Hamburg. Spannend wie lange nicht: Udo Lindenberg probt für das Operettenhaus, und Harry Potter wartet. Gespräch mit Stage-Chefin Uschi Neuss.

Zwei neue Stücke kommen nach Hamburg, Udo Lindenberg probt für das Operettenhaus, und ein fünftes Theater ist alles andere als ausgeschlossen. Die neue Musical-Saison verspricht so spannend zu werden wie lange nicht mehr. Das Exklusivgespräch mit Uschi Neuss, Chefin des Musicalunternehmens Stage.

Sie haben aus dem Theater an der Elbe, dem Schauplatz vom „Wunder von Bern“, einen herrlichen Blick auf Hamburgs nächstes großes Musiktheater. Was bedeutet die Eröffnung der Elbphilharmonie für die Stadt Hamburg, was für Ihre Musicals?

Uschi Neuss: Es ist für beide großartig. Die Elbphilharmonie ist ein unfassbar schönes Gebäude geworden, ein Wahrzeichen. Sie wird auf jeden Fall Menschen zusätzlich nach Hamburg locken, die Stadt wird attraktiver. Das ist immer gut – auch für uns.

Mit der Elbphilharmonie will Hamburg zu den großen Musikmetropolen aufschließen. Wo steht die Stadt mit Ihren Musicals im internationalen Vergleich?

Uschi Neuss,  Stage Entertainment Managing Director
Uschi Neuss, Stage Entertainment Managing Director © Andreas Laible | Andreas Laible

Wir gelten weltweit als die Nummer drei hinter dem Broadway in New York und dem Westend in London. Das ist unglaublich, weil Hamburg ja ansonsten eher nicht mit diesen beiden Städten in einem Atemzug genannt wird.

Als "Cats" und das "Phantom der Oper" nach Hamburg kamen

Warum funktionieren in dieser Stadt, die immer noch geprägt ist vom Hafen und den Kaufleuten, Musicals so gut?

Es hat viel damit zu tun, wie das Ganze anfing. Als „Cats“ und das „Phantom der Oper“ nach Hamburg kamen, war das außergewöhnlich. So etwas hatte es in Deutschland bis dahin nicht gegeben, dass achtmal die Woche dieselben Shows an zwei Theatern gezeigt wurden.

Und die beiden Stücke waren das Beste und Größte, was man damals bekommen konnte. Besser hätte die Geburtsstunde einer Musical-Metropole nicht laufen können. Und spätestens seit dem „König der Löwen“, seit der Premiere dieses wahnsinnig erfolgreichen Stücks an dieser exponierten Stelle im Hafen, wissen alle, dass Hamburg in der Königsklasse der Musicals ist.

Der "König der Löwen" ist zeitlos, aber anspruchsvoll

Ist der „König der Löwen“, der jetzt im 15. Jahr läuft, ein Musical für die Ewigkeit?

Ich glaube schon. So ein Musical gibt es im Moment nirgendwo auf der Welt, und ich sehe überhaupt kein Ende. „König der Löwen“ ist zeitlos, weil es sich an alle Menschen zwischen acht und 100 richtet, dabei musikalisch und künstlerisch sehr anspruchsvoll ist.

Das Musical, das in Hamburg aktuell am zweitlängsten läuft, ist das 2014 gestartete „Wunder von Bern“, künstlerisch Ihr bestes und am meisten ausgezeichnetes Stück. Wie lange werden Sie das noch zeigen?

Wir werden das „Wunder von Bern“ noch bis Januar spielen. Dann werden wir im Theater an der Elbe etwas anderes präsentieren, weil wir jenseits vom „König der Löwen“ immer frisch bleiben wollen. Mit dem „Wunder von Bern“ wollten wir uns beweisen, dass wir ein Musical auch zu 100 Prozent allein machen können. Das ist aufgegangen, aber jetzt ist es Zeit für Neues.

Uschi Neuss: "Ich habe 'Harry Potter' gesehen

Und alle in Hamburg fragen sich: Kommt Harry Potter als Musical an die Elbe?

(lacht lange) Das ist eine sehr gute Frage. Das Tolle ist ja, dass es im Moment viele interessante neue Stücke gibt. Ich habe „Harry Potter“ gesehen, und ja, es ist sehr gut. Aber daneben gibt es unter anderem auch noch „Hamilton“, bei dem die Menschen in den USA durchdrehen, Disney arbeitet an der Musical-Version von „Frozen“, und auch „Moulin Rouge“ wird jetzt für die Musical-Bühne umgesetzt.

Zum Glück müssen Sie ja mehrere neue Stücke für Hamburg suchen …

Das stimmt, wir stehen vor mehreren Wechseln. Im Theater an der Elbe, aber auch im Operettenhaus …

Wo im November das Udo-Lindenberg-Musical „Hinterm Horizont“ Premiere hat, aber zu meiner Überraschung nur bis zum Sommer 2017 geht. Das ist ja nicht mal mehr ein Jahr.

Was daran liegt, dass wir direkt danach ein Theater für das nächste neue Stück brauchen …

Ich sag ja: „Hamilton“.

(lacht) Wir sind im Moment wirklich an mehreren großen Projekten dran.

"Alladin" läuft noch das komplette nächste Jahr

Udo Lindenberg hat bei der „Nacht der Legenden“ erzählt, dass er gerade von Musical-Proben kommt. Werden wir ihn selbst in seinem Stück sehen?

Wir haben das Stück ja fünf Jahre sehr erfolgreich in Berlin gespielt. Dort gab es etliche Abende, an denen er als Zugabe persönlich auf die Bühne kam. Das ist natürlich großartig. Und in Hamburg sind die Wege für ihn ja deutlich kürzer. Da können sich die Besucher auf einige Überraschungen freuen.

