Hamburg. Der Hamburger Schauspieler – „Der Hafenpastor“ – spricht über Volksschauspieler, Krankheiten und Herbert Grönemeyer.
Wenn man länger im Krankenhaus liege, erzählt Jan Fedder, habe man viel Zeit zum Nachdenken. „Und ich kann für mich sagen: Ich habe alles erreicht und gemacht und getan.“ Seit einer Krebsdiagnose musste der „Großstadtrevier“-Star in den vergangenen Jahren bisweilen Zwangspausen beim Drehen einlegen. Aufhören zu arbeiten könne er trotzdem nicht. „Wenn ich nicht mehr drehen darf, dann falle ich tot um“, sagt der 61-Jährige. Sein neuer Film „Der Hafenpastor und das Blaue vom Himmel“ ist an diesem Freitag im Ersten zu sehen. Im Interview spricht der Hamburger über sein neues Werk, über die „Verunglimpfung“ eines früheren („Das Boot“), seinen Weg in die Schauspielerei und seinen Glauben an Gott.
Als „Hafenpastor“ kümmern Sie sich um Ihre Schäfchen auf St. Pauli. Zieht es Sie auch privat dort in die Kirche? Das Viertel rund um Reeperbahn und Große Freiheit ist Ihre Heimat.
Jan Fedder: Ich gehe schon lange nicht mehr in die Kirche, aber ich bin ihr sehr eng verbunden. Vor allem dem Michel, wo ich getauft, konfirmiert und getraut worden bin. Den kenne ich in- und auswendig. Dort habe ich als Kind auch sieben Jahre lang im Kirchenchor gesungen. Was übrigens auch der Grund dafür ist, dass ich nicht mehr in Gottesdienste gehe. Jeden Sonntag musste ich für den Chor früh raus, damals war auch noch sonnabends Schule - ich konnte also nie ausschlafen. Aber ich bete und bin sehr gläubig.
Hat Sie in Ihrem Leben schon mal etwas an Gott zweifeln lassen?
Ja, meine Krankheiten. Das habe ich eigentlich nicht verdient. Ich bin ein grundehrlicher Mensch. Ich lüge nicht, ich hab noch nie jemanden beschissen, gar nix. Mit dem Krebs vor fünf Jahren fing das ganze Dilemma an. Den Glauben an Gott verliert man trotzdem nicht. Aber manchmal denke ich schon: Muss das jetzt auch noch sein? Doch wir kriegen alle mal einen mit vom Leben. Und ich kann eigentlich nicht meckern, denn: Wenn man sich anschaut, wer in diesem Jahr schon alles gestorben ist – und ich bin noch da.
Im Film stürzt eine Beichte den Pastor in einen Gewissenskonflikt. Haben Sie mal eine Beichte abgelegt?
Ich hab mir noch nie was zuschulden kommen lassen, also muss ich auch nix beichten. Aber viele Leute haben bei mir schon gebeichtet. Ich weiß nicht, warum mir – auch fremde – Menschen so viel anvertrauen, darüber haben sich manche von denen selbst gewundert. Ich kann einfach ein guter Zuhörer sein – das hat man, oder man hat es nicht. Ich sage auch immer: Hauptberuflich bin ich Mensch und nebenberuflich Schauspieler. Übrigens: Wenn man als Mensch nicht überzeugt, überzeugt man auch nicht als Schauspieler.
Sind Sie allein der Zuhörer oder vertrauen auch Sie sich an?
Ich erzähle gar nichts mehr, in letzter Zeit nicht mehr. So ziemlich alles mache ich – leider – mit mir selbst aus. Viele Freunde habe ich nicht, nicht mehr so wie früher. Aber ich habe einen besten Freund und eine wundervolle Frau – die beiden helfen mir, sind immer für mich da. Mehr sage ich aber nicht zu meinem Privatleben. Nur ein Satz noch dazu: Ich liebe meine Frau heiß und innig, seit 20 Jahren sind wir zusammen, und sie kümmert sich rührend um mich.
Bekannt sind Sie für deutliche Worte, gelten als Kodderschnauze mit klarer Ansage. Waren Sie immer gnadenlos ehrlich?
