Hamburg. Eindringlich: Schauspieler Christian Redl liest im St. Pauli Theater Kriminalgeschichten, die wirklich passiert sind.

Tisch, Mikro, Thonetstuhl. Mehr braucht einer wie Christian Redl nicht, um das zu erzeugen, was laut Alfred Hitchcock „Suspense“ ausmacht. Der Schauspieler, dessen Gesicht man zurzeit mit dem wortkargen TV-Kommissar Krüger im „Spreewaldkrimi“ verbindet, las am Mittwoch im St. Pauli Theater Geschichten aus dem Magazin „Stern Crime“, das der „Stern“ seit 2015 auf den Markt bringt.

Als zu Beginn neben Theaterleiter Thomas Collien auch „Stern“-Chefredakteur Christian Krug und „Stern Crime“-Redaktionsleiter Giuseppe Di Grazia das Publikum begrüßten, konnte man zunächst den Eindruck haben, hier gehe es um eine Art PR-Event. „Ich glaube, es ist vorher noch nie eine Zeitschrift ins Theater gekommen“, sagte Krug stolz, und di Grazia ergänzte, Redl sei als Vortragender der wahren Kriminalfälle „unser Favorit“ gewesen – als jemand, der sich mit Abgründigem auskenne. Auf vielen Plätzen lag das „Stern Crime“-Magazin sogar aus.

Fesselnde 95 Minuten

Trotz alledem wurden es fesselnde 95 Minuten. Redl hatte selbst die beiden Fälle ausgesucht, die das Publikum sichtlich bannten. Gut aufgeschriebene Geschichten, in denen es nicht um kriminalistische Erfolge geht, sondern um die Lebenslügen, Eigenheiten und Motive von Menschen, die Grenzen überschreiten.

In Hamburg erlebt ein ungleiches Paar, wie große Gefühle enden können. Und eine zierliche, weibchenhafte Frau lässt störende Männer einfach aus ihrem Leben verschwinden und versteckt die Leichen mit viel schwerem Gerät aus dem Baumarkt; wenn sie googelt, sind es Begriffe wie „Kabelbrand“ oder „Beton“.

Redl liest behutsam und eindringlich

Redl liest behutsam und eindringlich, ohne künstliche Aufregung. Er lässt den Sätzen Raum. „Aber Gerhard brennt nicht, er qualmt bloß.“ Mit leiser Stimme lässt Redl die ganze Absurdität eines Gewaltverbrechens in den Saal strömen: die heimwerkerischen Vertuschungsversuche der Täterin; die Verzweiflung eines jungen Mannes, der seine große Liebe tötet, weil er nicht weiß, wie er sie halten kann; die Blindheit, mit der Freunde die nahende Katastrophe ausblenden. Die hinter Redl eingeblendeten Fotoprojektionen brauchte man eigentlich nicht, auch die kurzen Musikpausen hätten dosierter eingesetzt werden können: Für das Kopfkino sorgte Redl schon allein.

Crime Live – inszenierte Lesung mit
Christian Redl
Fr 3. bis So 5.2., jew. 19.30 Uhr, St. Pauli Theater, Spielbudenplatz 29, Tickets zu 25,-, T. 47 11 06 66; st-pauli-theater.de