Hamburg. In „Fritz Lang“ verkörpert Schauspieler Heino Ferch einen komplizierten Charakter, aber unglaublich kreativen Filmemacher.
Das Monokel war sein Markenzeichen. Fritz Lang war einer der größten deutschen Regisseure; von ihm stammen so bahnbrechende Filme wie „Metropolis“, „Dr. Mabuse, der Spieler“ oder „Auch Henker sterben“. International immer noch ein großer Name, ist er bei uns fast ein wenig in Vergessenheit geraten. Das könnte sich jetzt ändern , denn ein Film erinnert an den Mann, seine Zeit und seine Art zu arbeiten. „Fritz Lang“ von Gordian Maugg zeigt den Filmemacher in einer Sinnkrise vor seinem ersten Tonfilm, „M“. Die Hauptrolle spielt Heino Ferch.
„Ich glaube, dass er sehr brachial, exzentrisch und dominant war“, sagt Ferch über Lang. Mauggs Film zeigt Lang als schnöseligen Dandy, der weder Koks noch schnellem Sex bei Prostituierten abgeneigt ist. Auf Reisen nimmt er seine Monokelsammlung und seine Offizierspistole mit. Ferch spielt den Filmemacher überzeugend und mit einer Spur kühler Arroganz. Hätte er gern unter ihm gespielt? „Man musste da als Schauspieler wohl aufpassen, denn er hat seine Darsteller auch mal richtig hart rangenommen. Mit einer gewissen Professionalität ist man bei ihm aber ganz gut gefahren. Er war schon ein unangenehmer Charakter.“
Der in stilvollem Schwarzweiß und im alten Bildformat 4:3 gedrehte Film erzählt, wie Lang auf der Suche nach einem Stoff für einen neuen Film ist. Er steht unter Druck, weil viele Konkurrenten schon ihre ersten Tonfilme gedreht haben. Da fällt ihm der Kriminalfall vom psychopathischen Kinder- und Frauenmörder Peter Kürten auf, der seine Opfer bestialisch ermordet. Der Fall wird später die Basis für seinen Erfolgsfilm „M“ mit Peter Lorre.
Für Regisseur Maugg stand außer Frage, wer Fritz Lang spielen sollte. „Ich brauchte einen Schauspieler, der in seiner Rolle glaubhaft vermitteln kann, dass er sechsmal um Kap Hoorn gesegelt ist, der sich mit Autos, Frauen, Tabak und Filmen auskannte – einfach in jedem Bereich der maskulinen Kultur. Und zwar, ohne das zu zeigen, denn es liegt unter der Haut. Bei mir wird das nur durch die Augen gespielt, und das kann Heino Ferch.“
Maugg gerät leicht ins Schwärmen, wenn er über seinen Film spricht, obwohl er 13 Jahre gebraucht hat, um ihn realisieren zu können. Die Finanzierung war schwierig, es entstanden immer neue Drehbuchvarianten, die er zusammen mit seinem Hamburger Koautor Alexander Häusser schrieb. Dabei fand er den Stoff „zwingend“. Ständig hatte er während dieser langen Zeit Angst, dass ihm Hollywood, wo Lang ebenfalls reüssierte, den Stoff wegschnappen würde. „Man hat einen Film in den goldenen 20er-Jahren. Man hat eine Geschichte hinter der Fassade von Babelsberg, Man hat hier die herausragende Persönlichkeit eines Regisseurs, der Film überhaupt erst zur Kunst gemacht hat. Er kam eben nicht, wie so viele, aus dem Theaterbereich, sondern von der Architektur und der Malerei. Diese Künste brachte er in den Film ein und hat ihn dadurch maßgeblich beeinflusst. Wenn man sich heute sein Werk ,Der müde Tod‘ ansieht, wie er darin mit Raum, Zeit und Licht umgeht, das ist schon atemberaubend.“
Aber Mauggs Film bemüht sich, auch den Zeitgeist einzufangen. „Fritz Lang war eine Figur der Berliner Gesellschaft. Wenn er in den Zeiten tiefster Depression mit seinem weißen Cabriolet mit den roten Ledersitzen die Straße Unter den Linden entlangfuhr, mussten die Leute glauben, dass sie einem Traum nachsahen. Zur gleichen Zeit hat man im Studiogelände von Babelsberg die Nägel aus den Kulissen gezogen und geradegeklopft, damit man sie noch einmal verwenden konnte.“
Ein Markenzeichen Mauggs ist es, in seine Filme Archivmaterial einzuflechten. Das macht er auch hier, er benutzt in seinem vielschichtig erzählten Drama aber nicht nur Szenen aus Lang-Filmen. „Ich habe Material von ganz vielen unbekannten Regisseuren und Kameraleuten verwendet. Was mich nie losgelassen hat, ist die bewahrende Kraft des Films. Man kann untergegangene Welten und längst verstorbene Menschen auf diesem vergilbten kodakgelben Filmmaterial finden. Das Material wieder auf die Leinwand zu bekommen und so eine Sichtachse zwischen den Menschen von damals und heute zu schaffen macht für mich einen Zauber aus.“
Maugg schwärmt davon, wie Lang aus Katastrophen Kunst machte: „Mein Film ist eine Verneigung vor dem künstlerischen Werk des Mannes“, sagt der Regisseur über den Kollegen. „Er liest die schrecklichen Kürten-Akten, sieht die fürchterlichen Fotos der Opfer. Und was macht er daraus? Einen Film, in dem man Mitleid mit dem Mörder hat. Zur Tötung eines Kindes zeigt er nur, wie ein Ball aus dem Gebüsch rollt. Das letzte Geschenk des Mörders an das Kind ist ein Luftballon, der sich in den Drähten der Telegrafenmasten verfängt, wie die zum Himmel schwebende Seele des toten Kindes.“
„Fritz Lang“ läuft ab 14.4. im Abaton und Koralle