Hamburg. Auf „You Want It Darker“ sind vor allem langsame Balladen zu hören

„I’m ready, my Lord“, singt Leonard Cohen im Titelsong seines aktuellen Albums „You Want It Darker“. Dieses Bekenntnis des Bereitseins kann man als (vielleicht) vorläufigen Schlusspunkt einer langen Karriere interpretieren. Immerhin ist der kanadische Sänger und Poet schon 82 Jahre alt. Mit den sparsam arrangierten Songs knüpft das neue Album an Cohens Frühwerke wie „Songs Of Love And Hate“ (1971) und „New Skin For The Old Ceremony“ (1974) an, Alben, die Leonards Sohn Adam besonders mochte.

Adam hat seinen Vater überredet, noch einmal eine Platte in diesem Stil aufzunehmen, ohne elektronische Spielereien, aber mit Streichern, Chören und überwiegend akustisch aufgenommenen Instrumenten. Cohen Jr., selbst ein hervorragender Musiker und Songschreiber, hat dieses aktuelle Album für seinen Vater produziert und ihm zu einem späten Meisterwerk verholfen.

„You Want It Darker“ ist eine sehr sakrale Platte geworden. Biblische Verweise finden sich in den meisten Songs. Lieder wie „You Want It Darker“, „Treaty“ und „Steer Your Way“ wirken wie Zwiegespräche zwischen dem jüdischen Zen-Buddhisten und einer übergeordneten Instanz. Eine Orgel und der häufige Einsatz von Chören machen aus diesen Songs beinahe Psalme, die gut in jeden Gottesdienst passen würden.

Auch die Liebe nimmt – wie immer beim Ladies’ Man Cohen – viel Raum ein, aber sie dreht sich nicht mehr um die Beziehungen zwischen Mann und Frau, sondern wird in einem höheren Sinne angestrebt. In „Leaving The ­Table“ singt Cohen „I don’t need a lover / So blow out the flame“. Es klingt, als habe der Grandseigneur auch mit der irdischen Liebe abgeschlossen: „I’m leaving the table / I’m out of the game.“

Mit diesem Spätwerk ist Cohen jedoch noch mittendrin im Spiel. Seit er Ende der 60er-Jahre seine vertonten Poeme veröffentlichte, ist er eine einzigartige Figur innerhalb der Pop-Welt – eleganter Frauenversteher und kritischer Geist, ewiger Sinnsucher.

Seine letzte Tour hat er 2013 gespielt, es gab Pläne für eine Konzertreise im kommenden Jahr, auf Cohens Website sind jedoch noch keine Termine veröffentlicht worden. In einigen Interviews hat er gesundheitliche Probleme angedeutet und dass er einige Songs nicht mehr beenden könne. „You Want It Darker“ ist jedenfalls noch einmal eine Platte mit exquisiter Kammermusik und bildreicher Lyrik geworden. Sie gehört zu den stärksten Alben, die Leonard Cohen aufgenommen hat, seit er 1967 mit „Songs Of Leonard Cohen“ debütierte. Die meisten neuen Lieder sind Balladen in extrem langsamem Rhythmus, es gibt Songs, in denen Cohen mehr spricht als singt. Nur in „Steer Your Way“ wird das Tempo etwas angezogen. Es ist offenbar an der Zeit, Abschied zu nehmen und loszulassen: „I’m out of the game.“