Hamburg. Rund 12.500 Fans beim Heimspiel des Panikrockers. Sein Konzert wurde zur Familienparty – mit vielen alten Bekannten.

Seine Durchlaucht, die Pop-Majestät Udo Lindenberg, schwebt in die Arena ein, und dann singt er „Odyssee“. Sicher nicht zufällig, denn der Titel hat etwas Programmatisches. Jedenfalls röhrt Lindenberg in fürwahr unnachahmlicher Manier „Das ist die Odyssee, Odyssee und keiner weiß, wohin die Reise geht / Odyssee, Odyssee – weil der Wahnsinn am Steuer steht“. So ist es immer auf Tour, denn wann weiß selbst ein Chart-Herrscher wie der ewige Udo denn schon genau, wie das jeweilige Publikum so drauf sein wird?

In Hamburg freilich wird er mindestens eine Ahnung gehabt haben, denn Hamburg ist der Heimathafen. Da muss Lindenberg (noch) weniger tun als sonst, um die Leute auf seine Seite zu ziehen. Die verzeihen auch den verspäteten Konzertbeginn wegen der Sicherheitsvorkehrungen – nach Manchester sind die notwendig, keine Frage.

Lindenbergs legendärer Staks-Tanz

Die Hallentour 2017 als Zugabe zum Stadiontriumph 2016 – spätestens jetzt, wo der Sommer längst da ist trotz Kühlfront zur Wochenmitte, geht das am Biorhythmus zumindest des Konzertkritikers allerdings vorbei. Die Barclaycard Arena kommt einem stickig vor, weil alle Sinne auf Open Air eingestellt sind. Man darf nun aber, ohne dabei rot zu werden, feststellen, dass es Lindenberg fraglos gelingt, gerade mit seinen stellenweise wirklich alten Songs die Halle gut durchzupusten.

„Cello“ (mit Gast Johannes Oerding) und „Ich lieb dich überhaupt nicht mehr“ kommen im Verlaufe des an die 30 Songs umfassenden Sets schon früh. Und weil es dabei so Downtempo-mäßig zugeht, bleiben dem Betrachter einige Minuten, um sich der Physiognomie des Altmeisters zu widmen. Die Udo-Schnute zählt zu den ikonischen Erscheinungen des deutschen Pop. Man bildet es sich wahrscheinlich ein, aber man glaubt jedes Zucken seiner Mundwinkel zu sehen. Außerdem wäre da, als wahrer Signature Move, wie neuerdings auch im deutschen Unterhaltungsbereich unverwechselbare Bewegungen genannt werden, Lindenbergs Staks-Tanz: mit dieser getragenen Storchigkeit, die zwischen Fortbewegung und Rhythmusgefühl changiert. Gehört zur deutschen Abteilung des Weltpopkulturerbes.

Mit Wumms und großen Gesten

Zum eigentlich gar nicht geheimnisvollen Geheimnis des großen Udo-Comebacks, das seit einem Jahrzehnt im Gange ist, gehört vor allem der Frisch-von-gestern-Faktor. Er ist im Falle Lindenbergs hoch. Und besagt nichts anderes, als dass die von einem authentisch wirkenden, weil im Verlaufe seiner Karriere auch mal mit Schussfahrt nach unten rauschenden Künstler gesungenen Oldies immer noch nicht ausgelutscht klingen.

Natürlich ist auch das Udo-Programm des Jahres 2017 eine Best-of-Auswahl – mit Tänzerinnen und Lichteffekten, mit Wumms und großen Gesten. Von den beiden jüngsten, den erfolgreichsten Studio-Alben „Stärker als die Zeit“ und „Stark wie zwei“ spielen Lindenberg und seine wie ein Uhrwerk funktionierende Band lediglich eine Handvoll Songs, und die möchte man keinesfalls missen.

Als Überraschungsgast steht Peter Maffay auf der Bühne

Das Panikorchester ist souverän in seinem routinierten Begleitmodus – und lässt sich auch durch Überraschungsgast Peter Maffay bei „Sie brauchen keinen Führer“ nicht aus der Ruhe bringen. Es gibt keinen einzigen Moment der Kraftlosigkeit. Bei dem Jungbrunnen-Kenner Udo schon mal gar nicht, bei dem „lahm“ ohnehin keine Vokabel ist, die einem einfiele. Seine Ansagen ans Publikum sind so schnoddrig wie tief empfunden („Hamburg, die Stadt, die ich sehr liebe, das Panikorchester wurde einst hier gegründet, heute ist große ­Familienparty, richtig schön zu Hause“), deswegen lieben ihn, der „Stärker als die Zeit“ ist, ja viele auch so. Ein guter Moment: Lindenbergs Tirade gegen Kriegstreiber, Demokratieverächter und den „Schwachmaten Trump“. Dann kommt ein Kinderchor auf die Bühne und singt bei „Wozu sind Kriege da“ mit. Das Programm an diesem gefeierten Abend in der mit 12.500 Besuchern ausverkauften Barclaycard Arena schnurrt nur so herunter, mit wahlweise vielen Höhepunkten oder keinem einzigen, weil für den Hardcore-Fan das Konzert an sich der Höhepunkt ist.

Der Zugabenteil ist ein Hit-Spektakel: „Jonny Controletti“, „Sonderzug nach Pankow“, „Reeperbahn“. Eine Udo-Leistungsschau, kompromisslos losgenölt, ganz nach dem Geschmack des Publikums. Das war im Übrigen auch Otto Waalkes, der in Udos Staraufgebot der am meisten Bejubelte war – nach Jan Delay, der bei „Reeperbahn“ seinen Auftritt hatte.