Hamburg. Ein Interview mit der Hamburger Autorin Regula Venske, die seit 2013 Generalsekretärin des PEN-Zentrums Deutschland ist.

Das Café des Hamburger Literaturhauses, es ist später Nachmittag. Regula Venske bestellt für sich einen Tee und ein Joghurt-Törtchen, das von drei Himbeeren gekrönt ist. Die Hamburger Autorin und Literaturwissenschaftlerin ist seit Mai 2013 Generalsekretärin des PEN-Zentrums Deutschland, eine wichtige der weltweit über 140 Schriftstellervereinigungen, die im Internationalen PEN vereint sind. Jüngst wurde sie während der Jahresversammlung der Autorenvereinigung in Magdeburg in ihrem Amt bestätigt. Venske ist vor allem mit ihren Kriminalromanen („Ein allzu leichter Tod“, „Der Bajazzo“) bekannt geworden. Sie hat zudem diverse Kurzgeschichten, Kinderbücher und Literaturkritiken geschrieben.

Hamburger Abendblatt: Welche Aufgaben stehen aktuell für den PEN an?

Regula Venske: Zum einen das Engagement für verfolgte Schriftsteller, Writers in Prison: Ein aktueller Fall ist etwa Raif Badawi in Saudi-Arabien, der zu 1000 Peitschenhieben verurteilt wurde. Oder denken Sie auch an den Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo, der im Dezember 60 wird und noch fünf Jahre Haft vor sich hat.

Wie sieht da konkret die Hilfe des PEN aus?

Venske : Sie besteht unter anderem darin, die Öffentlichkeit zu informieren, um über den öffentlichen Druck auch einen gewissen Schutz herzustellen. Wir schreiben zudem an die Machthabenden in den spezifischen Ländern und an deren Botschaften in Deutschland, auch an die Gefängnisleitungen und die Gefangenen selbst, damit signalisiert wird: Ihr seid nicht vergessen.

Bei Amnesty International etwa ist die öffentliche Resonanz sehr groß. Wie ist die Resonanz auf das Wirken des PEN?

Venske : Sie ist steigerungsfähig. Wir bauen gerade eine neue Facebook-Seite auf.

Ist die Resonanz denn früher stärker ­gewesen?

Venske : Ja, zu Zeiten Heinrich Bölls ­etwa, als die Zeit sowieso politischer war. Heute gilt die öffentliche Wahrnehmung oft mehr Einzelschicksalen, bei denen empathisch mitgegangen wird. Wir engagieren uns für die Freiheit des Wortes. Aber wir arbeiten im Präsidium ehrenamtlich, da hat Amnesty ganz andere Möglichkeiten.

Der PEN ist eine hoch angesehene Organisation. Aber: Steht der Einfluss tatsächlich in einer angemessenen Relation zum Ansehen?

Venske : Schwierig zu sagen. Der internationale PEN ist Berater bei Uno und Unesco, wodurch sich natürlich Einflussmöglichkeiten ergeben. In Deutschland stehen wir zum Beispiel in Kontakt mit der Kulturstaatsministerin, die unsere acht Stipendiaten des Writers-in-Exile-Programms finanziert, wie aktuell den kolumbianischen Autor Erik Arellana Bautista, der in seiner Heimat politisch verfolgt wird und jetzt als unser Gast in Hamburg lebt.

Das deutsche PEN-Zentrum gilt als starkes und aktives Zentrum. Worin besteht diese Stärke vor allem?

Venske : In erster Linie in unserem großen Engagement. Wir sind schon sehr deutsch und gut organisiert (lacht). Wir gelten als reiches Zentrum, was wir aber nicht sind. Unsere Mitglieder sind Autoren, die oft in finanziell prekären Situationen leben. Aber wir mischen uns ein und stellen einiges auf die Beine.

Wie finanziert der PEN seine Arbeit?

Venske : Über Mitgliederbeiträge, derzeit 160 Euro im Jahr, über die staatliche Finanzierung durch BKM und Auswärtiges Amt, und über Spenden. Wir freuen uns über jede Zuwendung und auch, wenn Interessierte unserem Freundeskreis beitreten.

Wie viele Mitglieder hat der deutsche PEN?

Venske : Rund 700.

Ist die Tendenz eher steigend oder fallend?

Venske : Mehr oder weniger konstant, wenngleich es leider eine hohe Sterberate gibt. Der Altersdurchschnitt liegt bei knapp 60 Jahren.

Woran liegt das? Haben junge Autoren kein Interesse am PEN?

Venske : Man kann sich nicht selbst bewerben, sondern muss von zwei Bürgen vorgeschlagen werden. Auf der Jahrestagung wird abgestimmt und zugewählt. Manchmal sind bekannte Autoren offenbar gar nicht gefragt worden, da herrscht ein gewisser Wildwuchs. Die Satzung nennt als Aufnahmebedingungen „schriftstellerisch beachtliche Werke oder andere bedeutende Verdienste um die Literatur“.

Das kann man natürlich recht weit interpretieren.

Venske : Ja, und in der Regel hat man schon ein gewisses Alter, bis man diese Voraussetzungen erfüllt.

Also kein Generationenkonflikt?

Venske : Ich glaube, manches hat auch noch mit der deutsch-deutschen Vereinigung zu tun. Bei der schwierigen Vereinigung der beiden deutschen PEN-Zentren waren manche Widerstände und Ressentiments zu überwinden. Inzwischen sind wir in der Gegenwart angekommen. Es herrscht sehr viel mehr Offenheit und Neugierde auch gegenüber Autoren, die man erst einmal nicht kennt.

Was bei einem Durchschnittsalter der Mitglieder von rund 60 Jahren ja auch bitter nötig ist. Sonst ist die Zukunft des PEN bald eine biologische Frage.

Venske : Dazu eine Anekdote: Im vergangenen Jahr erhielt ich eine Anfrage vom internationalen PEN, ich solle Fotos deutscher PEN-Autoren unter 25 schicken für die internationale Homepage zum „Tag des jungen Autors“. Da habe ich zurückgeschrieben: Bei uns ist man jung, wenn man unter 60 ist!

Schaut man auf die Homepage des deutschen PEN, sieht man, dass im Präsidium eine deutliche Männermehrheit besteht. Wird im PEN nicht über die Frauenquote diskutiert?

Venske : Interessant, dass Sie das anmerken. Wir haben jetzt gerade von drei Absolventinnen der Journalistenhochschule in Hannover ein PR-Konzept entwickelt bekommen, in dem genau das auch moniert wird. Der PEN habe das „Image eines Altherren-Clubs“. Es stimmt, Frauenthemen standen im deutschen PEN bislang nicht auf der Tagesordnung, im Unterschied zum Internationalen PEN, in dem es auch eine Women’s Group gibt. Aber auch das ändert sich jetzt. Mit Franziska Sperr als Writers-in-Exile-Beauftragter sowie Nina George und Tanja Kinkel sind wir doch tolle Frauen im Präsidium. Etwa ein Drittel der Mitgliedschaft ist weiblich.

Wie viel Zeit nimmt das Engagement als Generalsekretärin in Anspruch? Leidet darunter die eigene Arbeit als Schriftstellerin?

Venske : Der zeitliche Aufwand ist manchmal schon recht groß. Ich denke aber, dass mich die Tätigkeit auch schriftstellerisch beflügelt und neue Themen eröffnet.