Hamburg. Seine Stücke „Suzanne“ und „Hallelujah“ gehören zu den legendärsten Pop-Songs des Kanadiers. Jetzt ist der Musiker gestorben.
Bei seinem ersten offiziellen Auftritt als Musiker, so erzählt es die Folksängerin Judy Collins, zitterte Leonard Cohen wie Espenlaub. Er schaffte zunächst nur die erste Strophe von „Suzanne“, jenem Song, den die Hörer 1967 nur in der Version von Judy Collins kannten. Kurzzeitig, erinnert sich die Künstlerin, habe Cohen die Bühne verlassen. Er kam dann wieder und beendete den Song – vor einem begeisterten Publikum.
Das war vor einem halben Jahrhundert, und so wie die kurze Einlage in der New Yorker Town Hall der Beginn von Cohens Karriere war, so war vor allem „Suzanne“ der Song, den er der Welt schenkte. Ein Song über ein Mädchen, ein Song über Begehren und Sehnsucht, x-fach gecovert, im Kerzenschein mitgesungen; der Song einer Generation und dennoch ein Klassiker. Ein Cohen-Song.
Aus Geldmangel trat er als Musiker auf
Warum hatte er Angst vor dem ersten Auftritt? Warum geriet er einige Monate später bei einem großen Festival im Central Park sogar in Panik, als er raus auf die Bühne sollte, Nicht-Sänger, der er nach eigenem, sehr deutlichen Empfinden war?
Weil Leonard Cohen, geboren am 21. September 1934 in Montreal/Kanada, zwar schon früh gelernt hatte, Gitarre zu spielen, aber eigentlich Schriftsteller war. Er hatte bereits Romane und mehrere Gedichtbände veröffentlicht, als er sich vor allem aus Geldmangel entschloss, als Musiker aufzutreten. Er wollte Geld verdienen, um sich das Bücherschreiben weiter leisten zu können. Cohen steuerte die Folkszene in dem Moment an, in der sie in ihrer ertragreichsten Phase war, auch, was die Vermählung von Pop und Poesie angeht.
Cohen stammt aus einer Unternehmerdynastie
Cohen, der Spross einer einflussreichen Unternehmerdynastie, wurde vom Publikum der Gegenkultur enthusiastisch empfangen. Wenn Bob Dylan der Sänger war, der zum Dichter wurde, war Cohen der Dichter, der zum Sänger wurde und ebenso unvergessliche Songs schrieb. Viel mehr noch als Dylan, der derjenige war, der die elektrische Gitarre in die Folkmusik einführte, oblag es dem stets Anzug tragenden Cohen, einen Gegenpunkt zur rhythmisch forcierten Tanz- und Beatmusik der Rolling Stones und der Beatles zu setzen. Als Ende 1967 sein erstes Album „The Songs of Leonard Cohen“ in den Läden stand, war auch für die Öffentlichkeit der Melancholiker geboren, der Cohen seit je war: ein Mann, der über Verlust, Schuld, Angst und die Liebe schrieb.
„Suzanne“, die Hymne auf die Tänzerin Suzanne Verdal – Suzanne Elrod, die Mutter seiner zwei Kinder, lernte Cohen erst 1969 kennen – ist neben „Hallelujah“ und „So long, Marianne“ sein bekanntestes Lied geblieben. Marianne Jensen, die Gefährtin seiner griechischen Jahre Anfang der Sechziger auf der Insel Hydra, ist eine weitere berühmte Muse der Pop-Geschichte.
Der Musiker hat 13 Studienalben produziert
So wenig Cohens 14 Studioalben umfassendes popmusikalisches Werk ohne die Melancholie zu denken ist, so wenig funktionierte der schöpferische Geist Cohens ohne die Frauen. Im Chelsea Hotel, in dem er am Anfang seiner Musikerkarriere wohnte, traf Cohen Janis Joplin. Die Affäre verewigte er in „Chelsea Hotel No. 2“, die schönste Songzeile ist berühmt: „You told me again you preferred handsome men but for me you would make an exception“.
Eine weitere Liebschaft war Joni Mitchell, bei Nico freilich holte er sich einen Korb – ein „Ladies’ Man“, ein Mann der Frauen war dieser Leonard Cohen, gelegentliche Verführungspleiten hin oder her. Er war kein Typ, der sich für immer an eine Frau band. Und auch sonst blieb er ein Suchender, der, als er jung war, seinen Selbstfindungstrip mit Drogen stimulierte, und als er alt wurde, neun Jahre ins Kloster ging. Sex, Drugs & Zen: Überall, wo er gerade war, blieb Cohen ein Solitär auf der lebenslangen Suche nach Transzendenz.
Vor drei Wochen erschien sein neues, sein letztes Album
Das Lösen vom Gegenständlichen, von der bloßen Herkunft der Dinge, spiegelte sich in einem Satz, den Cohen einmal über Songs gesagt hat: „Mir gefällt die Vorstellung, dass man ein Lied schreibt, das dann seines Weges geht und niemand mehr weiß, wer es geschrieben hat.“ Vor drei Wochen erschien „You Want It Darker“, ein jenseitiger Songreigen, das Vermächtnis des Leonard Cohen. Ein Alterswerk, das vom nahen Ende handelt. „Ich bin bereit zu sterben“, sagte er in einem Interview. Im Januar erst hat David Bowie mit „Blackstar“ seinen Abschied vom Leben künstlerisch verarbeitet. Er starb kurz nach der Veröffentlichung. Jetzt wiederholt sich die Geschichte. Auf seiner Facebookseite wurde in der Nacht zu Freitag der Tod des großen Leonard Cohen, dessen Stimme unvergleichlich war, wenn sie die Verse Leonard Cohens sang, verkündet: „Mit großer Trauer teilen wir mit, dass der legendäre Dichter, Songwriter und Künstler Leonard Cohen gestorben ist“. Er wurde 82 Jahre alt.
So long, Leonard.
Die besten Alben
Leonard Cohen war schon über 30, als er sich der Musik zuwandte. Sein erstes Album „The Songs of Leonard Cohen“ erschien 1967 und etablierte ihn gleich als wichtige Stimme seiner Generation. Neben Dylan war er der beste Lyriker, dessen Texte allesamt literarische Qualität hatten. Cohens drittes Album „Songs of Love And Hate“ kam 1971 heraus – mit Klassikern wie „Joan of Arc“. Die größten Chart-erfolge hatte Cohen mit seinen jüngsten Alben „Popular Problems“ und „Old Ideas“. Man liebt die Weisheit des Alters.