Hamburg . Fettes Brot liefern zum Abschluss ihrer Tournee eine riesengroße Party vor 11.000 Fans in der Barclaycard Arena.

Tour-Ende. Natürlich in Hamburg. Für Fettes Brot eine Selbstverständlichkeit, den Tourneeabschluss dort zu feiern, wo ihre Karriere vor mehr als 20 Jahren begonnen hat. König Boris, Dokter Renz und Björn Beton haben bei diesen Heimspielen immer eine Überraschung parat. Dieses Mal ist es am Ende eines ohnehin schon 45 Minuten langen Zugabenteils ein Auftritt von Kraftklub. 2011 hat die damals noch unbekannte Hip-Hop-Crew aus Chemnitz Fettes Brot als Vorprogramm bei deren Tournee begleitet. Ihrer Karriere hat das damals einen enormen Schub verliehen, inzwischen zählt Kraftklub zu den populärsten deutschen Bands. Zu den Broten verbindet sie seitdem eine enge Freundschaft, also gibt es zum Tourabschluss eine Zugabe zur Zugabe: weitere 30 Minuten im Zeichen eines neonbunten riesigen „K“.

Die 11.000 Fans in der nicht ganz ausverkauften Barclaycard Arena feiern Fettes Brot von der ersten Sekunde an. Um Punkt 21 Uhr beginnt die Show mit „Teenager vom Mars“, Titeltrack ihres aktuellen Albums. Die drei Rapper geben Gas wie bei einem Speedcar-Rennen, auf den Rängen springen die Fans von den Sitzen, es scheint, als würden am liebsten alle in den bereits brechend vollen Innenraum drängen, wo die Stimmung geradezu explodiert. Von dieser Ausgelassenheit sind die Brote selbst überrascht. „Sollen wir mal ’ne B-Seite spielen? Die Stimmung ist ja schon auf dem Siedepunkt“, fragt König Boris nach einem halben Dutzend Songs. Die Antwort ist „Nein!“, denn mit „Jein“, dem nächsten Kracher, geht die wilde Tour de Force weiter.

„Nordisch By Nature“, den größten Hit der Band aus der Frühphase ihrer Karriere, haben die Brote da bereits abgehakt. Eine Zeit lang waren sie es leid, die Nummer zu spielen, bei einem Stadtpark-Auftritt vor einigen Jahren forderten ihn die Fans nach Konzert­ende minutenlang und weigerten sich, das Areal zu verlassen. Dieses Mal präsentierte das Trio den Klassiker als Disco-Nummer mit Zitaten aus „Ghostbusters“ und in megaschnellem Tempo. Boris, Björn und Dokter Renz gehen mit ihrem Songmaterial überhaupt sehr lässig um. Immer wieder werden Rhythmen variiert, „Emanuela“ wird zwischenzeitlich zur Reggae-Nummer, andere berühmte Popsongs werden kurz angerissen. Bei „Wacklige Angelegenheit“ taucht das Motiv von „Macarena“ auf, bei „Erdbeben“ mixt DJ exel. Pauly den Disco-Klassiker „That’s the Way“ von KC and the Sunshine Band in den Fettes-Brot-Song.

Bei der aktuellen Tournee erinnern die Brote sich an frühere Pop-Stile und integrieren sie in ihren Sound. „Du bist der Shit“ wird als Rock ’n’ Roll angekündigt, andere Songs unterlegt die Band mit Disco-Beats im 70er-Jahre-Stil. Ziel ist es, Tempo und Härte in die Nummern zu bekommen, sodass auf und vor der Bühne richtig getobt werden kann. Verschnaufpausen gönnen die drei sich keine einzige, die vierköpfige Band inklusive DJ Pauly macht aus dem Konzert einen riesengroße Party. Achtjährige Mädchen wackeln noch etwas ungelenk mit erhobenen Armen, Fans in Fettes-Brot-Kutte, vermutlich Abi-Jahrgang ’85, singen jeden Refrain mit, Studentinnen tanzen mit verklärten Gesichtern zu den schnellen Beats und lustigen Texten. Dieser Abend ist Spaß total, all das Elend und die Kriege draußen sind für dreieinhalb Stunden aus den Köpfen verbannt.

Trotz aller Ausflüge in die verschiedenen Genres populärer Musik ist Fettes Brot immer noch eine Hip-Hop-Combo, jedes Bandmitglied ist Vinyl-Fan. Den ersten Zugabenblock spielen sie vor einem Vorhang, auf dem ein überdimensionales Schallplatten-Regal zu sehen ist. Zwei Plattenspieler und drei Mikros genügen, um sie in die Zeit zurückzukatapultieren, als sie im Jugendzentrum Schenefeld ihre Karriere starteten. Mit einem Medley aus früheren Songs wie „Silberfische in meinem Bett“, „Meh’ Bier“, und „Toten Manns Disco“ zelebrieren sie zu viert Hip-Hop alter Schule. In Zugabenblock Nummer zwei folgen dann mit „Lauterbach“, „Bettina“ und „Schwule Mädchen“ weitere Klassiker aus dem an Hits reichen Repertoire. Das Publikum pendelt zwischen Euphorie und Erschöpfung, aber als der schwarze Vorhang fällt und das Kraftklub-K aufleuchtet, geht die Party unter frenetischem Jubel weiter.

In diesem Jahr hat Fettes Brot bereits zum sechsten Mal eine vom WDR verliehene 1Live Krone gewonnen. Zu Recht, denn dem Trio fallen nicht nur gescheit-witzige Songs ein, es zählt seit Jahrzehnten zu den herausragenden deutschen Livebands. Die Energie ist in jeder Show so hoch wie vor 15 Jahren, und man merkt, dass diese drei Entertainer beste Freunde sind. Sie haben Spaß auf der Bühne, und der Spaß überträgt sich auf die tobende Masse im Parkett und auf den Rängen. Am Ende des Konzertabends: ausschließlich glückliche und strahlende Gesichter. Auf der Bühne und vor der Bühne.