Hamburg. “Wir versuchen alles auszuprobieren, was im Theater so geht“, sagt Regisseur Peter Jordan über das neue Stück.
Ein Schiff hat er nicht. Und auch kein Meer im Hintergrund. Peter Jordan hat nur die nicht besonders riesige Bühne im St. Pauli Theater zur Verfügung. Darauf will er die Geschichte von Klaus Störtebeker, dem berühmten Piraten, erzählen. „Theater lebt von der Behauptung“, sagt Jordan. „Alles, was wir nicht haben, müssen wir spielen. Schauspieler können aus dem Nichts eine Welt zaubern“, weiß das ehemalige Ensemblemitglied des Thalia Theaters.
„Viel funktioniert über Improvisation und Clownerien. Das habe ich damals schon bei Stefan Moskov gelernt.“ Für den bulgarischen Regisseur hat er am Thalia in Inszenierungen von „Pinocchio“ und „Cyrano de Bergerac“ gespielt. Ein ähnliches Fest der Fantasie, wie Moskov sie mit seinen Arbeiten auf die Bühne gezaubert hat, soll auch die Piraten-Saga am St. Pauli Theater werden. Premiere wird morgen, am 12. April, gefeiert. Dass Jordan spektakulär inszenieren kann, hat er in Hamburg mit Dumas’ „Die drei Musketiere“ und Vernes „In 80 Tagen um die Welt“ bewiesen, die beide im Thalia-Zelt in der HafenCity gelaufen sind.
Geschichte basiert vor allem auf Legenden
Störtebeker ist zwar der berühmteste Freibeuter, der im 14. Jahrhundert die Nord- und Ostsee unsicher gemacht hat, doch ob er wirklich gelebt hat, hat die Wissenschaft niemals hundertprozentig beweisen können. Seine Geschichte basiert vor allem auf Legenden, was Jordan und seinem Co-Regisseur Leo Koppelmann entgegenkommt. Wer sich nicht an historische Tatsachen halten muss, hat jede schriftstellerische Freiheit. Jordan erzählt in seinem Theaterstück zum Beispiel von Störtebekers Liaison mit der Tochter eines friesischen Häuptlings. Verbürgt ist, dass die Piraten im Winter an der zerklüfteten Nordseeküste Schutz vor ihren Feinden von der Hanse und aus Dänemark gesucht haben. „Wir spielen vor verschiedenen historischen Folien. Unterschiedliche Anekdoten haben zum Mythos Störtebeker geführt“, erklärt Leo Koppelmann, mit dem Jordan auch schon bei seinen anderen Inszenierungen in Hamburg zusammengearbeitet hat.
Moderne Geschichte erzählen
Das Plakat, das zurzeit an Litfaßsäulen und den Plakatkästen der Stadtwerbung hängt, erinnert mit der säbelschwingenden Figur, dem Dreispitz auf dem Kopf und dem Titel „Störtebeker, Fluch der Nord & Ostsee“ an Johnny Depp und die erfolgreichen Filme der „Fluch der Karibik“-Reihe. „Wir benutzen die Klischees aus Literatur und Filmen, aber wir wollen eine moderne Geschichte erzählen. Das Stück dreht sich auch um die Frage, wer sich letztlich aus wirtschaftlichen und politischen Gründen der Piraten bedient hat“, so Koppelmann. „Wer waren eigentlich die größeren Verbrecher?“, ergänzt Jordan. „Vielleicht sind es ja diejenigen, die an den Hebeln der Macht sitzen statt derer, die diese Pläne ausgeführt haben.“
Doch den beiden Regisseuren geht es nicht darum, den Mythos Störtebeker aufzuarbeiten. „Wir wollen einen unterhaltsamen Abend bieten. Dazu benutzen wir eine Liebesgeschichte, Fechtszenen, Tanz, Musik und Clowns. Wir versuchen alles auszuprobieren, was im Theater so geht“, verspricht Jordan. Er räumt jedoch ein, dass ihm oft die Fantasie durchgeht und Koppelmann ihn von ein paar Ideen abbringen musste: „Zum Beispiel gab es im 14. Jahrhundert noch keine Kanonen und Pistolen. Gekapert wurde mit Enterhaken und gekämpft mit Säbeln. Auch die Piratenschiffe waren Zweimaster, die nur bedingt hochseetüchtig waren.“
Von Shanty über Swing bis zu Metal
Freuen dürfen sich die Zuschauer auf Songs, die ebenfalls aus Jordans Feder stammen. Stilistisch reichen sie vom traditionellen Shanty über Swing bis hin zu Reggae und Metal. Die Songs charakterisieren die jeweiligen Figuren, von denen sie gesungen werden. Gespielt werden die Lieder von einer Band namens Albers Ahoi!, zu der Christoph Jöde gehört. Der Schauspieler stand schon lange für die Besetzung des Stücks fest, durch einen Zufall bekam Jordan mit, dass Jöde auch Musiker ist. Die Bandmitglieder werden in die Handlung integriert und übernehmen Rollen als Piraten, Friesen und Hamburger Ratsherren. Denn in Hamburg endet das Leben von Klaus Störtebeker, jedenfalls der Legende nach. 1401 soll er mit anderen sogenannten Vitalienbrüdern hingerichtet worden sein.
Den Häschern der Hanse unter dem Kapitän Simon von Utrecht fiel Störtebeker nur durch den Verrat von Gödeke Michels, einem anderen Freibeuter, in die Hände. Auch in der Begegnung zwischen von Utrecht und Störtebeker, die es so sicher nicht gegeben hat, lässt Jordan seiner Fantasie freien Lauf. Der Stadt-Hauptmann möchte den Freibeuter für sein Stadtmarketing gewinnen. Störtebeker soll Hamburg und seine Produkte überall bekannt machen. Doch der Pirat lehnt ab. Seine Freiheit und die Gemeinschaft mit seiner Mannschaft sind ihm wichtiger als sein Leben: „Von Utrecht ist neidisch auf Störtebekers Freiheit. Er hat zwar den Kampf gegen die Piraten gewonnen, doch wer erinnert sich heute noch an ihn? Von ihm bleibt der Name einer Straße, von Störtebeker ein ganzer Mythos.“
Störtebeker Premiere Do 12.4., 19.30, weitere Vorstellungen bis 5. Mai, St. Pauli Theater (S Reeperbahn), Spielbudenplatz, Karten zu 19,90 bis 59,90 Euro unter T. 30 30 98 98 oder direkt in der Abendblatt-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18–32