Büdelsdorf. In Rendsburg-Büdelsdorf werden Werke von 250 Künstlern aus aller Welt gezeigt. Der Ausflug lohnt sich, meint unsere Autorin.
Eine Spielwiese für Kunst, die normalerweise nie zusammenkommt, das ist die Nord Art in Rendsburg-Büdelsdorf bis heute geblieben. Dort ist viel gute Kunst zu finden, aber auch etwas schlechte, hier stellen Künstler aus, deren meist figurative Werke man sonst auf keiner der großen Messen, Biennalen oder Kunstschauen sieht, aber auch Arbeiten renommierter Maler, Bildhauer, Videokünstler und Fotografen sind zu sehen.
Im überwiegend großartig bestückten Skulpturenpark prangt leider auch diesmal Plakativ-Erschreckendes: Eine scheußlich glänzende, überdimensionierte Kinderfigur reitet auf einem sehr großen Dinosaurier. Dieser erste apokalyptische Reiter stammt von der russischen Künstlergruppe AES+F, deren faszinierender Biennale-Venedig-Filmhit in der großen Ausstellungshalle läuft. Auf derselben Wiese steht eine Horde kupferner, fast identischer Affen („Erbsünde“ von Liu Ruowang), von denen zwei den Hallen-Eingang flankieren.
Bei unsicherem Wetter ist es ratsam, als Erstes den Skulpturenpark zu besuchen, dessen zahlreiche Werke meist klassischer Bildhauer jedes Jahr neu gruppiert und zum großen Teil ausgetauscht werden. Hier befindet sich auch die charmante alte Meierei, in der man etwas zu essen oder einen Kaffee bekommt.
Wer aber wirklich eintauchen will in den Geist der Nord Art, der kommt an der großen 22.000-Quadratmeter-Halle der ehemaligen Eisengießerei nicht vorbei. In diesem reizvoll-schrundigen Industriedenkmal steht noch der Hochofen, und das Unternehmer-Ehepaar Hans-Julius und Johanna Ahlmann (ACO Gruppe) lässt es sich einiges kosten, die zusammenhängenden historischen Hallen instand zu halten. Konzerte des Schleswig-Holstein Musik Festivals haben mitten unter den Kunstwerken schon stattgefunden, zusätzlich hat Ahlmann jetzt die Thormannhalle umbauen lassen.
Wer die Nord Art einigermaßen erfassen möchte, sollte mindestens vier bis fünf Stunden Zeit mitbringen und sich auch vom Ort inspirieren lassen. Das Kuratoren-Team um den Nord-Art-Erfinder Wolfgang Gramm scheint eine Schwäche für figurative Skulpturen wie die deformierten Baby-Greise des Slowaken Viktor Freso zu haben, die gern in Reih und Glied aufgestellt werden. Oder auch in Form eines Rudels: Ähnlich wie draußen die Affen drängen sich drinnen in der ersten Halle, wofür eigens ein Kiesberg aufgeschüttet wurde, 110 wilde gusseiserne Wölfe des chinesischen Künstlers Liu Ruowang zur Hügelspitze hin, wo ein Krieger sein Schwert zückt. Die Zivilisationskritik ist unübersehbar, aber doch etwas eindimensional.
Weit komplexer wirkt dagegen ein Besuch des diesjährigen „Pavillons“ (eine Halle in der Halle) nach, der jedes Jahr einem anderen Land und diesmal Israel gewidmet ist. Was die Kuratorin Carmit Blumensohn da zusammengeholt hat, deckt ein breites Spektrum an künstlerischen Ausdrucksformen ab, ist zum größten Teil stark und außerdem oft von hoher ästhetischer Qualität. Auf der Grenze zwischen Skulptur und Malerei arbeitet Avi Sabah: Symbole oder konkrete Gegenstände seiner Erinnerung näht er in ein mit Brand-„Narben“ verletztes Kunstfell als Bildträger, außerdem Kupfermesser, -monde und Spiegelscherben. Von hier aus fällt schon von Weitem der Blick auf vier Meter hohe Leinwände, bevölkert von Theaterfiguren, wie es scheint.
Schockierende Kunst von Avital Cnaani
Bei näherem Hinsehen entpuppt sich der Mummenschanz von Ruthi Helbitz Cohen als eine Parade von verwischten Albtraum-Bewohnern auf dem „Vorhang der Tränen“: Allgegenwärtig ist der Tod durch die Schädel ausgemergelter, hinkender Gestalten, und es blutet ein herausgerissenes Herz ... So schockierend düster wie sie arbeitet sich kein anderer israelischer Künstler am eigenen Seelentheater ab, das anders womöglich nicht zu bändigen ist.
Ähnlich doppelschichtig wirken die Skulpturen von Avital Cnaani, die sie aus mit dem Messer abgeschälten Resopalstreifen erschafft. Auch Oren Fischer beschäftigt das Spannungsfeld zwischen gezeichneter Linie, Figur und dreidimensionaler Skulptur. Seine kruden, hyperlangen Figuren aus Holzstücken und Eisenfäden haben etwas Märchenhaftes, das auf andere Weise auch in den Abfall-Skulpturen von Avinoam Sternheim zu finden ist. Bei ihm besteht alles aus entsorgtem Material, und Sternheim baut es so zusammen, dass daraus Monster aus galaktischen Welten werden und die Fantasie Bocksprünge macht.
Was bleibt über den israelischen Pavillon hinaus noch in Erinnerung? Es ist so vieles hier zu entdecken in der schieren Masse an Kunst von 250 Künstlern aus rund 50 Ländern. Die von milchigem Acrylglas überzogenen Farbstreifen des Finnen HC Berg, die zu wandern scheinen, wenn man sich bewegt. Die an Kegeln und Kuben orientierte Malerei von Jaakov Blumas, die durch raffinierte Täuschungsmanöver das Verständnis von Räumlichkeit umdreht. Oder das flammende Landschaftspanorama des Mongolen Ganbold Lamjav. Man muss auf eigene Entdeckungsreise gehen.
Nord Art bis 9.10., Vorwerksallee, 24782 Büdelsdorf. Erreichbar über die A 7 oder mit dem Zug bis Rendsburg. Di–So 11.00–19.00, Eintritt 12, erm. 9 Euro, www.nordart.de