Hamburg. Der Schmidts-Tivoli-Chef war Hochschullehrer, dann wurde er Theater-Manager und veränderte St. Pauli. Nun hört er auf.
Ein Wikipedia-Eintrag zu seiner Person existiert nicht. „Das gab es zu meiner Zeit noch nicht“, sagt Norbert Aust und lächelt. Mit „seiner Zeit“ meint er die Phase seines Lebens, als er Ende der 70er-Jahre jüngster Hochschulpräsident Deutschlands an der Hamburger Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP) war. Dennoch verwundert es, dass sich bisher niemand die Mühe gemacht hat, eine Seite über den ehemaligen Hochschullehrer und heutigen Kulturmanager zu schreiben.
Sein Lebenslauf gibt eine Menge her. Kaum jemand weiß, dass es die Kulturinstitution Kampnagel oder Schmidts Tivoli ohne Aust nicht geben würde. Zusammen mit Corny Littmann ist Aust Geschäftsführer und Gesellschafter der drei Theaterbetriebe Schmidt, Schmidts Tivoli und Schmidtchen auf dem Kiez. Der 73-Jährige steht in der Öffentlichkeit etwas im Schatten seines Kompagnons. Das liegt daran, dass Littmann als Schauspieler und Regisseur gewohnt ist, die Umgebung zu seiner Bühne zu machen. Und Aust ein eher zurückhaltender Mensch ist.
Im September gibt er seinen Job im Schmidt-Universum auf. Ein guter Anlass, diesem umtriebigen Kulturmanager auf seinen letzten Metern einen Besuch abzustatten. Wenn Aust von seinem Büro aus über den Spielbudenplatz blickt, weiß er, dass er entscheidend mit dazu beigetragen hat, dass St. Pauli und der Kiez sich verändert haben und aus der schmuddeligen Meile Reeperbahn ein pulsierendes Entertainment-Viertel geworden ist, das jeden Tag Tausende von Touristen und Feierwillige aus Stadt und Umland anzieht.
Neben Operettenhaus, Docks und St. Pauli Theater sind es die drei Schmidt-Theater, die jährlich etwa 400.000 Besucher anlocken. „St. Pauli hatte in den 80er-Jahren einen verheerenden Ruf. Helmut Schmidt hat zum Beispiel mal sehr deutlich gesagt: ,Nach St. Pauli gehe ich nicht!‘ Musste er dann doch, als Inge Meysel ihren 90. Geburtstag im Tivoli gefeiert hat“, erzählt Aust und kann sich ein Grinsen nicht verkneifen: „Viele Hamburger waren damals skeptisch, aber mit Unterstützung aus Politik und Wirtschaft konnten wir aus dem Bierhaus Zillertal ein Theater mit 600 Plätzen machen.“ Am 1.9.1991 eröffnete das Schmidts Tivoli, das deutlich kleinere Schmidt Theater hatte Littmann bereits am 8.8.1988 eröffnet.
Rauschende Party im Schmidts Tivoli:
Rauschende Party im Schmidts Tivoli
Zur Verbindung zwischen dem Hochschulprofessor und dem Schauspieler und Theatermacher kam es Ende der 80er-Jahre, als Littmann Aust um Rat fragte. Zusammen mit Studenten hatte Aust ein Konzept für die Kampnagelfabrik entwickelt, das die Aktivitäten der freien Theaterszene strukturieren sollte. Und zusammen mit Littmann entwickelte Aust dann ein Konzept für einen Theaterbetrieb, der als „Schmidts Tivoli“ das Licht der Welt erblicken sollte.
Aust stellte außerdem Verbindungen zu den städtischen Behörden her, und er besorgte Sparkassen-Kredite. „Die hatten Vertrauen zu mir, weil ich einen Job und ein Haus hatte“, erzählt er. Aust, 1943 als Sohn eines Handwerkers in Schlesien geboren, ist jemand, dem man glaubt. Weil er uneitel und freundlich ist, differenziert denkt und sich leidenschaftlich für seine Pläne einsetzt, ohne zu schwadronieren.
Eine Zeit lang hat Aust seinen Uni-Job noch ausgeübt, dann stieg er ins Theatergeschäft ein. „Ich hatte immer Interesse, mit jungen Leuten zu arbeiten. Das war an der Hochschule so, und das ist im Theater genauso“, sagt er.
