Hamburg. Der Schauspieler und Kabarettist Josef Hader spricht über seine Erfahrungen im Norden und den neuen Kinofilm „Arthur & Claire“.

In der Hansestadt ist Josef Hader (56) dank seiner legendären Auftritte beim Hamburger Kabarettfestival bekannt, einst in der Kampnagel­fabrik, in den Nullerjahren dann im St. Pauli Theater mit seinen Programmen „Hader muss weg“ und „Hader spielt Hader“. In den vergangenen Jahren hat sich der österreichische Satiriker auf die Mitwirkung in Filmen und das erfolgreiche Schreiben von Drehbüchern verlegt. Mit seinem Regiedebüt „Wilde Maus“, in dem er selbst die Hauptrolle eines geschassten Musikkritikers spielte, war der Wahlwiener im Vorjahr bei der Berlinale im Rennen um den Goldenen Bären. Für seine Rolle als Stefan Zweig im Film „Vor der Morgenröte“ wurde er für den Europäischen Filmpreis 2017 als bester Darsteller nominiert.

Abaton, Koralle und Zeise zeigen den Film

Am heutigen Donnerstag kommt „Arthur & Claire“ im Kino. Hader spielt darin einen an Lungenkrebs Erkrankten auf dem Weg in eine holländische Sterbeklinik, der in einem Hotel in Amsterdam zufällig eine chaotische Selbstmörderin kennenlernt. Hader schrieb das Drehbuch mit dem deutsch-portugiesischen Film- und TV-Regisseur Miguel Alexandre aus Lübeck („Grüße aus Kaschmir“, „Tatort“, „Der Mann mit dem Fagott“). Beim Gespräch im Hotel Hafen Hamburg schweift Haders Blick immer mal wieder über die Elbe.

Haben Sie sich dieses Domizil hier bewusst ausgesucht?

Josef Hader (lächelt): Nein, das wird von der Produktionsfirma oder vom Vertrieb ausgesucht. Tendenziell wohnt man als Schauspieler besser. Als Kabarettist wohnt man nicht in so tollen Hotels, das ist mehr ein Ausflug, dann gehe ich eher in die mittelklassigen Hotels.

Was verbindet Sie mit Hamburg?

Hader: Ich hab schon früh in den 1990ern beim Kabarettfestival auf Kampnagel begonnen, hier zu spielen. Ich war damals mit einem radikalen Programm unterwegs, „Bunter Abend“, in gewisser Weise einer Hinrichtung der Form Kabarett. Die Kritiken waren immer hervorragend, aber vielen Leuten war es einfach zu starker Tobak. Dann kam ich nach Hamburg: Hier ist niemand gegangen, das Publikum war viel besser als anderswo. Und in der ersten Reihe auf Kamp­nagel saß ein Herr, der war ungefähr so alt wie ich jetzt, Mitte 50, ein Geschäftsmann, Nadelstreifen, Krawatte, und der hat sich auf die Schenkel geklopft bei den ärgsten Witzen, die an der Geschmacksgrenze waren – mein erster Eindruck von Hamburg. Seitdem hab ich das Vorurteil, dass es hier das beste Humorverständnis in Deutschland gibt – wohl auch weil England so nah ist.

Hamburger haben eben oft einen trockenen, fast schwarzen Humor!

Hader: Genau, das Norddeutsche. Ich hab das auch sofort bemerkt, als ich die ersten Filme von Detlev Buck gesehen habe, „Karniggels“ und „Wir können auch anders ...“. Schon damals hab ich mir gedacht: Das ist eine Farbe, eine Form von wirklich ironischem, trockenen Humor. Anders als man sich als Österreicher den deutschen Humor vorgestellt hat.

Warum spielt denn Ihr Film „Arthur & Claire“ weder in Wien noch in Hamburg?

Hader: Weil man die Sache, die der Arthur da machen möchte, eigentlich nur in Holland kann. Und das Theaterstück, das das Vorbild für den Film war, spielt auch in einem Hotelzimmer in Amsterdam, vorgegeben vom Autor Stefan Vögel, einem Landsmann von mir. Regisseur Miguel Alexandre hat die Drehbuchfassungen geschrieben, und dann bin ich eingestiegen.

2008 haben Sie mir gesagt: „Wenn ich Autor bin und Texte schreibe, bin ich eher ein wilder Hund, aber als Schauspieler möchte ich doch irgendwie geliebt werden ...“

Hader: Als Kabarettist vor allem. Als solcher schreibe ich mir immer einen möglichst wilden Text, den spiele ich auf der Bühne aber immer so, dass ich versuche, alles zu tun, die Leute zu verführen, und am Schluss möchte ich geliebt werden. So als würde jemand eine ganz wilde Bergstraße bauen mit ganz vielen Schikanen und mit einem weich gefederten Geländewagen drüberfahren. Das ist ein bisschen schizophren.

Wie schizophren ist „Arthur & Claire“? Krass: Todkranker trifft Selbstmörderin!?

Hader: Das war die Grundidee des Stücks. Als ich eingestiegen bin, hab ich mir gedacht: Wegen der Rolle müsstest du es nicht machen. Die geht keinen Schritt weiter irgendwohin. Aber die Geschichte von einer jungen Frau, die sich umbringen möchte, und einem älteren Mann, der demnächst sterben muss, das Ganze in einer einzigen Nacht in einer Stadt, die Geschichte hat mich verführt.

Weshalb?

Hader: Weil man beim Film nicht so komprimiert arbeitet. Film hat normalerweise viel mehr Personal und erzählt meist einen viel größeren Zeitraum. Ich liebe aber diese Filme, die diese Vorteile wegwerfen und sich wie ein Stück auf einen engen Zeitraum konzentrieren, hier nur auf zwei Personen. Das ist mein Ideal.

Dann muss die Arbeit mit Hannah Hoekstra, einem der Shootingstars der Berlinale 2017, besonders viel Spaß gemacht haben?

Hader: Das war das Herausragende an diesem Film, weil wir wirklich sehr eng und vertrauensvoll ohne jede Eitelkeit, ohne Hängen an irgendeiner Zeile versucht haben, das Drehbuch noch mal neu zusammenzusetzen. Was wir weggeworfen haben, sind mehr als 50 Prozent.

Und Sie haben den Text auch nicht durch Improvisation ersetzt?

Hader: Nein, sondern möglichst weggelassen. Das Stück hat sehr viele Dialoge, es ist ein Boulevard-Stück, auf der Bühne ist der Dialog die Hauptattraktion. Während der Drehbuchfassung haben Miguel Alexandre und ich bereits immer mehr Text weggegeben, und dann haben wir mit Hannah zusammen noch mal gekürzt. Auch wenn wir müde waren, haben wir uns am Abend nach dem Drehen zusammengesetzt und haben die Szenen des nächsten Tages gelesen. Dann sind wir zu dritt auf Vieles gekommen, das nicht mehr notwendig war.

Wo und wie ordnen Sie„Arthur & Claire“ jetzt ein, ist es mehr als eine Tragikomödie?

Hader: Es ist ein Genre, bei dem ich das Gefühl hab, ich mache einen kleinen Ausflug ...

... wohin?

Hader: Ein bisschen ins Lieblichere (Hader ­lächelt). Mir war klar, dass das hier eine etwas andere Tonfärbung hat als jene Filme, die ich normalerweise selber schreibe. Aber ich habe mir gedacht, es hat die Chance, etwas Besonderes zu werden wegen dieser speziellen Situation der beiden Protagonisten. Mit diesem Spiel, das wir da gestalten, bin ich auch wirklich zufrieden.