Zum 70. Geburtstag des Starregisseurs erscheint eine DVD-Box mit zehn seiner wichtigsten Werke. Filme werden restauriert.
Wim Wenders kommt in letzter Zeit aus dem Feiern gar nicht mehr heraus. Zu bejubeln war unter anderem eine Oscar-Nominierung für seinen Dokumentarfilm „Das Salz der Erde“, Retrospektiven seines Werks im MoMA in New York, bei der Berlinale und auf Arte. Sehr passend zu Wenders’ 70. Geburtstag am morgigen Freitag. Das Label Studiocanal begeht den Festtag mit zwei Veröffentlichungen, einer „Best of“-DVD-Box und der digital restaurierten Fassung von „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“. Die Box – Preis etwa 70 Euro – enthält die Wenders-Klassiker „Alice in den Städten“, „Der amerikanische Freund“, „Der Stand der Dinge“, „Paris, Texas“, „Der Himmel über Berlin“, „Bis ans Ende der Welt“, „In weiter Ferne, so nah!“, „Lisbon Story“, „Buena Vista Social Club“ und „The Million Dollar Hotel“.
„Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ ist Wenders’ erster Film, den er nach Abschluss der Filmhochschule gedreht hat. Es ist ein kurioses Werk nach der gleichnamigen Erzählung von Peter Handke mit Arthur Brauss, Kai Fischer und Erika Pluhar in den Hauptrollen. Wenders selbst nennt den Film einen „Thriller ohne Spannung“. Seit 40 Jahren konnte der Film aus dem Jahr 1971 – nur 9722 Zuschauer hatten ihn laut „blickpunkt: film“ damals gesehen – nicht mehr in Kinos oder auf DVD gezeigt werden. Grund dafür waren die ungeklärten Musikrechte. Der noch unerfahrene Wenders hatte einfach einige Lieblingsstücke in den Film mit eingebaut, darunter Songs von Elvis Presley und Roy Orbison.
„Ich habe gedacht, die Musikrechte kläre ich später“, sagte Wenders in einem Beitrag über die Restaurierung seines Werks. Musikrechte können teuer sein, eventuell auch sehr teuer. Aber man kann sie erwerben. „Von Elvis? Du machst wohl Witze“, sagt der Regisseur zum Preisniveau.
Also stand er vor einem Dilemma: entweder den Film nie wieder zeigen oder aber die Musik verändern. Genau das hat die vor zwei Jahren gegründete Wenders-Stiftung nun getan: Sechs Songs wurden ausgetauscht und durch neu komponierte ersetzt. Damit der Klang authentisch blieb, bediente man sich bei der Mischung alter Technik, die in den 70er-Jahren auch für Aufnahmen von Vinylplatten verwendet wurde. Außerdem war die Tonspur vom Essig-Syndrom, einem Zersetzungsprozess, befallen und musste ohnehin bearbeitet werden. Filmwissenschaftler reagierten trotzdem zunächst alarmiert. „Es ist schon ein starker Eingriff in das Original, aber es ist ja der Regisseur selbst, der das macht“, sagt Stiftungs-Geschäftsführerin Laura Schmidt. Der Orbison-Song ist übrigens dringeblieben.
Um auch in Zukunft seine Filme zeigen zu können, werden diese nun restauriert, was pro Film mindestens 40.000 Euro kostet. Oft haben die Fachleute dabei mit überraschenden Umständen zu kämpfen. Der Film „Alice in den Städten“ entstand 1974 mit einem sehr kleinen Budget. Wenders hatte nicht einmal genug Geld für das 35-Millimeter-Filmmaterial und drehte auf dem kleineren Format von 16 Millimetern. Auch bei der Kopienherstellung wurde gespart. Nicht von einer eigens dafür angefertigten Kopie wurden sie gezogen, sondern vom Original. Und zwar mehr als 80 Stück.
Mag das Wenders-Ouevre auch museal werden, der Regisseur ist es noch nicht
„Dementsprechend sah das Original dann natürlich auch aus“, sagt Laura Schmidt. Risse, Kratzer und Schimmel hatten es angegriffen. „Man musste sich jeden der 24 Frames pro Sekunde ansehen und sie von Hand retuschieren“, erzählt die Geschäftsführerin. Am Ende waren das etwa 50.000 Bilder.
Andere Filme, andere Sorgen. Bei „Der Himmel über Berlin“ aus dem Jahr 1987 war die Arbeit kompliziert, weil farbiges und schwarz-weißes Filmmaterial von Hand zusammengefügt wurden. Bei „Nick’s Film“ existieren zwei unterschiedliche Schnittfassungen. Für welche sollte man sich entscheiden?
Restaurierungen sind aber nur ein Zweck der Wenders-Stiftung. Die Institution vergibt Stipendien an Nachwuchsfilmer und trägt das Werk des Namensgebers zusammen. Hilfreich ist bei Letztgenanntem, dass der Regisseur immer eigene Produktionsfirmen besaß. Allerdings: Als die Firma „Das Werk“ zu Beginn der 2000er-Jahre Insolvenz anmelden musste, verlor Wim Wenders die Rechte an seinen eigenen Filmen. Erst mithilfe des Hamburger Produzenten Peter Schwartzkopff und der gemeinsamen Firma Reverse Angle konnte er sie zurückerwerben.
Mag das Wenders-Oeuvre auch langsam museal werden, der Regisseur ist es noch nicht. In diesem Jahr brachte er „Every Thing Will Be Fine“ ins Kino, eines der ersten 3-D-Familiendramen. Von Altersmüdigkeit sei da noch nichts zu erkennen, sagt Laura Schmidt: „Wenders sichert sein Werk, ist aber als intermedialer Künstler immer noch neugierig und weiterhin dynamisch on the road.“
„Best of Wim Wenders“, zehn DVDs, 1160 Min., ab 16 J., „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“, 101 Minuten, ab 12 Jahren, beide Studiocanal; Infos im Internet unter www.wim-wenders.com