlässt und andere, auch lebensanschaulich andere Wege einschlägt, der seine Kinder anders erzieht, der sich von seiner ersten Frau trennt, ein schwerer Schlag für den Vater, der andere Wertvorstellungen hat – sehr wahrscheinlich werden die Gegensätze, die sich zwischen dem Autor Moritz und seinem eigenen Sohn abspielen, ganz andere sein. Besonders die von Moritz angeführte Sprachlosigkeit, die zwischen den beiden Männern herrschte, nie wurde über Existenzielles geredet, könnte eine Tatsache sein, die eher für die Väter und Söhne von gestern und heute gilt, nicht unbedingt die von morgen.
So erzählt Moritz über die Dingwelt, wer sein Vater war und wie er lebte. Der Grabstein, der Teppichklopfer (mit dem der kleine Rainer selten zwar, aber dann eben doch Züchtigungen erfuhr), die Lesekrippe, die Musikanlage, das Rasierwasser: Sie alle künden von den Glücksversprechen und den Lebensumständen der Mittelschicht der alten Bundesrepublik. Sie erzählen von einem Mann, der seinen dankbaren Sohn in den „Kokon der Familie“ wickelte und allen drei Kindern ein Studium ermöglichte. Dabei bleibt die Beziehung zwischen den Moritz-Männern undramatisch. Anders als bei Knausgård, dessen quälerischer Autobiografie-Zyklus eine vatergeschädigte Selbsttherapie ist. „Mein Vater, die Dinge und der Tod“ ist eine Hommage, auch an die Mutter, der Moritz sein Buch widmet. Man denkt bei der Lektüre an Richard Fords „Zwischen ihnen“.
Rainer Moritz stellt sein Buch am 13.9., 20.00, „Cap San Diego“, auf dem Harbour Front Festival vor, Karten 16,-