Stade. Stade liegt nur rund 45 Kilometer von Hamburg entfernt und ist auch für Kulturfreunde einen Tagesausflug wert.

Die Hansestadt Stade liegt nur rund 45 Kilometer von Hamburg entfernt und ist auch – vielleicht sogar: vor allem – für Kulturfreunde einen Tagesausflug wert. Insbesondere jetzt, da der alte Schwedenspeicher modern aufgewertet wurde.

Der Schwedenspeicher

Gebaut wurde der Holzständer-Speicher mit den mächtigen 40-Zentimeter-Bohlen 1705 als Provianthaus der schwedischen Garnison. Fast wäre er in den 1970er-Jahren an ein japanisches Freilichtmuseum verkauft worden, ­hätten die Stader Bürger sich nicht gewehrt. Sie waren es auch, die 1856 an anderer Stelle den Geschichts- und Heimatverein gegründet hatten, aus dem das Museum seine (laut Direktor Sebastian Möllers) in Norddeutschland konkurrenzlose, von Ehrenamtlichen angelegte Sammlung erhalten hat. Heute dient der Schwedenspeicher als hochmodernes Museum, das die Kulturgeschichte der Region spannend vermittelt.

Die Präsentation

Schon länger war die Präsentation in die Jahre gekommen, und so nahm der rührige junge Direktor Sebastian Möllers 2009 eine Rundum-Erneuerung des Hauses in Angriff. Zwei darauf spezialisierte Büros machten das Rennen, Möllers wollte nicht überall die gleiche Ästhetik. Der Lohn: nicht nur der niedersächsische Museumspreis, sondern auch diverse Design-Auszeichnungen, gerade erst der international renommierte IF Award für Design. Gekürt wurden das Stuttgarter Büro Space 4, das die Hanse-Ausstellung neu gestaltete, und das Neo-Studio Berlin für die Präsentation der Exponate aus Ur- und Frühgeschichte. Der Umbau hat knapp sechs Millionen Euro gekostet, finanziert zu zwei Dritteln aus EU-Mitteln.

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Die Highlights

Die Präsentation auf drei Etagen ist an sich schon ein Erlebnis. Was andernorts dröge in Vitrinen herumliegt, wird hier durch gute Texte, Animationen, Filme, Hörstationen, Mitmach- oder Bastelplätze, durchdachte Strukturierung, effektvolle Beleuchtung oder auch durch Gummitiere geradezu zum Leben erweckt. Gegliedert ist die Ausstellung zur Vor- und Frühgeschichte in „Zeit-Inseln“, in die allerlei uralte, teils weitweit einzigartige Gegenstände eingelassen sind. Die Qualität der Exponate ist entscheidend, sonst nützt die schönste Inszenierung nichts: „Die Stader Hafenfunde sind extrem bedeutend“, sagt der promovierte Archäologe und Ethnologe Möllers. „Nur noch London und Bergen haben ähnliche Konvolute.“

Eine Deckenöffnung verbindet die
Geschosse
Eine Deckenöffnung verbindet die Geschosse © Axel Hartmann

Allein 1989 hat man in Stade 250.000 Funde aus 1000 Jahren Stadtgeschichte aus dem Schlick geborgen, von der Papsbulle bis zum römischen Eimer. Der imposante Knochen eines Wollmammuts liegt hier unter Glas. Gefunden wurde er in Glückstadt, Alter unbekannt. Ein sehr seltener Fund stammt aus der Zeit um 8000 vor Christus: ein menschlicher Unterkiefer. Die Fundgeschichte rund um zwei Torfstecher und einen Lehrer hat die Zeichnerin Paula Müller in einem Comic festgehalten.

Auch der besterhaltene Flintdolch der Welt liegt in Stade. Er ist gut 4000 Jahre alt, die Lederscheide ist erhalten – und das Futteral der älteste Nachweis für Wollverarbeitung in Europa. Auf der „Insel“ zur Bronzezeit sind vier mächtige, je zwölf Kilo schwere Bronze-Räder in einen großen Glaskasten eingelassen. Man hat sie als Teile eines Zeremonialwagens zwischen Gräbern gefunden, sie wurden wohl als Opfergaben im Moor versenkt. Auch eine gut erhaltene Moorleiche hatte Stade früher. 1945 ist der größte Teil von ihr verbrannt, nur noch Haare, Kopfhaut und Ledersandalen sind übrig.

Für den Nachwuchs

Sogar Kleinkinder werden sich hier kaum langweilen. Jede „Zeit-Insel“, aufgeteilt in Jung-Steinzeit, Bronze-, Eisenzeit und so fort, birgt eine Höhle. Die Lütten können hineinkrabbeln und darin etwas lernen über die jeweilige Zeit, Alltagsgewohnheiten, den Umgang mit dem Tod, Entsorgung von Unrat und anderes. Museumspädagogik, Wissensvermittlung und innenarchitektonische Gestaltung gehen hier eine fantasievolle Verbindung ein. In der Hanse-Ausstellung findet man Angaben darüber, mit welchen Städten Stader Händler mit Getreide, Holz, Tuch, oder Bier handelten, belegt durch eindrucksvolle Münzfunde aus dem Hafen. Hinzugefügt wurde eine Karte mit europäischen Fundorten von Stader Münzen.

Optisch toll umgesetzt wurde ein über dem Kopf schwebendes Modell des Netzwerks jener Kaufleute, die regelmäßig nach Bergen fuhren. Man denkt sofort an die Möglichkeiten des Internets und erkennt leicht, dass es internationale Netzwerke und Kommunikationsstrukturen schon im ausgehenden Mittelalter gegeben hat.

Schwedenspeicher (S Stade), Wasser West 39, Di–Fr 10.00–17.00, Sa/So 10.00–18.00, Eintritt für drei Museen 8,-/4,-; Infos: www.museen-stade.de