Hamburg. Vor 20 Jahren trat Christoph Schoener sein Amt als Kirchenmusikdirektor in der Hauptkirche an. Nicht alles lief rund.

Am 1. Februar 1998 ­begann die Amtszeit von Christoph Schoener als Kirchenmusikdirektor an St. Michaelis. Zum 20. Dienstjubiläum zieht Schoener Bilanz über nicht immer selbstverständliche zwei Jahrzehnte.

Als neuer Michel-Kantor, der seine eigenen musikalischen Vorstellungen mitbringt, wurden Sie nicht überall mit offenen Armen empfangen. In der Anfangszeit sorgten die Querelen mit dem Chor für negative Schlagzeilen ...

Christoph Schoener: Der Chor war gegen mich, weil man kolportiert hatte, ich könne nichts. Unter anderem mit der Begründung, Süddeutsche hätten halt keinen Tiefgang. Also, das Niveau der Auseinandersetzung hat es mir damals nicht leicht gemacht, Hamburg zu lieben. Wenn man mit 100 Sängern probt, von denen einen 80 ablehnen, das ist schon speziell. Als der Kirchenvorstand nach der Probezeit beschlossen hat, mich zu behalten, und der Chor eingeladen wurde, zu bleiben, sind diese 80 Leute weggegangen. Und in der Zeitung stand, ich hätte den Chor rausgeschmissen. Danach galt ich als Interimslösung. Und über die 20 Jahre Interimszeit reden wir jetzt(lacht).

Sie sehen das also inzwischen mit Humor.

Schoener: Rückwirkend muss ich sagen, dass mir eigentlich nichts Besseres hätte passieren können. Durch diesen Neustart konnte ich selbst den Chor prägen; alle, die dazugekommen sind, haben sich bewusst für mich entschieden. Deshalb hat die Chemie gestimmt, und wir haben uns schnell zu einem richtig guten Ensemble entwickelt. Mit so einem auf mich zugeschnittenen Chor und unserer phänomenalen Orgelanlage fühle ich mich heute wirklich wie im kirchenmusikalischen Paradies. Manchmal muss ich mich kneifen.

Was waren für Sie besondere musikalische Höhepunkte in den 20 Jahren?

Schoener: Da gab es einige. Ich erinnere mich noch sehr gut an die zeitgenössische Kirchenoper „Jeremias“ von Petr Eben im Jahr 2000 – damit wollte ich den Eindruck widerlegen, dass im Michel immer dasselbe gemacht wird. Und an Bachs Johannes-Passion ein Jahr vorher. Das war die erste Aufführung des Stücks im Michel mit alten Instrumenten. Eigentlich unglaublich, weil die historische Aufführungspraxis sich damals in anderen Gegenden von Deutschland schon längst als Standard etabliert hatte.

Macht Ihnen die Konkurrenz durch die Elbphilharmonie keine Sorgen? Das neue Konzerthaus hat das Musikleben in Hamburg ja ganz schön umgekrempelt.

Schoener: Nein. Ich war von Anfang an begeistert von dem Gebäude und spüre eine große Sogkraft. Als wir vor einem Jahr im Michel das Verdi-Requiem ausverkauft haben, habe ich etwas flapsig gesagt, die Leute kaufen die Karten aus Verzweiflung, weil sie nichts für die Elbphilharmonie kriegen. Das Gespräch über klassische Musik ist angeheizt, davon profitieren wir sicher auch. Im Großen Saal mit seiner speziellen Akustik Orgel zu spielen oder zu dirigieren bleibt allerdings eine anspruchsvolle Aufgabe, das ist nichts für Anfänger (lacht). (stä)