Hamburg. Von Metal bis Pop, von Hip-Hop bis Klassik: Von Juli bis September gibt’s in Norddeutschland ordentlich auf die Ohren. Ein Reiseführer.
Sommerzeit ist Festivalzeit. Und das gilt längst nicht mehr nur für Metal, Rock und Hip-Hop. Auch wenn das Wacken Open Air medial den größten Aufschlag hat. Mehr als 80.000 Metal-Fans aus aller Welt in einem kleinen Dorf in Schleswig-Holstein, das hat schon was – und sorgt für immer neue Verkaufsrekorde. Mittlerweile sind die Karten binnen Stunden ausverkauft, ein Jahr im Voraus! Doch es gibt viele Alternativen, etwa das Headbanger’s Open Air in Brande-Hörnerkirchen bei Hamburg, die Deichbrand-Sause in Cuxhaven oder das Dockville in Wilhelmsburg.
Egal wer spielt, immer gilt: Festivaltage sind Urlaubstage, sind eine Auszeit vom Alltag und bieten bei meist überschaubaren Investitionen großen Spaß. Übrigens nicht nur für all die Jugendlichen, die sich jetzt wieder rucksackbepackt auf den Weg machen und kein Problem damit haben, sich vier Tage lang von Dosenravioli und Billigcola zu ernähren. Längst gibt es High-End-Festivals wie A Summer’s Tale, bei denen die Übernachtung im Luxuszelt ebenso gebucht werden kann wie eine professionelle Kinderbetreuung. Von Käseverkostungen und Yoga-Workshops ganz zu schweigen.
Und dann ist da natürlich noch das große Feld der klassischen Musik, traditionell beackert von mehreren Festivals in Norddeutschland, die immer stärker ihre Fühler in Richtung Jazz und Weltmusik ausstrecken. Wegen der ungezwungenen Atmosphäre, speziell in Scheunen und Ställen, eine prima Möglichkeit für ganz entspannte Klassik-Erstkontakte.
Ob Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF) oder Musikfest Bremen, ob Sommerliche Musiktage Hitzacker oder Festspiele Mecklenburg-Vorpommern: Die Programme sind so vielfältig und hochkarätig, dass ein Stöbern durch Websites oder gedruckte Festivalmagazine für mächtig Vorfreude sorgt. Probieren Sie’s mal aus: Urlaub im Norden kann so musikalisch sein.
Festival-Übersicht
Deichbrand (21. bis 24. Juli)
Wen trifft man? Die Beginner, Seeed, K.I.Z., Die Fantastischen Vier, Fünf Sterne Deluxe, Heaven Shall Burn und, und, und. Top-Programm in Cuxhaven.
High Heels oder Gummistiefel? Je nach Alter Schwimmflügel oder Schwimmflossen, schließlich ist die Nordsee ganz nah.
Geht’s ans Ersparte? Tagestickets gibt’s ab 71 Euro. Für 39 Euro ist auch ein Rundflug übers Festivalgelände möglich.
Wacken Open Air (4. bis 6. August)
Wen trifft man? Vom gesichtstätowierten Rocker bis zur Verlagschefin so ziemlich alle, die auf Heavy Metal stehen.
High Heels oder Gummistiefel? Hauptsache schwarz. LeopardenfellDesign ist auch okay. Geht’s ans Ersparte? In diesem Jahr nicht, das Festival ist ausverkauft. Wer 2017 dabei sein will, muss bereits im August kaufen. Ein Jahr im Voraus! Preis: ca. 180 Euro
Headbanger’s Open Air (28. bis 30. Juli)
Wen trifft man? Überzeugung-sLanghaarige, denen Wacken längst zu groß geworden ist, und Metal-Bands von Armored Saint bis Angel Witch, die kein Gelegenheitshörer kennt.
High Heels oder Gummistiefel? Armeestiefel! Und eine abgeranzte Jeanskutte mit möglichst unleserlichen Bandaufnähern.
Geht’s ans Ersparte? Im Gegenteil: Drei Tage Vollbedienung kosten nur 49,50 Euro.
SHMF (bis 28. August)
Wen trifft man? Klassik und Jazzfans aus ganz Deutschland. Und natürlich Anwohner, die sich freuen, dass in ihrem Dorf endlich mal was los ist.
