Hamburg. Ins Innere der fast fertigen Elbphilharmonie wurden neben zwei großen auch sieben kleinere Säle gebaut. Ein Besuch der “Kaistudios“.

Noch ist alles sehr ruhig. Alle Wände sind jungfräulich weiß, das helle, frisch verlegte Parkett darf man nur mit weißen Sohlenkondomen über den knallgelben Baustellen-Gummistiefeln betreten, sonst gäbe es Ärger mit der Fachkraft, die den Eingang ­bewacht. Aber die Ruhe hier täuscht mächtig, sie wird, wenn alles in Gang gekommen ist, die absolute Ausnahme sein.

Es gibt den Großen Saal der Elbphilharmonie. Der dürfte mittlerweile, obwohl er noch im Bau ist, international ziemlich bekannt sein. Beim Kleinen Saal, direkt daneben, sieht es etwas bescheidener aus. Den ganz kleinen Saal aber, jenen Saal, der bislang immer „der dritte“ genannt wurde und der in der öffentlichen Wahrnehmung weitgehend unter dem Radar blieb, weil er nur die Bronzemedaille der Aufmerksamkeit gewonnen hatte? Den gibt es nicht mehr. So jedenfalls nicht mehr. Der heißt jetzt „Kaistudio 1“, er bietet Platz für rund 150 Menschen und ist der größte von insgesamt sieben Sälen, die im westlichen 2. und 3. Kaispeicher-Obergeschoss für das Thema ­Musikvermittlung eingebaut wurden.

Die Eingangstüren sind wegen der Schalldämmung extradick
Die Eingangstüren sind wegen der Schalldämmung extradick © Michael Zapf

„KS 1“ hat rund 150 Quadratmeter Grundfläche, die angrenzenden Räume variieren zwischen 30 und 65 Quadratmetern. Platz genug für mehrere Schulklassen täglich, und dabei sind die zusätzlichen Möglichkeiten noch gar nicht mitgerechnet. Denn obwohl die Einführungsveranstaltungen für die Konzerte vorwiegend in den jeweiligen Sälen der Elbphilharmonie stattfinden sollen, spricht nichts dagegen, die Kai­studio-Räume nach Ende der Schultermine auch mit Vermittlungsangeboten für Erwachsene zu bespielen. Zu ­erreichen sind sie alle auf sehr kurzem Weg, beginnend im Ticketing-Bereich im Erdgeschoss.

Als einstimmende Anspielung auf die Klang-Abenteuer oberhalb der Plaza haben die tiefer gehängten Sitzbänke in den Wandnischen der Flure und Säle einen Stoffbezug wie die Stühle im Großen Saal. Die Kugellampen sind Verwandte der Modelle dort und auf der Plaza. Auch die Leuchtröhren sind ein Gestaltungselement, das den Besuchern an anderen öffentlichen Stellen der Elbphilharmonie begegnen wird, wenn es erst so weit ist, dass sie öffentlich zugänglich sein kann.

Dass hier aus einem Saal gleich sieben wurden, hat nicht zuletzt auch mit dem hinlänglich bekannten Baustellen-Elend der Krisenjahre zu tun. Man hatte notgedrungen mehr Zeit als gedacht, um sich gründlich zu überlegen, was man lieber nicht auch noch an dieser Stelle falsch machen möchte, und stockte sehr entschieden auf. Für diesen kulturpolitisch so wichtigen Bauabschnitt ist der Aufschwungsehrgeiz mächtig, bereits jetzt. Die Education-Abteilung unter dem elbphilharmonischen Dach der Hamburg Musik gGmbH soll zügig personell wachsen. Philipp Stein, in der Crew von Generalintendant Christoph Lieben-Seutter für die Nachwuchspflege zuständig, will die Schlagzahl von 50 Hamburg-Musik-Veranstaltungen pro Saison im Verbund mit dem Klingenden Museum auf stolze 500 erhöhen. Darin sind zwar die vielen Schulklassen-Termine dieses Spezialmuseums enthalten, aber trotzdem. Viele Stadtteile sollen mit Publikumslieblingen wie den Baby-Konzerten weiterhin bespielt werden, doch die zentrale Anlaufstelle für Interessenten und Schulen werden diese brandneuen Räume sein. Alles in allem eine durchaus steile Ansage, gut ein Jahr vor Eröffnung des Spielbetriebs. Dazu zählt auch die jahrelang wiederholte Devise von ganz oben aus dem Rathaus, die Elbphilharmonie solle ein Haus für alle sein, und jedes Hamburger Schulkind solle den Großen Saal besuchen können. Als Einlösung dieses Versprechens, das nach jeder Preis­explosion wieder herausgeholt wurde, sollen die Kaistudios spätestens mit der Eröffnung des Hauses im Einsatz sein, betont Stein.

Mehrere Schulklassen täglich sollen sich durch diese Flure bewegen
Mehrere Schulklassen täglich sollen sich durch diese Flure bewegen © Michael Zapf

Mit den Fahrstühlen kann man ­direkt zur Plaza gelangen, obwohl die Anfahrt aus dem Erdgeschoss mit der spektakulär gebogenen Rolltreppe für Kinder sicher spannender sein wird. Bestandteil des Konzerthaus-Konzepts ist die Zugänglichkeit der Proben für solche Kurz-Gäste. Das mag einen ­Maestro alter Schule, der blickdicht an der Partitur feilen will, womöglich irritieren, ist aber gewollt und im Normalfall auch nicht verhandelbar. Wer hier musikalisch fortgebildet wird, soll auch unter die Motorhaube des Kultur­betriebs schauen können, um Schwellenangst vor diesem Lehrstoff zu vermindern. Demnächst stehen weitere Perspektivgespräche mit der Schulbehörde an, um die Weichen für diesen Teil des Bespielungskonzepts zu stellen und die neuen Ideen mit den jeweiligen Plänen und Angeboten der Schulen zu harmonisieren.

Beim Planen der Spezialflächen hat man an alles gedacht. Das beginnt bei den kindgerecht montierten WCs und endet bei dem ebenso simplen wie grandiosen Detail, die Decken der sieben Studio-Räume leicht anzuschrägen. So wird der Schall nicht mehr ­direkt reflektiert – und die Nerven der Musikvermittler werden geschont, weil es weniger frontal fiedelt, rappelt und trötet, sobald Schulklassen auf die Ins­trumenten-Kisten losgelassen werden, in denen das Anspiel-Material von Studio zu Studio gerollt werden kann.

Computergrafik der  Elbphilharmonie auf dem Kaispeicher A im Hamburger Hafen
Computergrafik der Elbphilharmonie auf dem Kaispeicher A im Hamburger Hafen © dpa

Auch die Institution „Klingendes Museum“, die im Souterrain der Laeisz­halle ihre klassische Heimat hatte, erlebt in den neuen Räumen am Elbufer ein großes Update. Studio 6 und 7 waren ursprünglich als Museumsräume vorgesehen, sie sind nun nur noch Teil des neuen Ganzen. Als Erinnerung an das Vorgängermodell sind die Ins­trumente im 3. Obergeschoss im Fahrstuhl­bereich angebracht worden, um die Kundschaft zu begrüßen. Das „Kaistudio 1“ eine Etage tiefer bietet so ziemlich alles, was das Veranstalterherz begehren kann. Variable Bestuhlung ist möglich, alle technischen Voraussetzungen für den Einsatz von Technik sind dort vorhanden. Als Bonus gibt es Tageslicht, das durch zwei Fenster mit Blick auf das Südufer der Elbe fallen wird. Ein atmosphärisches Detail, das weder der Große noch der Kleine Saal bieten können.