Hamburg. Das Thalia Theater zeigte in einem Marathon „Liebe“, „Geld“ und „Hunger“. Düsterer Theaterabend, der Zuschauer begeistert.

Die Zeit vergeht wie im Flug. Das Marathon-Gefühl stellt sich nicht ein. Kein unruhiges Suchen nach der besten Sitzposition, kein Blick auf die Uhr. Fast acht Stunden lang fesseln das gute Dutzend Schauspieler und die vier Musiker bei der „Trilogie meiner Familie“ im Thalia Theater.

Zum ersten Mal zeigt die Bühne am Alstertor alle drei Teile von Luk Percevals Bearbeitung von Émile Zolas Romanzyklus „Rougon Marquart“. „Liebe“, „Geld“, „Hunger“ sind die drei Teile übertitelt, „Hunger“ erlebt an diesem Sonnabend seine Hamburger Premiere. Für diejenigen, die bereits „Liebe“ und „Geld“ gesehen haben, bieten die beiden ersten Teile dieser horizontal erzählten Familien-Saga noch einmal die Möglichkeit, in die Themen einzusteigen und Sichtweisen zu vertiefen.

Hohe Aufmerksamkeit gefordert

Der Zola-Novize muss sich erst einmal in dem Personal zurechtfinden, um das Bühnengeschehen verfolgen zu können. Perceval lässt die Geschichte aus Zolas Vorlagen parallel und mit schnellen Schnitten erzählen. Das gibt seiner Inszenierung Tempo und Spannung, erfordert vom Zuschauer jedoch hohe Aufmerksamkeit. Die von Annette Kurz entworfene Bühne bleibt dabei eine Konstante.

Es ist eine wellenförmige, an eine Halfpipe erinnernde Holzkonstruktion, darüber hängt ein Tau. Im zweiten Teil sind eine Reihe von antiquarischen Schreibmaschinen auf der Bühne verteilt, symbolhaft für den technischen Aufbruch vor 150 Jahren. Im dritten Teil ist die Welle weiter zurückgeschoben worden, von der Decke hängen drei Dutzend Taue.

Am Ende ist der Tod

Für „Hunger“ hat Luk Perceval Zolas Romane „Germinal“ und „Bestie Mensch“ miteinander verzahnt. „Germinal“ erzählt die Geschichte einer Bergarbeiterfamilie, die in Elend und Hunger lebt und die gegen die Ausbeutung aufbegehrt. Étienne Lantier (Sebastian Rudolph) und Mutter Maheu (Oda Thormeyer) sind die Anführer des Streiks, der alte Bonnemort (Barbara Nüsse) gießt weiteres Öl ins Feuer als er fordert „Zündet die Städte an!“. Stefan Bissmeier in einer Doppelrolle als Direktor des Bergwerks und als Bahnhofsvorsteher Roubaud ist Teil beider paralleler Handlungsstränge. Als Roubaud wird er zum Mörder aus Eifersucht, doch er kann seine Frau Severine (Patrycia Ziolkowska) nicht an sich binden. Sie verliebt sich in den Lokomotivführer Jacques Lantier (Rafael Stachowiak), der seinerseits seinen Tötungstrieb kaum unter Kontrolle bekommt. Beide Erzählungen enden mit Tod.

In Percevals genialer Adaption von Zolas Romanen werden die gleichen Themen immer wieder variiert: Liebe als zentrales Bedürfnis des Menschen, Armut, Elend und Alkoholismus. Am Ende dieses düsteren und genau gearbeiteten Theaterabends erhebt sich das Publikum von seinen Sitzen und spendet Schauspielern und Regieteam langen und euphorischen Beifall.

Nächster Zola-Marathon: So 12.11., 14.00, Thalia Theater (U/S Jungfernstieg), Alstertor 1, Karten ab 19,- unter T. 32 81 44 44