Hamburg. Mit „Amerikanisches Idyll“ wird im Cinemaxx am Dammtor das Filmfest eröffnet. Olaf Scholz: „Wir müssen hinsehen“.
Ein Kinosaal reichte nicht aus, um die Zuschauer zu fassen, vor denen am Donnerstagabend das Filmfest Hamburg eröffnet wurde. Im Cinemaxx am Dammtor lief in den beiden größten Sälen der Eröffnungsfilm „Amerikanisches Idyll“. Das wohl meistfotografierte Motiv auf dem roten Teppich vor dem Kino waren die Hauptdarsteller Jennifer Connelly und Ewan McGregor, der mit diesem Film auch sein Regiedebüt vorlegt. Sie waren in die Hansestadt gekommen, um den Film vorzustellen, und wurden mit reichlich Applaus begrüßt. Zu den Gästen sprachen der Erste Bürgermeister Olaf Scholz und Filmfest-Chef Albert Wiederspiel.
165 Filme aus 53 Ländern wird das Filmfest bis zum 9. Oktober in sechs Kinos zeigen. Der Eröffnungsfilm „Amerikanisches Idyll“ ist eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Philip Roth. Das gar nicht so idyllische Drama erzählt von einer US-Familie, deren heile Welt zerbricht, nachdem die Tochter einen terroristischen Anschlag begeht und untertaucht. Es ist zugleich eine Geschichte über das Ende des „amerikanischen Traums“, nach dem jeder sein persönliches Glück erreichen kann, wenn er nur hart genug arbeitet.
Scholz: Terrorismus "nicht weit weg"
Scholz, der den Besuch von Connelly und McGregor als „große Auszeichnung“ beschrieb, erinnerte daran, dass Themen wie Terrorismus, auch wenn sie zeitlich und geografisch entfernt zu sein scheinen, „nicht weit weg“ sind. Als Beispiel nannte er auch die Anschläge des 11. September 2001 auf das World Trade Center – sie seien untrennbar mit Hamburg verbunden, einer der Attentäter, Mohammed Atta, wohnte und studierte hier. Sein Studium habe er damals übrigens ausgerechnet mit einer Diplomarbeit über die Sanierung der Altstadt von Aleppo abgeschlossen.
Der Terrorismus habe seitdem viele Städte getroffen. Wir seien seitdem nicht nur „alle Amerikaner“, zitierte der Bürgermeister die französische Zeitung „Le Monde“. „,Wir sind Paris, London, Brüssel, Nizza’, antwortet heute die freie Welt auf den Terrorismus. Aber auch Istanbul, Daressalam oder Tunis und Mumbai verdienen diese Solidarität.“ Scholz zog eine Parallele zum Film. „Gerade hier im Kino, dem Ort der bewegten und bewegenden Bilder, fällt auf, wie bildgewaltig der neue Terrorismus ist. Wie sehr er sich der multimedialen Mittel und der geradezu filmischen Inszenierung bedient. Und er richtet sich zugleich gegen alle Bilder, die für alte und fremde Kulturen stehen.“ Wiederspiel und sein Team fühlten sich nicht nur cineastischer Ästhetik verpflichtet, „sie sehen sich zugleich auch gesellschaftlich und politisch in der Verantwortung“. Scholz schloss mit einem Appell an die Kinogänger. „In die DNA des Films ist eingeschrieben, was uns alle, gleich woher wir kommen, klüger machen kann: Wir müssen nur hinsehen wollen.“
Viele Filme greifen die Frage nach Identität auf
Wiederspiel setzte sich mit Fragen der nationalen Identität auseinander. Ausgelöst wurde das durch seine eigene Einbürgerung im Januar und eine grotesk verlaufende Debatte über verschiedene Stufen des Dänischseins im dänischen Fernsehen. Auch greifen viele Produktionen aus dem Filmfest-Programm die Frage nach der Identität auf.
„Die menschliche Würde steht nicht zur Debatte“, war Wiederspiels Motto in dieser Frage. Er stellte klar, dass „Kosmopolit“ für ihn kein Schimpfwort, sondern ein Kompliment sei. „Ich hoffe, dass niemand den Flüchtlingen, die jetzt schon übrigens keine mehr sind, einreden wird, was sie zu fühlen haben, um deutsch zu sein.“ Er selbst fühle sich nach Erhalt seines Personalausweises genauso deutsch wie vorher. „Nicht deutscher.“
Gäste feiern im Grand Elysée Hotel
Im Anschluss an den Film wurde im Grand Elysée Hotel gefeiert. Unter den Gästen waren Regisseur Mohammad Rasoulof, seine Kollegen Lars Becker, Hark Bohm und Hermine Huntgeburth, die Moderatorin Caren Miosga, die Schauspielerinnen Pheline Roggan, Maria Schrader und Zazie de Paris und ihre Kollegen Bjarne Mädel, Olli Dittrich und Stephan Schad.