Hamburg. Das Ohnsorg bringt „Ein Käfig voller Narren“ op Platt heraus. Intendant Seeler und Regisseur Thannhäuser über das Erfolgsmusical.

Als der französisch-italienische Film „La Cage aux Folles“ Ende der 70er-Jahre ins Kino kam, wurde Edouard Molinaros „Ein Käfig voller Narren“ auch hierzulande zum unverhofften Kassenschlager. Die in St. Tropez angesiedelte Geschichte um den schwulen Nachtclub-Besitzer und ­Familienvater Renato, gespielt von Udo Tognazzi, und seinen Partner, den Club-Star Albin (Michel Serrault), war der erste international erfolgreiche Film aus dem Drag-Queen-Milieu, war für den Oscar nominiert und gewann 1980 einen Golden Globe.

Der Film basierte auf Jean Porets Theaterstück von 1973. Als Musical erlebte „Ein Käfig voller Narren“ vor 30 Jahren im Theater des Westens in Berlin seine deutschsprachige Premiere. Zu Pfingsten nun feiert der musikalische Schwank als „Dat Narrenhuus“ am Ohnsorg plattdeutsche Erstaufführung – mit Publikumsliebling Erkki Hopf als Nachtclub-Star Alwin alias ­Zaza und Hardy Rudolz („Cats“, „Phantom der Oper“) als Nachtclub-Chef und Vater Georg. Erstmals am Ohnsorg inszeniert Frank Thannhäuser, seit 21 Jahren Chef des Imperial Theater, das vor seinem Durchbruch als Deutschlands erfolgreichstes Krimitheater Musicals („Grease“) produziert hatte. Im Abendblatt-Interview erläutern Thannhäuser und Ohnsorg-Intendant Christian Seeler, wie es zu der ungewöhnlichen Liaison kam und ­warum das Thema von „Ein Käfig voller Narren“ für sie bis heute aktuell ist.

Hamburger Abendblatt: Herr Seeler, was hat Sie denn geritten, das Ohnsorg sechs ­Wochen lang in ein „Narrenhuus“ zu verwandeln?

Christian Seeler: Von Richard Ohnsorg stammt das Zitat: „Es hat mal jemand gesagt, das Theater ist ein leichtes ­Irrenhaus. Das stimmt nicht so ganz. Es ist gar nicht so leicht.“ Spaß beiseite: ­Jedes Theater ist immer irgendwie auch ein „Narrenhaus“ – und das macht ja den besonderen Reiz aus! Das Musical „Ein Käfig voller Narren“ – „Dat Narrenhuus“ gehört zu den schönsten musikalischen Bühnenwerken, die man seinem Publikum heute zeigen kann. Neben der wunderbaren Musik, mit vielen Ohrwürmern, wird eine sehr aktuelle Geschichte erzählt, in der es um Liebe und Toleranz geht. Ich bin sicher, die Zuschauer werden unser „Narrenhuus“ ins Herz schließen.

Und Sie, Herr Thannhäuser, wie sind Sie von der Reeperbahn an den Heidi-Kabel-Platz gekommen?

Frank Thannhäuser: Mit dem 112er-Bus – und aufgrund einer Einladung, ein Stück zu inszenieren, das ich, seit ich es kenne, sehr liebe. Noch dazu in einem Haus, dem ich schon lange sehr zugetan bin. Wie kann man da nein sagen?

Inwieweit sind Sie als gebürtiger Kasseler mit dem Plattdeutschen vertraut?

Thannhäuser : Meine Großeltern haben Platt gesprochen, wenn auch sehr ­selten, aber es hat mich immer interessiert. Zur Vorbereitung habe ich die ­Gelegenheit beim Schopf gepackt und ein wenig in meine Fortbildung investiert. Es bot sich die Gelegenheit zu einem 1-a-Volkshochschulkursus, der nicht nur viel Freude gemacht hat, sondern auch tatsächlich ein wenig Wissen in das alte Kasseler Gehirn gebracht hat. Ich kann das nur jedem empfehlen.

Kein Muffensausen, erstmals op Platt zu inszenieren – und das an der renommiertesten Bühne fürs Niederdeutsche?

