Hamburg. Frenetischer Beifall für die Uraufführung von „Place of Birth: Bergen-Belsen“ in den Kammerspielen.

Die Wanderung durch die Lüneburger Heide fällt aus, denn Jakob, Naturlandschaftswanderführer, erinnert sich an seinen Geburtsort: Bergen-Belsen, unter Naziherrschaft ein Konzentrationslager. Nach dem Krieg diente es fünf Jahre lang als Lager für jüdische KZ-Überlebende, die sich nach Palästina aufmachen wollten. Doch ihnen fehlen Pässe und Visa, weil sie „Displaced Persons“ sind, erst aus ihren Heimatländern deportiert und nun gestrandet in der Fängen alliierter Bürokratie.

Jakob kennt noch mehr spannende Geschichten: vom Waldarbeiter Otto Heninger, der immer so hilfsbereit war und wegen seiner Hühner nur der „Eiermann“ genannt wurde. Dahinter verbarg sich der SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann, verantwortlich für die Ermordung von sechs Millionen Juden. Vier Jahre lang hat er unerkannt in Altensalzkoth in der Lüneburger Heide gelebt. Oder die von Hollywoodstar Marlene Dietrich, die im US-Army-Jeep nach Bergen-Belsen kam, weil ihre Schwester dort lebte. Sie hatte das Lager-Kino für die Wachmannschaften betrieben und wurde mithilfe der berühmten Schwester schnell entnazifiziert.

Viele Oberstufenschüler sollten dieses Stück sehen

„Place of Birth: Bergen-Belsen“ heißt ein Stück, das Kammerspiel-Intendant Axel Schneider nach Szenen des Autors Peter Schanz zu einer Bühnenfassung zusammengefügt und inszeniert hat. Die ganze Last des Spiels trägt Peter Bause. Eineinhalb Stunden lang schlüpft Bause in verschiedene Rollen. Er ist der mit Stiefeln, Hut und Stock ausgerüstete Wanderführer, er verwandelt sich in Eichmann, in- dem er sich eine Hornbrille aufsetzt, und er spielt auch jeden Einwohner dieser dörflichen Gemeinschaft rund um Bergen, die „mit der ganzen Nazischeiße“ nichts mehr zu tun haben will.

Es braucht schon einen erfahrenen Akteur von der Qualität Bauses, um diese Mammutrolle mit den blitzschnellen Wechseln auf die Bühne zu bringen. Für jede Figur findet der 74 Jahre alte Schauspieler einen anderen körperlichen Ausdruck und eine andere Sprache. Sein Jakob ist ein gemütlicher Erzähler, der nur am Ende einmal seine Verzweiflung über sein Lebenstrauma herausschreien darf; sein Eichmann versucht sich mit einer gestelzten Sprache als Unschuldiger hin- zustellen; die Heide-Bürger spielt er als teils naive, teils aggressive Menschen, die sich selbst vor allem als Opfer sehen.

Am Ende der Uraufführung gibt es frenetischen Beifall für Bause, Schneider und Bühnenbildnerin Sonja Zander. Hoffentlich besuchen viele Lehrer mit ihren Oberstufenklassen dieses Stück über den Nationalsozialismus und seine Folgen.

„Place of Birth: Bergen-Belsen“ läuft wieder am 3./4. und 31.10.; Kammerspiele, Karten von 19,- bis 41,- unter T. 413 34 40