High Heels oder Gummistiefel? Eher High Heels, aber die TurnschuhDichte bei Klassikkonzerten steigt seit Jahren. Auch beim SHMF.
Geht’s ans Ersparte? Muss nicht sein. Selbst Karten für Weltstar András Schiff (z.B. 15.8., Laeiszhalle) gibt’s schon ab 12 Euro.
Festspiele Mecklenburg-Vorpommern (bis 17. September)
Wen trifft man? Jedenfalls nicht nur Mecklenburger. Dafür sorgen schon Stars wie Geigerin Vilde Frang und Pianistin Hélène Grimaud.
High Heels oder Gummistiefel: Bei Konzerten in Scheunen oder Schuppen bietet sich eher festes Schuhwerk an. Knöchelhoch reicht aber.
Geht’s ans Ersparte? Gewiss nicht. Für 30 Euro gibt’s schon gute Karten. Schüler zahlen teilweise nur einen Zehner.
Sommerliche Musiktage (30. Juli bis 7. August)
Wen trifft man? Alle, die mit Igor Levit, Avi Avital und vielen anderen auf musikalische Entdeckungsreise gehen wollen.
High Heels oder Gummistiefel? Hier wird nicht auf die Füße geguckt, hier werden die Ohren aufgesperrt. Und das lohnt sich auch.
Geht’s ans Ersparte? Wenn die teuerste Karte 39 Euro kostet, bleiben die Besondersgut-Verdiener jedenfalls nicht unter sich.
Summer´s Tale in Luhmühlen
A Summer’s Tale (10. bis 13. August)
Wen trifft man? Genießer, die einen Merlot vom Cabernet unterscheiden können und bei den Klängen der Isländer Sigur Rós ins Träumen geraten. Noel Gallagher kommt auch.
High Heels oder Gummistiefel: FlipFlops oder TevaSandalen. Hauptsache entspannt.
Geht’s ans Ersparte? Hängt vom gewünschten Luxus ab. Das teuerste Familienticket kostet 519 Euro (2 Erw., 3 Kinder). Dafür wird aber auch viel Programm geboten.
Sommerfestival Kampnagel (10. bis 28. August)
Wen trifft man? Menschen, denen es nichts ausmacht, wenn sie eine Performance nicht auf Anhieb verstehen. Oder wenn Musik auch mal wie ein Geschirrspüler in Dauerbetrieb klingt.
High Heels oder Gummistiefel? Gummistiefel! Gern selbst bemalt bzw. dekorativ eingeritzt.
Geht’s ans Ersparte? Nein! Mit dem Festivalpass (35 Euro) gibt’s sogar 50 Prozent Rabatt
Dockville (19. bis 21. August)
Wen trifft man? Ganze Abi-Jahrgänge, die mit der Musik von K.I.Z., Feine Sahne Fischfilet oder den Foals gegen den drohenden Ernst des Lebens anfeiern.
Geht’s ans Ersparte? Die günstigsten Tickets sind weg, jetzt müssen 109 Euro auf den Tisch gelegt werden.
Musikfest Bremen (20. August bis 10.September)
Wen trifft man? Klassik und Jazzliebhaber in Entdeckerlaune. Die freuen sich besonders auf die „Große Nachtmusik“ mit Konzerten rund um den Bremer Marktplatz (20. August).
High Heels oder Gummistiefel? Für den Eröffnungsabend definitiv Turnschuhe, um fix von A nach B zu kommen.
Geht’s ans Ersparte? Von 100 Euro für Rossinis „Tancredi“ bis 20 Euro für ein Orgelkonzert ist alles drin
Müssen alle mit (27. August)
Wen trifft man? Tocotronic, Fraktus, Trümmer – Hamburger Bands und ihre Fans. Auch aus Orten mit SE oder PIKennzeichen.
High Heels oder Gummistiefel? Weder noch, der urbane IndieHipster trägt Sneakers, an denen noch das Gras des letzten Grillabends im Schanzenpark klebt.
Geht’s ans Ersparte? Nö, die 34 Euro Eintritt lassen sich auch vom BAföG zahlen. Notfalls hilft eben Mutti aus.