Bleibt die Zukunft von „Aladdin“, Ihrer jüngsten Produktion.

Das Musical macht uns große Freude und läuft auf jeden Fall noch das komplette nächste Jahr. Aber auch für die Zeit danach haben wir schon Pläne. Anders als früher warten wir nicht, bis ein Musical nicht mehr so gut läuft, sondern kümmern uns von Anfang an um nachfolgende Projekte.

"Tarzan" und Investitionen von bis zu 17 Millionen Euro

Wollen Sie keine Musicals mehr haben, die wie „König der Löwen“ länger laufen?

Doch, natürlich. „Tarzan“ lief ja auch fünf Jahre, „Aladdin“ könnte sich ähnlich entwickeln. Für uns ist entscheidend, dass wir unsere Investitionen in ein neues Stück innerhalb eines Jahres zurückverdienen. „Aladdin“ ist da allerdings eine Ausnahme, das sieht man dem Musical auch an. Das war deutlich teurer als andere Produktionen.

Wie hoch sind diese Investitionen normalerweise?

Alles zwischen fünf und 17 Millionen Euro haben wir schon ausgegeben.

2015 haben Sie in Hamburg erstmals mehr als zwei Millionen Besucher gehabt, was ist das Ziel für 2016 und die folgenden Jahre?

Allein der „König der Löwen“ hat pro Jahr ca. 750.000 Besucher, wir werden auch 2016 über der Zwei-Millionen-Marke liegen. Das vierte Theater, in dem wir gerade sitzen, hat uns eine halbe Million Besucher mehr beschert.

Das war unser Ziel: mit einem weiteren Theater mehr Menschen zu erreichen.

Das spräche dafür, in Hamburg ein fünftes Theater zu bauen.

Ja, ich würde für die Zukunft überhaupt nicht ausschließen, dass das möglich ist. Sieht man sich den Broadway und das Westend an, ist die Konzentration mehrerer Musicaltheater an einem Ort der Magnet, der die Menschen anzieht. Verschiedene Theater ermöglichen es, verschiedene Zielgruppen anzusprechen.

Beim "Wunder von Bern" haben Männer geweint

Was sind für Sie die wichtigsten Zielgruppen – sind Frauen wichtiger als Männer?

Die Entscheidung, eine Musicalkarte zu kaufen, treffen eher die Frauen. Aber denen wird ja auch sonst stärker die Freizeitgestaltung überlassen. Grundsätzlich versuchen wir natürlich, eine möglichst breite Zielgruppe zu erreichen. „Aladdin“ ist zum Beispiel ein etwas jüngeres Musical, und beim „Wunder“ haben selbst Männer geweint.

Wie sieht denn der typische Musicalbesucher aus? Gibt es den Musical-Fan, der sich nach und nach alle Stücke ansieht? Oder beschränkt sich das Fan-Sein auf einzelne Musicals, die man immer wieder besucht?

Es gibt beides. Auf der einen Seite den Musical-Besucher, der sich jedes Stück ansieht und sehr kritisch ist. Auf der anderen Seite gibt es echte Anhänger bestimmter Musicals, die sich ein Stück immer wieder ansehen – zum Beispiel den „Tanz der Vampire“. Und schließlich gibt es eine große Gruppe von Menschen, die immer mal wieder ins Musical gehen. Zum „König der Löwen“ kommen inzwischen Gäste, die es vor 15 Jahren als Jugendliche gesehen haben, mit ihren Kindern.

Erst kommen die Hamburger, dann die Touristen

Ist es sehr schwer, die Hamburger von Musicals zu begeistern?

Überhaupt nicht. Ich kenne die Geschichte von den Hamburgern, die sich selbst am wenigsten für die Musicals in ihrer Stadt interessieren. Ich kann nur sagen: Sie ist nicht wahr. Startet ein Stück neu, kommen die ersten Gäste immer aus der Region. Der touristische Anteil wächst erst mit der Laufzeit.

Im Schnitt kommen im ersten Jahr, in dem wir ein Musical spielen, 70 Prozent der Besucher aus Hamburg und Umgebung.

Ärger gab es in der Stadt zuletzt um die Ausbildung an der Joop van den Ende Academy, die geschlossen werden soll. Wie geht es mit den betroffenen Schülern weiter?

Wir sind uns mit ihnen inhaltlich einig. Die, die dieses Jahr abschließen sollten, tun das. Und die, die später fertig werden sollten, können ihre Ausbildung schneller beenden. Das ist für alle eine gute Lösung.

Uschi Neuss: "Mehrheitseigentümer hält sich weitgehend raus"

Wie hat sich Ihre Arbeit unter dem neuen Mehrheitsgesellschafter verändert?

Bisher waren wir ja ein eigentümergeführtes Unternehmen, das hieß: Alle Entscheidungen liefen auf diese eine Person zu, und diese Person, Joop van den Ende, stand auch für alle Entscheidungen gerade. Jetzt sind wir in einer neuen Welt, in der das Management eines Unternehmens die Entscheidungen fällt.

CVC (der neue Mehrheitseigentümer, d. Red.) hält sich weitgehend raus, die überlassen uns das operative Geschäft. Dadurch rutscht eine große Verantwortung auf uns, was ich für eine positive Entwicklung halte.

Solange die Zahlen stimmen.

Die sollten immer stimmen, ganz gleich, wer der Eigentümer ist.

Karten für alle Stage-Musicals gibt es auch in der Abendblatt-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18–32, Tel. 30 30 98 98