Ja, fast immer jedenfalls. Wenn es um meine Krankheiten ging, habe ich manchmal ein bisschen geschummelt. Da habe ich nicht immer ganz die Wahrheit gesagt. Muss man ja aber auch nicht allen auf die Nase binden. Aber sonst immer absolut ehrlich. Damit kann man viele Leute auch verstören, weil es grausamer sein kann, als jemanden zu beleidigen. Wenn du die Wahrheit erzählst, ist das manchmal viel schlimmer. Aber mit der Ehrlichkeit bin ich privat und beruflich immer sehr gut gefahren.
Kritische Worte fanden Sie auch beim Fernsehpreis, den Sie 2006 für Ihre erste Lenz-Verfilmung erhielten. Ihr Kommentar dazu: „Mach einfach mal vier Wochen ein anderes Gesicht, dann, Alter – das ist kein Scheiß, kriegst du den Fernsehpreis.“
Es gab eine Zeit, in der ich gesagt habe: Jetzt will ich keine Preise mehr. Weil es einfach schon früher hätte passieren müssen. „Büttenwarder“ zum Beispiel hätte schon lange einen Comedypreis verdient. Aber ist egal, ich habe alles, was ich brauche und kriegen konnte – und das reicht mir. Der wichtigste Preis im Leben ist sowieso Gesundheit. Und ich kämpfe mich so durch, es wird mal ein bisschen besser, dann wird es wieder schlechter.
Wenn man Sie heute bitten würde, der TV-Branche die Leviten zu lesen, was würden Sie ihr sagen?
Schauspieler wie ich sterben aus, die gibt’s bald nicht mehr. Volksschauspieler werden irgendwie nicht mehr hergestellt. Die jungen Kollegen heute ähneln sich alle sehr. Guck dir „Das Boot“ an, die Mannschaft – diese Fressen kriegst du heute gar nicht mehr zusammen.
„Das Boot“ soll 2018 als neue Serie in See stechen. Sie waren in Wolfgang Petersens Klassiker von 1981 als Bootsmaat Pilgrim an Bord. Was halten Sie von den Plänen?
Das ist wirklich eine Verunglimpfung eines Kunstwerks! Man kann an einen solchen Film genauso nicht mehr rangehen wie an „Dinner for One“. Das ärgert mich wirklich! Ich bin mal sehr gespannt auf die Gesichter, die sie dafür vor die Kamera holen. Aber solche Typen wie Martin Semmelrogge, Claude-Oliver Rudolph, Ralf Richter, das pockennarbige Gesicht von Jürgen Prochnow und selbst Grönemeyer hatte damals noch eine geile Fresse – so was kriegt man nicht mehr heutzutage. Über ein Jahr lang hat Petersen damals nach der Besetzung gesucht.
Meinen Sie, der junge Jan Fedder hätte es heutzutage bei Castings schwerer?
Ich war immer unverwechselbar, so ein Haudrauf, damals mit langen Haaren und Lederjacke. Castings habe ich fast nie gemacht, vielleicht zwei-, dreimal in meinem Leben. Ich werde engagiert, und dann geht das los. In Prüfungssituationen bin ich ohnehin sehr schlecht. Das war schon so bei meiner Abschlussprüfung zum Speditionskaufmann in der Handelskammer. Ich fing an zu zittern, durfte mich aber hinsetzen und erst einmal eine Zigarette rauchen.
Aus dem Speditionskaufmann ist dann ja aber doch der Schauspieler geworden.
Die Lehre war der Wunsch meines Vaters; dass ich Schauspieler werden wollte, wusste ich sehr früh. Schon als ich noch zum Kinderballett auf einer Theaterschule gegangen bin. Irgendwann sah ich die Kollegen von der Schauspielabteilung immer besoffen und lustig in der Eckkneipe sitzen und dachte, Schauspielerei ist wirklich angenehmer.
Trotz Ihrer schweren Erkrankungen sind Sie immer wieder schnell zum Set zurückgekehrt. Sich zur Ruhe zu setzen können Sie sich nicht vorstellen?
Wenn man länger im Krankenhaus liegt, hat man viel Zeit zum Nachdenken. Ich habe alles erreicht und gemacht und getan. Jetzt wünsche ich mir nur noch eine Tüte Gesundheit. Dass ich wieder ein bisschen besser laufen kann und die Stimme besser wird. Aber ich lebe noch - das ist das Wunderbarste von allem. Auch wenn mir jemand die Treppe hochhelfen muss, eines Tages wird es bestimmt wieder besser. Wenn ich nicht mehr drehen darf, dann falle ich tot um.
„Der Hafenpastor und das Blaue vom
Himmel“ Fr 14.10., 20.15 Uhr, ARD