Hamburg. Der Schriftsteller Friedrich Dönhoff hat einen Krimi geschrieben, der im Rotlichtmilieu spielt. Heute liest er in Eimsbüttel daraus.

Zwischen Jenischpark und Billstedt ist ein Serienmörder unterwegs, und Kommissar Sebastian Fink ist ratlos. Was haben die Opfer – ein rechtslastiger Automechaniker, ein Jugendmeister im Tischtennis und eine Zahnärztin – gemeinsam? Und die sind erst der Anfang in Friedrich Dönhoffs neuem Krimi „Heimliche Herrscher“, der gerade bei Diogenes erschienen ist. Am heutigen Mittwoch liest der Autor in der Buchhandlung Heymann in Eimsbüttel. Im Interview sprachen wir mit Friedrich Dönhoff, der eigentlich Graf von Dönhoff heißt und Großneffe der verstorbenen Publizistin Marion Gräfin Dönhoff ist, über sein Thema und sein persönliches Verhältnis zu seinem Kommissar.

Ihr Kommissar Sebastian Fink wirkt wie ein Gegenentwurf zu den vielen einsamen Wölfen, die beziehungsgeschädigt und desillusioniert durch Romane und Fernsehen tappen. Wollten Sie bewusst einen anderen Typus schaffen?

Friedrich Dönhoff: Ich habe nicht gezielt nach einem neuen Charakter gesucht. Aber ich dachte, da Sebastian Fink in einer Welt ermittelt, in der schlimme Dinge passieren, braucht er nicht selber beschädigt zu sein. Wobei er natürlich doch das eine oder andere Päckchen zu tragen hat. Aber er ist vor allem offen gegenüber dem Leben und den Menschen. In „Heimliche Herrscher“ hat er eine neue Freundin, eine D-Jane, die in angesagten Clubs der Stadt arbeitet, also ein völlig anderes Leben führt als er. Wie bekommen die beiden das hin? Ich bin selber gespannt, wohin das führen wird, denn die Freundin wird wohl eine Weile bleiben.

Entwickelt so eine Figur mit der Zeit ein Eigenleben?

Dönhoff: Das hört man Autoren immer sagen, und ich konnte das anfangs gar nicht glauben. Aber es stimmt wirklich. Man gibt einer Figur ein paar Eigenschaften mit auf den Weg, der Rest ergibt sich dann beim Schreiben. Das gilt für Hauptfiguren ebenso wie für Neben­figuren. Um sie besser kennenzulernen, habe ich mir einen Trick überlegt: Ich treffe sie zum Interview. Ich stelle den Romanfiguren Fragen, schriftlich, und lasse sie dann antworten, natürlich auch schriftlich. Das klappt erstaunlich gut. Oft erfahre ich Dinge, auf die ich von allein nie gekommen wäre.

Fühlt man sich als Autor mit der Zeit eigentlich immer sicherer?

Dönhoff: Bei der Arbeit zu diesem Buch, es ist mein zwölftes, dachte ich zum ersten Mal nach einigen Monaten: Mist, ­dieses Mal habe ich mich verhoben, die ganze Arbeit war umsonst! Aber wie können Themen wie moderne Sklaverei, Prostitution, die Flüchtlingsdebatte in einer Story untergebracht werden, ohne sie aus vielen Perspektiven zu erzählen, ohne sie in einen umfassenden Plot zu verweben? Acht Perspektiven, das ist ziemlich viel. Geholfen haben letztlich dann ­Erfahrung und gute Tipps von Autorenkollegen, die das schaukelnde Boot in ruhigere Gewässer und schließlich in den sicheren Hafen von Hamburg gebracht haben.

Friedrich
Dönhoff:
„Heimliche
Herrscher“,
Diogenes,
339 S., 16 Euro
Friedrich Dönhoff: „Heimliche Herrscher“, Diogenes, 339 S., 16 Euro © Diogenes Verlag

Was hat Sie am Thema Prostitution ­besonders gereizt?

Dönhoff: Mir ist immer schon aufgefallen, dass über Prostitution in einer, wie ich finde, unangemessenen Weise geredet wird, sehr großzügig und weit entfernt von der Realität. Im Buch sagt eine ­Figur: Wenn man in Deutschland ein Experiment machte, und die Leute sollten wählen – entweder stellen sich alle für Prostitution zur Verfügung oder keiner –, dann würden fast 100 Prozent sagen: Nee, dann lieber nicht. Das ist eine Diskrepanz, die mich ­erstaunt. Wie kann sich so ein Zustand so lange halten, ohne dass sich etwas verändert? Der letzte Auslöser, da­rüber zu schreiben, war dann das neue Prostitutionsgesetz vor zwei Jahren. Man weiß, wo die Probleme liegen, aber einer Lösung kommt man wieder nicht näher.

Warum der Titel „Heimliche Herrscher“?

Dönhoff: Bei uns herrscht noch immer eine verhältnismäßig weitreichende Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen. Und da spielen die Prostitution und die stillschweigende Toleranz der Gesellschaft meiner Ansicht nach eine Schlüsselrolle. Im Buch sagt eine Figur: „In einem Land, in dem Männer Frauen kaufen dürfen, ist eine echte Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen nicht möglich.“ Das halte ich für ein riesiges Problem, das letztlich allen schadet, auch den Männern.

Welche Frage stellen Ihnen Ihre Leser eigentlich am häufigsten?

Dönhoff: Sie fragen, wie es sein kann, dass jemand abwechselnd Biografien und Krimis schreibt. Die Antwort ist ganz einfach: Beides liegt nahe beieinander. Weil es in beiden Fällen um Menschen geht, denen etwas Besonderes widerfahren ist. Wer sich für Menschen, für Politik und die Gesellschaft interessiert, kann sowohl Krimis lesen oder schreiben wie auch Biografien lesen und schreiben.

Friedrich Dönhoff liest aus „Heimliche Herrscher“, 3. Mai, 20.30 Uhr, Heymann in Eimsbüttel, Osterstraße 134, Tickets 12 Euro