Hamburg. Michael Ehnerts „Goethes sämtliche Werke ... leicht gekürzt“ feierte im Altonaer Theater eine weitgehend gelungene Uraufführung.

Goethe ist nicht Schiller. Goethe hat seinen Dichterkollegen nicht nur fast drei Jahrzehnte überlebt, sein Werk ist auch viel umfangreicher als das Schillers. Bei dem gab es elf voll­endete dramatische Werke, von „Die Räuber“ bis „Die Huldigung der Künste“ 1804. Sie dienten dem Hamburger Schauspieler, Kabarettisten und Autor Michael Ehnert vor einigen Jahres als „Inseln“, um mit „Schillers sämtliche Werke … leicht gekürzt“ eine Klassiker-Parodie auf die Bühne des Altonaer Theater zu zaubern.

Seit Dienstagabend also auch Goethe, wiederum als Uraufführung in Altona. Fast schon eine Mammutaufgabe, der sich Ehnert, seine Kompagnons Kristian Bader und Jan Christof Scheibe sowie Regisseur Martin Maria Blau gestellt haben. Indes: Sie haben sich an „Goethes sämtliche Werke ... leicht gekürzt“ keineswegs verhoben, wie nicht bloß der vom Publikum begeistert gefeierte fast dreistündige Abend zeigte.

Stimmig, fast mystisch der Einstieg: Zu dezenter Klaviermusik betritt Bader in der Rolle des langjährigen Goethe-Vertrauten Eckermann die Bühne, ehe sie Ehnert als Johann Wolfgang von Goethe vom Zuschauerraum aus erklimmt. Am Tag vor seinem letzten, dem 82. Geburtstag reist er auf den Kickelhahn nach Ilmenau, wo er einst sein Gedicht „Wandrers Nachtlied“ („Über allen Gipfeln ist Ruh’ …“) an die Wand der Jagdhütte geschrieben hatte. Dann hebt sich der Vorhang, und alsbald kommen mehr als ein Dutzend verschiedener Kisten zum Vorschein.

Sie dienen als Requisite und Kulisse (Ausstattung: Sylvia Hartmann), wie sie Bader und Ehnert als kabarettistische Kämpfer im Bader-Ehnert-Kommando (BEK) zu nutzen wussten. Elemente des BEK finden sich in diesem ungewöhnlichen Stück vom Leben, Leiden und Schreiben des deutschen Universalgenies immer wieder, wenn etwa die beiden Schauspieler aus ihren Rolle fallen oder die Figuren wechseln.

Musik-Comedian, Pianist und Komponist Scheibe zeigt insbesondere in Frauenrollen wie Goethes Straßburger Liebschaft Friederike Brion oder dessen Weimarer Freundin Charlotte von Stein feine femine und komische Züge. Und Goethe ist an diesem Abend für alle da: Jeder der drei darf ihn mit Perücke mal geben, ohne dass der große Dichter und Denker, von Haus aus Jurist, der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Darin liegt die Kunst in „Goethes sämtliche Werke ... leicht gekürzt“, die nach einem etwas zu langen ersten Teil nach der Pause zu einem turbulenten und erhellenden Potpourri geraten.

Da haben die Zuschauer den „Jurassic der Klassik“, wie Scheibe Goethe in einem Rap nennt, schon als 23-Jährigen mit dem Freiheits-Epos „Götz von Berlichingen“ erlebt. Haben seinen Förderer Carl August Herzog von Sachsen-Weimar (Ehnert herrlich sächselnd) kennengelernt, ,„Die Leiden des jungen Werther“ und das Trauerspiel „Clavigo“ hinter sich gebracht.

Den „Torquato Tasso“ gestalten die drei Darsteller auf einer Kiste stehend als eine Art öffentliche Leseprobe, und Goethes „Italien-Reise“ schmückt das Trio musikalisch gekonnt aus, garniert mit Ehnerts Kritik an SUVs inklusive der aktuellen VW-Dieselmanipulation. Bader brilliert mit einer Reich-Ranicki-Parodie über Goethes Werke, und über das Zwischenspiel „Egmont“ gelangen die drei tatsächlich sogar bis zu „Faust“.

Fast scheint mit „Über allen Gipfeln ist Ruh“ der Reigen geschlossen, da springt noch Schiller wie Kai aus der Kiste. So schließt sich der Kreis – mitsamt schmissiger Musik.

„Goethes sämtliche Werke ... leicht gekürzt“ wieder So 27.9., 19.00, bis 22.3. 2016, Altonaer Theater (S Altona), Museumstr. 17, Karten zu 18,- bis 41,- unter T. 39 90 58 70; www.altonaer-theater.de