Zwei Kinofilme könnten Hamburg einen Oscar bescheren
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Hamburg. Die Filme „Unter dem Sand“ und „Toni Erdmann“sind in der Auslandskategorie nominiert – und haben einiges mit der Hansestadt zu tun.
Wenn am 26. Februar in den USA die Oscars verliehen werden, dürften auch in Deutschland heftig die Daumen gedrückt werden. Allerdings gibt es in diesem Jahr ein Luxusproblem: In der Kategorie „nicht englischsprachiger Film“ sind gleich zwei Produktionen mit deutscher Beteiligung unter den letzten fünf. Sie spielen sie überwiegend in Rumänien („Toni Erdmann“) und in Dänemark („Unter dem Sand – Das Versprechen der Freiheit“). Beide Filme haben dank ihrer Mitwirkenden aber auch eine Menge mit der Hansestadt Hamburg zu tun.
Anti-Kriegsdrama „Unter dem Sand“
Die Filme könnten unterschiedlicher kaum sein. Das Anti-Kriegsdrama „Unter dem Sand“ erzählt von einer Gruppe blutjunger ehemaliger deutscher Soldaten, die von ihren dänischen Bewachern dazu gezwungen werden, den Nordseestrand von dort vergrabenen Minen zu räumen. Dänische Offiziere, während des Krieges von ihren deutschen Besatzern unterdrückt, wittern im noch frischen Frieden Morgenluft und zahlen es den Deutschen heim.
Die unter Lebensgefahr arbeitenden jungen Männer werden von den Bewachern sadistisch gequält, bevor kurz vor Schluss doch noch die Mitmenschlichkeit siegt. „Unter dem Sand“ ist ein eindringlicher und auf Tatsachen beruhender Film, der kurz nach Kriegsende spielt. Er gewann mehrere Filmpreise in Dänemark und erzielte dort hohe Zuschauerzahlen. In Deutschland hatte es der Film dagegen schwer in den Kinos.
Hamburger Zwillinge gehören zum Cast
Es gibt beeindruckende Schauspielerleistungen zu sehen. Neben Hauptdarsteller Louis Hofmann, der in wenigen Tagen im Rahmen der Berlinale zum deutschen Shootingstar ausgerufen wird, spielen auch die 17 Jahre alten Hamburger Zwillinge Oskar und Emil Belton. „Man kann sich kaum vorstellen, was diese jungen Soldaten damals für Ängste gehabt haben müssen. Ein Horror!“, sagt Emil. „Dieser Dreh war Geschichtsunterricht für uns alle. Wie perfide dieser Krieg ist“, ergänzt Oskar. Beide bereiten sich zurzeit auf ihr Abitur vor und stehen weiter vor der Kamera, allerdings meist einzeln – Rollen für erwachsene Zwillinge sind selten.
Auch hinter der Kamera wurde erfolgreich gearbeitet. Die Altonaer Kostümbildnerin Stefanie Bieker wurde dafür bereits mit einem Europäischen Filmpreis ausgezeichnet. Die Jury lobte, dass es ihr gelang, den Soldaten, die fast ausschließlich Uniformreste trugen, dennoch individuelle Noten zu geben. „Ein Talisman-Halstuch der Verlobten aus der Heimat oder das von Muttern selbst genähte Hemd unter der Uniformjacke geben jedem Jungen etwas Persönliches“, erklärt sie. Ihre Kollegin, die Hamburgerin Barbara Kreuzer, bekam einen Europäischen Filmpreis für das beste Maskenbild.
Wer darf mit zur Verleihung nach Los Angeles?
„Unter dem Sand“, den die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein ebenso unterstützt hat wie auch "Toni Erdmann", wurde zudem von dem im Grindelviertel lebenden ZDF-Redakteur Daniel Blum betreut, produziert hat den Film der Hamburger Malte Grunert. Mit dem dänischen Regisseur Martin Zandvliet plant Grunert bereits neue Projekte, aber erst einmal steht in wenigen Tagen der US-Start des Films an. Vorher muss die Frage geklärt werden: Wer darf mit nach Los Angeles zur Preisverleihung? Die Kartenkontingente sind notorisch knapp. Nicht alle, die gern wollten, dürfen in den Saal. „Die Hauptsache ist, dass Schauspieler und Regie mit dabei sind“, findet Grunert. „Wir versuchen gerade, ob wir noch ein paar zusätzliche Karten bekommen können.“
Der erfahrene Produzent gibt zu, aufgeregt zu sein. „Das ist die Verleihung, die ganz oben auf der Liste steht. Bei anderen wird man vielleicht routinierter, bei dieser nicht.“ Aber auch für die Konkurrenz findet er lobende Worte. „Ich finde, ,Toni Erdmann‘ ist ein ganz toller Film. Ich habe Sandra Hüller und Peter Simonischek mit großer Begeisterung beim Spielen zugesehen. Dass ich mit meinem Film gegen einen anderen Film mit deutscher Beteiligung antrete, spielt eigentlich keine Rolle.“
Oscars 2017 – Das sind die Nominierten:
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Publikumsliebling sahnte in Cannes ab
Maren Ades Werk hat seit seiner Premiere in Cannes im vergangenen Jahr sehr viel mehr an medialer Aufmerksamkeit, Auszeichnungen und Zuschauerzuspruch erfahren. In der Tragikomödie „Toni Erdmann“ versucht ein ziemlich schriller Vater, gespielt von Peter Simonischek, seine in Rumänien als Unternehmensberaterin arbeitende, etwas störrische Tochter (Sandra Hüller), mithilfe grotesker Auftritte zurück in Richtung persönlicher Zufriedenheit zu schubsen.
Neben Hüller und Simonischek sind auch die Hamburger Schauspieler Michael Wittenborn (der nicht nur der Mann von Schauspielhaus-Intendantin Karin Beier ist, sondern auch Teil ihres Ensembles) und Hans Löw (der lange fest am Thalia Theater engagiert war) in kleineren Rollen zu sehen. Mitgewirkt hat auch die Hamburger Kostümbildnerin Silke Fischer.
Hinter der Kamera stand Patrick Orth, der auf St. Pauli am Neuen Pferdemarkt aufgewachsen ist. „Die Dreharbeiten waren extrem anstrengend, Maren Ade arbeitet sehr intensiv“, erzählt er. Man habe sehr viele Takes in immer neuen Variationen aufgenommen, tagelang wurden die Szenen einer Nackt-Party wiederholt. Zur Preisverleihung in die USA reist Orth nicht, er steht in der Zeit für den neuen Film von Ulrich Köhler hinter der Kamera, dem Lebenspartner von Maren Ade. Traurig ist Orth daher nicht: „Ich war in Cannes dabei, das war großartig. Niemand hatte mit diesem riesigen Erfolg gerechnet.“
„Toni Erdmann“ ist Highlight des Abaton-Chefs
Abaton-Chef Matthias Elwardt, der beide Filme gezeigt und „Toni Erdmann“ noch immer im Programm hat, sagt über „Unter dem Sand“: „Kriegsfilme haben es nicht leicht. Die Intensität dieses Films hat dem Publikum heftig zugesetzt.“ „Toni Erdmann“ sei sein „persönliches Highlight im vergangenen Jahr“ gewesen. Und Academy Awards hin oder her: Der originelle Film eroberte längst einen Platz in Elwardts ewiger Top-Ten-Liste.
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