Hamburg. Telemanns „Miriways“ unterhält in ihrer ersten szenischen Umsetzung in Hamburg. Aber ganz andere waren heimliche Stars.

Machtgerangel und In­trigenspiele in Afghanistan und im Iran – in unseren Zeiten scheint ein Opernstoff, der in einem politischen Brennpunkt spielt, ein wenig heikel. Kein Problem im 18. Jahrhundert. In den 1720er-Jahren drangen Nachrichten von einem gewissen afghanischen Fürsten namens Mir Wais in die Hansestadt. Er hatte sich Persien einverleibt. Das traf auf die damals nicht kursierende Orientbegeisterung. Und Telemann, seines Zeichens seit 1721 Musikdirektor an der Elbe, hatte zeitlebens sowieso eine Nase fürs Marketing.

Tagesaktuelle Nachrichten aus dem Nahen Osten kamen ihm da gerade recht. Jetzt erlebte seine im Mai 1728 uraufgeführte Oper „Miriways“ rund 290 Jahre nach ihre Entstehung die erste szenische Umsetzung in Hamburg in der Opera stabile in einer Produktion des Internationalen Opernstudios. Vor ein paar Monaten gab es beim Telemann Festival zum 250. Todestag schon einmal eine konzertante Aufführung.

Handlung unverständlich, Stück stark gekürzt

Das aktuelle Geschehen war 1728 für Telemann nur Folie für ein Lehrstück über Liebe und Verzicht, Intrigen und Moral. Miriways muss aus politischem Kalkül seine Geliebte Samisha verlassen und eine andere heiraten. Eine gemeinsame Tochter geht in diesen Wirren verloren. Aber nach der Eroberung Persiens ist er wieder mit Samisha zusammen. Er stellt Sophi, dem Sohn des besiegten Schahs, den Thron in Aussicht, wenn er die von Miriways vorgesehene Frau heiratet. Sophi weigert sich, weil er Bemira liebt. Keiner weiß, dass sie die verschollene Tochter ist. Dann gibt es da noch Nisibis, eine Witwe, die sich um Bemira kümmert und vom intriganten Zemir begehrt wird. Sie liebt aber Murzah. Alle finden sich, denn ein Happy End ist Pflicht in der Barockoper.

Diese Handlung versteht man nicht unbedingt in der Hamburger Inszenierung, es wurde stark gekürzt, und das Programmheftchen beschränkt sich auf ein paar Stichworte zu den Personen. Die Opera stabile wurde zu einer orientalischen Bar (Bühne: Nikolaus Webern), wohl irgendwo im New York der 1950er-Jahre, denn vor und nach der Aufführung säuselt Glenn Miller im Hintergrund. Das Publikum sitzt zum Teil mitten im Geschehen an Tischen. Getränke dürfen mit in die Aufführung genommen werden.

Orchesterakadamie heimlicher Star

Ein quirlig-unterhaltsames Spiel auf und unter Tischen präsentiert Regisseur Holger Liebig mit einem sehr homogenen Sängerteam. Das fühlte sich hörbar wohl bei Telemanns subtiler Musik, die tief in die Psyche der Charaktere blickt. Als Titelheld Miriways brilliert Jóhann Kristinsson mit kernigem Bariton, Bösewicht Zemir leiht Shin Yeo seinen schwarzen Bass, und Narea Son singt Nisibis mit atemberaubend schönem So­pran. Das Produktionsteam nahm sich übrigens ein paar Freiheiten, in Wirklichkeit sind einige Partien für Kastraten geschrieben, zum Beispiel Zemir.

Heimlicher Star der Aufführung war aber das kleine Musiker-Ensemble aus Mitgliedern der Orchesterakademie des Philharmonischen Staatsorchesters. So stilkundig, frisch und exzellent harmonierend hat man Barockoper an der Hamburgischen Staatsoper selten gehört.

„Miriways“, wieder am 3./4./6. Juli, jeweils 20.00, Opera stabile, Dammtorstraße 28
(U Stephansplatz), Karten unter T. 35 68 68