Hamburg. Der Musiker gastiert im Großen Saal der Elbphilharmonie und äußert sich dort musikalisch auch zu Donald Trump.

Rhythmus ist alles. Oder fast alles. Pianist Arturo O’Farrill beginnt das erste Stück zusammen mit seinen drei Trommlern perkussiv, bevor Trompete, Saxofon und Posaune ihren mächtigen Klang in den Großen Saal der Elbphilharmonie blasen. Der kollektive Trommelwirbel bleibt als Grundlage präsent, als die Solisten sich nacheinander vorstellen. Saxofonist Chad Lefkowitz-Brown lässt die Skalen tanzen, Trompeter Adam O’Farrill zerschneidet die Luft im Saal wie eine Machete das Zuckerrohr, Posaunist Rafi Makiel testet aus, welche Tonsprünge und Geräusche möglich sind.

O’Farrill folgt mit einem filigran und schnell gespielten Solo, das mehr an das nervöse New York als das gemächliche Leben in Havanna erinnert. Schon mit der ersten Nummer stellt der in New York lebende kubanische Pianist seine Band vor und macht klar, wohin die Reise in den nächsten zwei Stunden gehen wird: O’Farrills ­Afro Latin Jazz Ensemble verbindet ­afro-kubanische Traditionen mit zeit­genössischem Jazz und allen damit verbundenen Freiheiten.

Eine ganze Familien-Dynastie

O’Farrills Vater Chico gehörte in den 50er-Jahren zu den Musikern, die den afro-kubanischen Jazz kreiert ­haben. Inzwischen gibt es eine ganze Familien-Dynastie. Zu Arturos Band ­gehören seine Söhne Adam und Zack, der Schlagzeug spielt. Nach Hamburg ist das Oktett gekommen, weil der Pianist und Komponist beim Sommerfestival auf Kampnagel eine Suite für die ­kubanische Malpaso Dance Company komponiert hat, die am letzten Mittwoch Europa-Premiere gefeiert hat. Das New Yorker Ensemble begleitete die Tänzer drei Tage lang live. Der Auftritt in der Elbphilharmonie beendet das Gastspiel dieser herausragenden Band.

„24 Hours And A Dog“ heißt die ­Suite, die O’Farrill für die Tanztruppe aus Havanna geschrieben hat, Teile davon finden sich im Repertoire in der Elbphilharmonie. Hier spielt das Oktett lauter, auch die Intensität erreicht ein noch ­höheres Level. Der Bandleader schlägt mit beiden Händen auf die Tastatur des Flügels, das Saxofon kreischt auf und die Perkussionisten schaffen ein furioses polyrhythmisches Geflecht. Die Band hat viel Wumms und drückt das Publikum im ausverkauften Saal förmlich in die Sitze. Sanfte Passagen gibt es kaum. Mit geballter Faust zählt O’Farrill die nächste Nummer ein und treibt seine Truppe zum nächsten Höhenflug.

Wut über den irrlichternden Präsidenten

Ein bisschen politisch wird es am Ende des Abends auch noch, als O’Farrill auf den US-Präsidenten zu sprechen kommt. Oder eigentlich: nicht zu sprechen kommt. „Mir fällt einiges ein, aber ich bin ein höflicher Mensch, deshalb sage ich nichts.“ Statt sich in Unflätigkeiten auszulassen, äußert sich O’Farrill musikalisch – mit „Trump Don’t Trump“, einer aggressiven Free-Jazz-Nummer, in der die ganze Wut des Komponisten über den irrlichternden Präsidenten zu hören ist. Am Ende gibt es von der Mehrzahl der Zuhörer lauten Beifall, eine ganze Reihe verlässt aber vor den Zugaben eilig das Konzerthaus. Dieser hochkomplexe Jazz ohne Salsa und Buena-Vista-Gesang ist für einige wohl doch zu wenig tanzbar.