Hamburg. Detlev Buck sprach mit dem Abendblatt über seinen neuen Film „Asphaltgorillas“ und den Zustand seiner Branche.

Es ist sein Kinoherbst: Nachdem Detlev Buck vier ­Jugendfilme in Serie gedreht hat, bringt er jetzt seine Krimikomödie „Asphaltgorillas“ in die Kinos, der nächste Buck-Film kommt bereits im Oktober. Im Abendblatt-Interview spricht der in Berlin und in der Nähe von Hamburg lebende Regisseur und Schauspieler über die Schwierigkeiten des Kinos, abgelehnte Projekte und Streaming-Portale.

Herr Buck, wie geht’s denn dem deutschen Kino?

Detlev Buck: Ich würde jedenfalls nicht sagen, dass das Kino tot ist. Aber die Zuschauer sind nicht mehr neugierig. Die Neugierde passiert nur in den Streaming-Portalen. Arthouse-Filme habe es gerade sehr schwer, und das Mainstream-Kino versucht, hauptsächlich Events zu kreieren, oder dreht Wiederholungen. Das Geschichtenerzählen verschwindet aus dem Kino. Das ist das Problem. Ich habe mich damals ins Kino verknallt, als ich Filme wie „Amadeus“ und „Out Of Africa“ gesehen habe.

Warum werden Streaming-Portale und Serien immer erfolgreicher?

Buck: Das hängt sicher mit der horizontalen Erzählweise zusammen. Man kann eine ganze Reihe von Figuren aufbauen, die nicht mal sympathisch sein müssen. Aber das dauert so lange, dass es im Kino nicht stattfinden kann. Viele jüngere Zuschauer ziehen sich am Wochenende eine ganze Staffel rein. Dann sind sie wieder up to date und können mitreden, ob „Orange das New Black“ ist oder was weiß ich. Aber sie sind neugierig. Anders als der Fernsehzuschauer.

Bekommen Regisseure wie Sie im Fernsehen ungewöhnliche Stoffe unter?

Buck: Die Fernsehanstalten glauben, dass ihre Zuschauer im Schnitt 60 Jahre alt sind. Sie sollen mit krassem Zeug nicht verstört werden. Das Fernsehen setzt, überspitzt gesagt, vor allem auf große Events wie die Fußball-WM. Nur der „Tatort“ allein reicht nicht.

Hätten Sie Lust, selbst eine Serie für eines der Streaming-Portale zu drehen?

Buck: Ich hatte bereits einige Angebote. Aber mich interessiert im Moment die vertikale Form mehr als die horizontale. Eine Story darf nicht vorhersehbar sein. Das ist auch das Prinzip meines neuen Films „Asphaltgorillas“: Die linke Hand weiß nicht, was die rechte tut. Handlungen laufen parallel, der Zuschauer weiß nicht, was kommt. Wenn die Leute genau wissen, was sie bekommen, schlafen sie ein. Ich liebe diese Kompaktheit und erzähle lieber etwas in 100 Minuten als in 14 Stunden.

Wie schwierig ist es angesichts der Konkurrenz von Netflix und anderen, Fördermittel für Kino-Filme zu bekommen?

Buck: Manchmal ist es einfach, wie bei „Wuff“, der im Oktober in die Kinos kommt. Das ist eine Komödie über vier Frauen und Hundehalterinnen in der Krise. Emily Cox, Johanna Wokalek, Maite Kelly und Marie Burchard spielen mit. Drei andere Projekte mit Genre-Filmen sind mir abgelehnt worden.

Trotz Ihres Erfolgs und Ihrer Bekanntheit?

Buck: Ich bin da nicht der Einzige. Lars Becker zum Beispiel kann auch Kino und liebt Genre-Filme, bekommt aber auch keine Förderung für einen Krimi. Auch Tom Tykwer hat sich erst mal aus dem Kino zurückgezogen und dreht für Sky ein paar Jahre lang „Babylon Berlin“.

Am 30. August läuft „Asphaltgorillas“ in den Kinos an. Nach vier Jugendfilmen der „Bibi und Tina“-Reihe ist das ein ziemlich harter Gangsterfilm, wie Sie ihn noch nie gedreht haben.

Buck: Es ist eine Gangsterkomödie mit vielen ironischen Brechungen. Die Schlägerei-Szene zum Beispiel nimmt sich nicht so ernst wie vergleichbare Szenen in der Serie „Vier Blocks“. Auch das Macho-Gehabe der Gangsterbosse wird ironisiert. Aber diese „Silberrücken“ findet man genau so in den entsprechenden Milieus. Ebenso wie es Rennen zwischen Lamborghini-Fahrern gibt. Das mag im ersten Moment wie ein Klischee wirken, entspricht aber der Wirklichkeit. Wie Umberto Eco sagte: „Zwei Klischees sind lächerlich, bei 100 kommt man der Wahrheit ein Stück näher“.

Trotz der Brechungen ist „Asphaltgorillas“ ein Genre-Film, der in seiner Ästhetik, durch Schnitt und Beleuchtung an frühe Scorsese-Filme erinnert.

Buck: Wir haben im Winter gedreht. Da ist es schnell dunkel, und du bekommst automatisch diesen Neon-Stil und eine etwas andere Visualität. Beeinflusst ist „Asphaltgorillas“ von „True Romance“, bei dem Quentin Tarantino das Drehbuch geschrieben hat. In beiden Filmen ist es eine romantische Pärchen-Geschichte, das von Gangstern gejagt wird. Bei mir sind es sogar zwei Pärchen.

Der Film „Asphaltgorillas“ kommt am Donnerstag ins Kino
Der Film „Asphaltgorillas“ kommt am Donnerstag ins Kino © Constantin Film/Bothor

Die Grundlage ist die Erzählung „Der Schlüssel“ von Ferdinand von Schirach.

Buck: Für das Drehbuch haben wir die Schirach-Erzählung kernsaniert. Die Hauptfigur war nicht zu gebrauchen. Das ist ein aufgepumpter Typ, der doof ist. Wir haben daraus die Geschichte eines anderen türkischen Jungen entwickelt, der verheiratet werden soll. Sie handelt von der Emanzipation dieses Jungen und von der Freundschaft zu einem Chaoten. Bei Schirach geht es auch um Drogen, das fand ich langweilig. Bei mir geht es um Falschgeld.

Welche Ihrer Projekte hat die Filmförderung abgelehnt?

Buck: Ich wollte vor einiger Zeit einen Film über den Diebstahl einer Kobalt-60-Maschine machen, mit der man eine „schmutzige Bombe“ bauen kann. Das Drehbuch basierte auf einem Roman, es ging um eine Agentengeschichte mit einem klassisch inszenierten Raub. Das zweite war ein Film, der auf dem Meer spielen sollte, der zugegebenermaßen sehr teuer geworden wäre. Gerade ist eine Geschichte abgelehnt worden, in der es um eine katastrophale Reise in die Provinz geht. Kino muss aber seine eigenen Inhalte schaffen, darf nicht nur auf Nummer sicher gehen. Natürlich gibt es auch Flops, aber man darf nicht aufhören, Dinge auszuprobieren.

Hätte ein Oscar-prämierter Film wie „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“, der ja auch in der Provinz spielt, in Deutschland eine Förderung erhalten?

Buck: Das ist ein gutes Beispiel, wie ein schwieriges Thema leicht und überraschend, unkonventionell und spannend umgesetzt wurde. Hätte ich „Three Billboards ...“ hier gepitcht, wäre ich nicht ans Ziel gekommen. Und würde es in Ahrensburg oder Norderstedt spielen, würde es ja auch keiner anschauen.