Hamburg. Dass Eltern häufig die Musik nicht mögen, die ihre Kinder hören, ist altbekannt. Gangsta-Rap ist eine besondere Herausforderung.

„Ich schieß auf Claudia Roth.“ „Ich f... dich mit meiner Pumpgun.“ Die Rap-Nummern, die aus vielen Kinder- und Jugendzimmern dringen und längst die deutschen Charts erobert haben, können schon irritierend sein – vorsichtig ausgedrückt. Denn: Es gibt Gangster, und es gibt Rapper – und im profitablen Fall für beide Seiten hat sich daraus der Gangsta-Rap als Musikrichtung herauskristallisiert. Er beschäftigt vor allem in den USA Musiker, Fans, Kritiker und Gerichte. In den neunziger Jahren gab es regelrechte Bandenkämpfe unter Rappern, vor allem zwischen den Protagonisten der Ost- und Westküste. Sie endeten oft mit dem Tod von Musikern. In Deutschland heißen die bei jungen Leuten populären Rapper Kollegah oder Haftbefehl.

Ein Gespräch zwischen Abendblatt-Redakteur Christoph Rybarczyk, 47, und seinem Sohn Luis, 15, über coole Jungs und obszöne Texte.

Christoph Rybarczyk: Was ist so faszinierend an Gangsta-Rap? Die Musik, die harten Texte, die Typen...

Luis: Die Musik natürlich, die Beats, die Double Time.

Rybarczyk: Was ist das?

Luis: Wenn man sehr schnell rappt. Und die Rapper sich gegenseitig dissen.

Rybarczyk: Eine Rap Battle, eine Schlacht der Reime.

Luis: Genau.

Rybarczyk: Warum müssen die Texte so derb, so obszön sein?

Luis: Weil man zeigen will, dass man ein harter Typ ist. Aber eigentlich erzählt man ja nur eine Geschichte, die erfunden ist.

Rybarczyk: Das ist doch voll macho, wenn...

Luis: Sag nicht „voll macho“, das ist Jugendsprache. Du bist alt.

Rybarczyk: Es ist vulgär und obszön, wenn man sagt: „Ich f... dich mit meiner Pumpgun.“

Luis: Das zeichnet Rap doch aus. Das ist von Kollegah. Rap-Songs sind ausgedachte Geschichten, in ein Lied verpackt.

Rybarczyk: Aber Rapper werden bisweilen gewalttätig, Tupac Shakur war selbst häufiger handgreiflich geworden und wurde später erschossen. Sein damaliger Manager, der Rap-Mogul Suge Knight, steht jetzt wegen Fahrerflucht und Totschlags vor Gericht. Gewalt zu predigen und sie auszuüben, das liegt offenbar nah beieinander.

Luis: Wer denkt, die Rapper meinen es in ihren Songs ernst, der versteht den Rap nicht, der hat sich nur oberflächlich damit befasst.

Rybarczyk: Anderes Beispiel. Die Studentin Tugce wurde von einem jungen Mann geschlagen und ist bekanntlich an den Folgen gestorben. Der Mann hat angegeben, Fan von Haftbefehl zu sein. Besonders bitter: Haftbefehl soll Tugce gekannt haben.

Luis: Das sind doch genau solche Leute, die Rap oberflächlich sehen. Die glauben, dass das Wort für Wort stimmt in den Texten. Dabei ist doch viel ironisch gemeint. Wenn jemand umgebracht wird und der Täter klassische Musik hört, heißt das nicht, dass klassische Musik zu Gewalt führt. Wenn ein Dichter ein Gedicht schreibt, ist er doch meist auch nicht derjenige, der mit „Ich“ in dem Text gemeint ist.

Rybarczyk: Kollegah soll auch mal jemanden geschlagen haben. Er stand deswegen vor Gericht. Das Verfahren wurde aber eingestellt. Ist der ein Vorbild? Er sagt auch: „Von Salat schrumpft der Bizeps.“ Toll.

Luis: Es gibt mehr Gewalttätige, die nicht rappen, als Leute, die rappen und gewalttätig sind.

Rybarczyk: Was ist der Unterschied zwischen Kollegah und Haftbefehl?

Luis: Haftbefehl macht manchmal nur Haus-Maus-Rap.

Rybarczyk: Haus-Maus?

Abendblatt-Redakteur
Christoph
Rybarczyk und sein Sohn Luis
Abendblatt-Redakteur Christoph Rybarczyk und sein Sohn Luis © Bodig

Luis: Ja, da reimt sich Haus auf Maus und solche simplen Sachen. Haftbefehl macht Rap für eine bestimmte Zielgruppe. Eigentlich basiert der Rap auf anspruchsvolleren Texten. Aber Haftbefehl hat einen guten Beat, guten Sound, guten Flow. Bei Kollegah sind die Punch Lines besser. Bei ihm ist auch die Technik besser. Kollegah rappt häufig in double time, das muss man über Jahre lernen.

Rybarczyk: Über Jahre hat uns auch Bushido beschäftigt. Er hat mal getextet: „Ich schieß’ auf Claudia Roth...“

Luis: „… und sie kriegt Löcher wie ein Golfplatz.“ Ist das nicht verboten worden? Das ist doch typisch für den Rap, so ein krasser Vergleich. „Ich schieße“ heißt nicht, ich ziehe meine Pistole, sondern es bedeutet: Ich kritisiere sie, ich disse sie. Dissen heißt außerdem anprangern oder auch anpöbeln.

Rybarczyk: Wer ist eigentlich Claudia Roth?

Luis: Politikerin?

Rybarczyk: Stimmt, bei den Grünen. Und sie war Tourmanagerin bei Ton, Steine, Scherben, eine Band, die früher mal war, was heute Kollegah und Haftbefehl für das Establishment sind. Ich frage mich, was sie sagen würde, wenn sie hört, was Kollegah so rappt: „Bitch, du weißt wer am Start ist, deine Crew flieht in Panik. Der Don, ich komm’ im Ferrari, Beifahrersitz: ‘ne Afghanin. Leben auf der Überholspur, mein Rap ist Testosteron pur. Wie ‘ne lebenslange Anabolkur...“ Je krasser, desto besser?

Luis: Zu krass gibt es nicht.

Rybarczyk: Rap ist oft schwulenfeindlich und frauenfeindlich. Hören Mädchen auch Gangsta-Rap?

Luis: Ja, sie hören das auch. Die singen sogar mit. Schwule gehen auch auf Rap-Konzerte.

Rybarczyk: Es gibt auch schwule Rapper.

Luis: Ja?

Rybarczyk: Es gibt sogar Frauen, die rappen.

Luis: Wer?

Rybarczyk: Naja, Lauryn Hill von den Fugees war eine der ersten weltbekannten. Die Fugees mit Lauryn Hill und Wyclef Jean, das waren die Beatles des Hip Hop, hat Bono von U2 mal gesagt.

Luis: Wer ist Bono?