Der österreichische Autor Bernhard Aichner hat mit „Totenrausch“ (btb, 19,99 Euro) seine Trilogie um eine sehr ungewöhnliche Heldin beendet. Brünhilde Blum ist Mutter zweier Töchter, hat in Graz als Bestatterin gearbeitet und ist mehrfache Mörderin. Aus durchaus plausiblen Gründen. Was die Ermittlungsbehörden naturgemäß anders sehen, und so ist Blum mit ihren Kindern auf der Flucht. Über Norwegen landet sie in Hamburg. Auf St. Pauli gerät die attraktive Frau in die Kreise eines einflussreichen Zuhälters, eines Mann, der sich – mit dem Sinn für kulturell Höheres gesegnet – Egon Schiele nennt. Er bietet ihr Hilfe an, lässt sie und ihre Kinder in einem Reetdachhaus am Elbufer wohnen, stellt allerdings eine Bedingung: Sollte er es wünschen, muss sie einen seiner Feinde töten. Danach wäre sie frei. Ihr letzter Job. Endgültig. Blum willigt ein. Dann kommt der Tag, an dem sie handeln muss. „Totenrausch“ ist ein rasant geschriebener Thriller, der wenig von der sozialen Realität erzählt, aber viel von den dramatischen Konflikten seiner Heldin.

Eine eigenwillige Heldin hat sich auch die irische Bestsellerautorin Tana French für ihre jüngsten Krimis gesucht. Wie in „Geheimer Ort“ ist Detective Antoinette Conway auch in „Gefrorener Schrei“ (Scherz, 16,99 Euro) die zen­trale Figur. Angefeindet und verspottet von ihren männlichen Kollegen, bekommt es die forsche Ermittlerin mit dem Mord an einer jungen Frau zu tun. Tot liegt sie in ihrem Wohnzimmer, herausgeputzt wie eine Barbie-Puppe, offenbar in Erwartung ihres Liebhabers gestorben, auf dem Tisch brennen noch die Kerzen. Während ihr Vorgesetzter von einer Beziehungstat ausgeht, haben Conway und Kollege Stephen Moran (der einzige Mann, der auf dem Revier zu ihr hält) Zweifel. Denn das Leben der Toten war wahrlich nicht so schlicht und weltvergessen, wie es auf den ersten Blick scheint. Zudem entdecken Conway und Moran, dass einer ihrer Polizeikollegen schon einmal Kontakt zu der Ermordeten hatte. Die Autorin schildert punktgenau die Ermittlungen, leuchtet weit in die Seelen der Lebenden und der Toten. Tana French zählt fraglos zu den Großen der europäischen Kriminalliteratur.

Davon ist Nicole Wollschlaeger zwar noch weit entfernt, aber mit „Elbschuld“ (BoD, 9,99 Euro) hat die 1974 in Pinneberg geborene Autorin ein Debüt hingelegt, das herausragt aus der Masse der schlichten Regionalkrimis. Wollschlaeger, die ein Schauspielstudium in Hamburg absolviert hat und der Kinderbuchreihe „Das magische Baumhaus“ ihre Stimme leiht, geht erst einmal auf Sicherheit und bedient sich eines Handlungsklischees: Ihr Kommissar Philip Goldberg zieht wegen privaten Kummers aus der Hauptstadt aufs Land, genauer: in die Elbmarsch. Dorthin, wo nie etwas passiert, bis – natürlich – Goldberg kommt. Eine alte Frau fühlt sich ihres Lebens nicht mehr sicher, sie werde von ihrem Mann bedroht, der allerdings – äußerst misslich – seit einiger Zeit nicht mehr unter den Lebenden weilt. Absurd, urteilen Goldbergs Kollegen, ihr Chef allerdings sieht das anders. Nicole Wollschlaeger gelingt es allen Klischees zum Trotz, vielschichtige Charaktere, dichtes atmosphärisches Lokalkolorit und eine durchaus spannende Geschichte zu entwickeln. Man darf gespannt sein, was von der Autorin noch kommt.