Hamburg. Regisseur Ilker Catak hat das Jugendbuch „Es war einmal Indianerland“ des Hamburger Autors Nils Mohl verfilmt
Die besonders schönen Seiten Hamburgs sind im Film schon häufig optisch eingefangen worden. Aber es müssen ja nicht immer Hafen, Alster und Elbe sein, unbekanntere Ecken harren ihrer Entdeckung. Zum Beispiel Jenfeld, einer der Schauplätze des Films „Es war einmal Indianerland“. Das ist natürlich kein Zufall, denn dort lebt Nils Mohl, der Autor der mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichneten gleichnamigen Romanvorlage. In einer Art Vorwort schreibt er: „Dieser Roman spielt zum Teil an einem Ort, der an den Hamburger Stadtteil Jenfeld erinnert.“ Später relativiert er das. „Leben und Ansichten der Figuren sind freie Erfindungen. Wie vermutlich alles. (Jenfeld eingeschlossen).“
Was denn nun? Regisseur Ilker ҪCatak lässt jedenfalls einige Szenen seines Films dort spielen. Er erzählt vom 17 Jahre alten Mauser, der sich in Jackie verliebt, die, ganz anders als er, aus wohlhabenden Verhältnissen stammt. Sein Leben ist kompliziert, um es mal vorsichtig auszurücken: Edda mag ihn, mit Freund Kondor boxt er, sein Vater hat gerade seine Lebensgefährtin erwürgt. Und dann reitet immer wieder ein Indianer durchs Bild. Sehr seltsam.
Junge Besetzung
Catak hat für seinen Film, bei dem Mohl am Drehbuch mitschrieb, eine bemerkenswerte junge Besetzung zusammenbekommen. Leonard Scheicher, Johanna Polley, Clemens Schick, Joel Basman, Bjarne Mädel und Johannes Klaußner, der Sohn von Burghart Klaußner, agieren vor der Kamera. Mit dabei ist auch eine der zurzeit gefragtesten deutschen Schauspielerinnen: Emilia Schüle. Allein in diesem Jahr ist die 24-Jährige in vier Kinofilmen und dem TV-Mehrteiler „Ku’damm 56“ zu sehen. Sie spielt Jackie und sagt über ihre Rolle: „Sie ist die Frau, die für Mauser unerreichbar erscheint. Er verliebt sich trotzdem unsterblich in sie. Jackie kommt aus einer reichen Familie und ist eine Wohlstandsverwahrloste, die in einer emotionalen Leere lebt. Sie füllt diese Leere mit Partys, Drogen und anderen Ablenkungen.“
Von ihrem Regisseur, mit dem sie erstmals zusammenarbeitete, schwärmt sie ebenso wie von den Dreharbeiten. „Ilker ist eine sehr inspirierende Persönlichkeit. Ich würde sofort noch einmal mit ihm drehen, weil er so viel Liebe für das Projekt, die Figuren und die Schauspieler hat.“ Sie haben sich bei ihm sehr aufgehoben gefühlt. Schüle hat auch in dem im November startendem Hamburg-Film „Simpel“ mitgespielt. Künftig möchte sie Filme koproduzieren und an der Entwicklung von Drehbüchern mitwirken. Sehr angetan zeigt sie sich von der Arbeit in der Hansestadt. „Ich habe mich in Hamburg verliebt. Wir haben im Mai und Juni hier gedreht bei furchtbar schlechtem Wetter. Trotzdem ist es eine sehr schöne Stadt. Ich bin gern hier.“
Catak, der 2015 mit seinem Kurzfilm „Sadakat“ den Studenten-Oscar gewann, hatte es bei „Es war einmal Indianerland“ mit einer komplexen literarischen Vorlage zu tun. „Nils schreibt sehr atmosphärisch. Dem wollte ich gerecht werden. Wir erzählen da im Prinzip ein Märchen, und im Märchen gibt es keinen grauen Hamburger Himmel. Der musste in der Abteilung visuelle Effekte nachbearbeitet werden. Das zieht sich und kostet. Finanziell war das ein Drahtseilakt.“ Seinen ersten Langfilm bezeichnet er als wichtigen Schritt. Trotz der Anspannung entdeckte er bei den Dreharbeiten auch eine neue Lockerheit. „Früher wollte ich unbedingt alles selbst machen. Dabei ist es sehr befreiend, wenn man den Leuten ihren Raum lässt.“
Gelegentlich läuft die Handlung rückwärts
Dass seine Vorbilder die Regisseure Jean-Luc Godard („Außer Atem“) und Leos Carax („Die Liebenden von Pont-Neuf“) sind, merkt man dem Film an. Catak erzählt assoziativ, manchmal in Zeitsprüngen, gelegentlich läuft die Handlung rückwärts. Die Filmmusik spielt dabei eine wichtige Rolle. DJ und Produzent Acid Pauli hat den abwechslungsreichen Soundtrack gemeinsam mit dem Regisseur zusammengestellt.
Catak ist ein Langplaner. Insofern verwundert es nicht, dass seine Pläne für den nächsten Film schon weit gediehen sind, bevor sein erster überhaupt ins Kino kommt. Zurzeit lebt der gebürtige Berliner, der in Istanbul Abitur machte und an der Hamburg Media School studierte, in der Türkei, um seinen nächsten Film, „Bezness“, vorzubereiten. Wie empfindet er die Atmosphäre in dem von politischen Krisen geschütteltem Land?
„Von den Dingen, die man hier in der Presse über die Türkei liest, ist dort im Alltag nicht viel zu spüren. Das Leben geht für die Menschen weiter und sie machen das Beste draus. Ich habe das Gefühl, dass momentan viele in Deutschland Angst haben, dorthin zu reisen. Ich möchte in dieser Situation dem Land nicht den Rücken kehren, ich möchte es nicht aufgeben.“ Vom Westen aus betrachtet, erscheint es so, als erlebten Intellektuelle, Journalisten und Künstler in der Türkei eine schwere Zeit. Catak sagt: „Es gibt Filmemacher, die dort auch jetzt sehr entspannt arbeiten können. Es gibt aber auch solche, die überhaupt nicht arbeiten dürfen.“ Wichtig sei in dieser besorgniserregenden Situation „eine Portion Furchtlosigkeit“.
In jedem Fall gilt: Die Lage in Jenfeld ist im Vergleich zur Türkei deutlich entspannter – auch wenn dort gelegentlich Indianer durchs Bild reiten.
„Es war einmal Indianerland“ läuft im 3001 und Abaton