Hamburg. Bruno Ganz stellte beim Filmfest Hamburg das Drama „Remember“ vor. Die Kinokarriere begann mit Wim Wenders und Dennis Hopper.

Eigentlich sind beim Filmfest die Filme die Stars. Gestern war es anders. Der kanadische Regisseur Atom Egoyan hatte zu „Remember“ einen seiner Hauptdarsteller mitgebracht: Bruno Ganz. Der Schweizer hat in seiner langen Karriere ein riesiges Spektrum von Charakteren gespielt, von Hitler über Faust bis hin zum Almöhi. In diesem Drama verkörpert er in einer kleinen Rolle einen ehemaligen Wehrmachtssoldaten, der von einem Rentner (Christopher Plummer) verdächtigt wird, in Auschwitz dessen Familie und die eines Freundes ermordet zu haben. Am Abend stellte Ganz den Film im Passage Kino vor.

Hamburger Abendblatt: Was hat Sie an dieser Rolle gereizt: der Charakter, der Regisseur oder die Kollegen?

Bruno Ganz: Ich bin sehr beeindruckt von diesem Regisseur. Der hat nicht nur ein paar gute Filme gemacht, er ist ein unglaublich liebenswürdiger Mensch. So etwas hat man selten. Er kannte sich auch in europäischen Theaterdingen so gut aus. Ich war so von ihm angetan, dass mir die Größe der Rolle egal war.

Sie sind seit mehr als 50 Jahren im Geschäft. Was macht Ihnen an diesem Beruf noch Spaß?

Ganz : Nach wie vor das Innerste davon, die Arbeit vor der Kamera und auf der Bühne. Auch die Vorbereitung, sofern man die Leute und Umstände hat, die einem die Zeit dazu lassen. Wenn man das Gefühl hat, dass es eine echte Zusammenarbeit ist. Es ist nicht mehr so aufregend wie am Anfang, aber immer noch etwas Großartiges. Ich liebe das.

Sie haben gesagt, dass Sie keine Nazis mehr spielen wollen. Hier haben Sie noch einmal eine Ausnahme gemacht.

Ganz : Ich bin es schon ein bisschen leid. Mein Charakter sagt im Film, dass er ein deutscher Soldat war. Er war bei Rommel, weit weg, und wohl auch ziemlich unideologisch. Insofern ist er für mich keiner dieser befleckten Nazis, die nahe am Grundübel der Sache waren, der Vernichtung der Juden.

Ist Ihre Aversion gegen Nazirollen eine Folge Ihrer Rolle als Hitler in „Der Untergang“?

Ganz : Das könnte sein. Eigentlich ist für mich das Thema damit abgehakt, denn ich habe immerhin den Chef gespielt.

War die Hitler-Rolle im Rückblick eher ein Fluch oder ein Segen?

Ganz: :Fluch würde ich es nicht nennen. Sie hat mir weltweit sehr viel Anerkennung gebracht, auch branchenintern. Selbst in Hollywood gibt es kaum jemanden, der den Film nicht gesehen hat. Aber man wird das nicht so richtig los. Margarethe von Trotta hat zu mir gesagt: Das wird mal ein ganz großes Problem für dich. Ich habe damals nur gelacht.

Vor 40 Jahren haben Sie mit Wim Wenders in Hamburg „Der amerikanische Freund“ gedreht. Sie sollen sich damals mit Dennis Hopper geprügelt haben.

Ganz : Ich war auf ihn extrem eifersüchtig und hatte kurz vorher „Easy Rider“ gesehen. Er war für mich der Repräsentant des jungen amerikanischen Kinos, mit James Dean befreundet gewesen, kam gerade vom Dreh zu „Apocalypse Now“, hatte dafür mit Marlon Brando vor der Kamera gestanden. Größer ging es gar nicht. Wim hatte seine Sympathien schnell in seine Richtung verlagert. Ich war damals ein totaler Anfänger, was Kino betraf. Und Dennis benahm sich so sicher vor der Kamera. Alles gehörte ihm, er nahm den ganzen Raum ein. Ich hatte den Eindruck, er erdrückt mich. Da habe ich ihm vors Bein getreten. Er war Amerikaner genug, um sofort zurückzuschlagen. Und das hat sich dann so entwickelt. Aber hinterher waren wir gut miteinander.

Demnächst kann man Sie in „Heidi“ im Kino sehen. Ist der Almöhi eigentlich ein Muss für einen Schweizer?

Ganz : Es war eine Art patriotische Pflicht. „Heidi“ ist ein nationales Epos erster Güte, viel mehr als „Wilhelm Tell“. Ich bin froh, dass ich meine Skrupel überwunden und die Rolle angenommen habe. Gut, dass die Schweiz eher mit Heidi assoziiert wird als mit den Banken, dem Käse oder der Schokolade.

„Remember“ Sa 10.10., 18.30 Uhr, Abaton