In seinem eigenen Haus setzt er ebenfalls auf Jugend. Wenn er in vier Monaten aufhört, wird seine älteste Tochter Tessa (32) ins Unternehmen kommen und gemeinsam mit Hannes Vater (30), dem Mann seiner Tochter Mirna, die Leitung übernehmen – neben Littmann.
Tessa Aust kennt Betrieb von klein auf
Vater arbeitet schon seit einigen Jahren im Schmidt, auch Tessa Aust kennt den Betrieb von klein auf. „Wir haben uns gefragt, was mit unserem Unternehmen in Zukunft passieren wird. Verkaufen wir, oder holen wir jemanden rein? Neue Managements krempeln Betriebe meistens radikal um, das wollte ich meinen Kollegen nicht antun. Ich habe hier mit Leuten angefangen, die vor 25 Jahren mit mir auf der Straße gestanden und Karten verkauft haben“, erzählt Norbert Aust.
Viele Freunde sprechen den drahtigen Juristen respektvoll mit „Herr Professor“ an. Der Schauspieler Götz Fuhrmann ist einer von denen, die seit einem Vierteljahrhundert dabei sind. Er sagt über Aust: „Norbert ist und war in den vergangenen 26 Jahren immer der vertrauensvolle, hellwache Ansprechpartner im Haus. Er ist nicht nur der Geschäftsmann – nein, er ist der väterliche, der humorvolle Freund, der mit der Liebe und dem Verständnis für uns Bühnenmenschen immer auch eine Atmosphäre der Geborgenheit geschaffen hat.“ Für den Autor Heiko Wohlgemuth ist Aust wie der Mann hinterm Vorhang beim „Zauberer von Oz“: „Er hält den Schmidt-Zirkus zusammen.“
Was von ihm jeden Tag in seiner Firma gefordert wird – Organisation, Motivation, Umgang mit Menschen -, das geht bei ihm abends, wenn er nach Hause kommt, nahtlos weiter. Zusammen mit seiner Frau Wiebke hat er sechs Kinder im Alter von 32 bis 16 groß gezogen. „Wir hatten zwar immer Hilfe, aber der Organisationsaufwand ist schon enorm“, sagt er.
Wenn Aust über seine Kinder spricht, leuchten seine Augen, und man spürt den väterlichen Stolz: „Bei sechs Kindern braucht man keine Hobbys. Ich habe meine mit ins Theater oder in Konzerte genommen, das war meine Art der Kinderbetreuung.“ Genauso wie der tägliche Umgang mit seinen Studenten, glaubt Aust, dass ihn auch seine Kinder jung halten. „Kontakt zu Menschen meines Alters habe ich eigentlich nicht“, sagt er.
Hamburg noch attraktiver machen
Wenn Aust sich jetzt aus der Geschäftsführung der Schmidt-Theater zurückzieht, bedeutet das nicht die Vorbereitung auf einen gemütlichen Ruhestand. Er ist Vorstandsvorsitzender vom Tourismusverband Hamburg e. V. und von Hamburg Theater e. V. , der Vereinigung aller Hamburger Bühnen, und er ist in diversen weiteren Gremien vertreten, in denen sein Rat gefragt ist.
Aust macht sich viele Gedanken darüber, wie man Hamburg noch attraktiver machen kann. „Man muss dringend in Bildung investieren und weiter die Kultur fördern. Eine Elbphilharmonie allein reicht da nicht. Wenn eine Stadt eine hohe Lebensqualität besitzt, lockt sie junge Leute an, die hier studieren und arbeiten wollen“, erklärt Aust.
Kulturstadt Hamburg als Marke einlösen
Er lobt das Reeperbahn Festival, das Ensemble Resonanz und die Aktivitäten der HipHop Academy in Billstedt. „Ein spektakuläres Haus hinzustellen ist nicht genug. Die Kulturstadt Hamburg muss als Marke eingelöst werden und sich in ihrer Vielfalt zeigen.“
Am Ende des Gesprächs ist es früher Abend, die Neonlichter auf dem Kiez sind an den Clubs und Bars aufgeflammt. Auch die Fassade des von Aust und Littmann initiierten Klubhauses St. Pauli strahlt über den Spielbudenplatz. Feierabend hat der kulturelle Anstifter Aust noch nicht. In seinem Terminkalender steht ein Treffen mit Innensenator Andy Grote (SPD), der sich wie Aust für ein attraktives St. Pauli einsetzt. Ein spezielles Thema haben die beide nicht. Es geht um Ideenaustausch.
Für ein noch besseres Hamburg.