Thannhäuser : Es gibt immer ein erstes Mal. Moses hat auch nicht anderswo ­geübt, eh er das rote Meer geteilt hat. Ich habe, wie alle Regisseure am Ohnsorg Theater, ein wunderbares Team von Fachkräften um mich herum, die mich im Plattdeutschen bestens unterstützen, da muss man keine Schwellenangst haben.

Herr Seeler, was hat Sie bewogen, Frank Thannhäuser als Regisseur zu engagieren – außer der Tatsache, dass er wie am Imperial in Personalunion auch für die Kostüme verantwortlich zeichnet?

Seeler: Sie meinen damit, dass wir als Privattheater froh waren, die Extragage für den Kostümbildner zu sparen? Nein – so ist es natürlich nicht. Frank ist ein ausgewiesener Musical-Spezialist, der sehr erfolgreiche Inszenierungen auf die Bühne gebracht hat. Ich habe viele Aufführungen gesehen und ihm dann unser „Narrenhuus“ angeboten. Bei den Verhandlungen hat sich die Personalunion als Regisseur und Kostümbildner ergeben. Die Zusammenarbeit ist großartig. Ich habe selten einen Regisseur oder Kostümbildner getroffen, der so akribisch vorbereitet war.

Mit Hardy Rudolz haben Sie zusätzlich eine Musical-Koryphäe engagiert. Auch sonst scheint die Produktion recht aufwendig zu sein.

Seeler: Sehr aufwendig! Aber das gehört bei diesem tollen Musical einfach dazu. Allein die Hauptfigur Zaza hat 14 verschiedene Kostüme. Da hat sich Frank richtig austoben dürfen. Wir konnten allerdings relativ kostengünstig produzieren, da wir uns die hervorragende Orchestereinspielung der Nürnberger Symphoniker und auch viele Kostüme und Ausstattungsdetails mit der Comödie in Fürth teilen, die dieses Stück in einer eigenen Fassung ebenfalls spielt. Hardy Rudolz ist zudem ein Glücksfall in der Rolle des Georg. Er ist der musikalische Leuchtturm dieser Produktion.

Worin lag der Reiz und worin die Schwierigkeit, mit dem ausgezeichneten Übersetzerduo Hartmut Cyriacks/Peter Nissen die Stückfassung und die Titel op Platt zu entwickeln?

Seeler : Bei jeder Stückübersetzung muss genau geprüft werden, ob – und inwieweit – sich die Geschichte glaubhaft in den norddeutschen Raum verlegen lässt. Beim „Narrenhuus“ ist das ganz unproblematisch, da ein Travestie-Club überall beheimatet sein kann, ob in Marseille oder in Hamburg. Denken wir nur an das renommierte Pulverfass. Schwierig ist bei einem Musical die Übersetzung der Liedtexte, da es wirklich auf jede Note ankommt und man sehr viel Sprachgefühl und Fantasie benötigt.

Thannhäuser : Bei jeder Übersetzung kommt es immer auf die Idee dahinter an. Hat man die für sich gefunden und weiß man, wie Lieder, Reime, Dialogpassagen aufgebaut sind, erschließt sich ein Stück recht schnell. Hat man die nicht, irrt man lange umher. Bei Cyriacks und Nissen hatten wir das Glück, dass sie sehr schnell den Rhythmus des Stücks und die Pointiertheit der Songs im Gefühl hatten. Für mich als „alten“ Musical-Übersetzer war das ein großes Vergnügen, den beiden Füchsen über die Schulter sehen zu dürfen.

Worin aber liegt heute noch die Komik in dem schwulen Thema?

Seeler : Der Stoff ist aktueller denn je, wenn man sich die Anfeindungen und Ausgrenzungen vor Augen führt, denen Menschen heutzutage noch ausgesetzt sind. Dazu gehören glücklicherweise bei uns ja nicht mehr in erster Linie Schwule oder Lesben. Aber was ist zum Beispiel mit Flüchtlingen, Verfolgten oder religiös Andersdenkenden? Es geht in dieser Geschichte um Toleranz und Respekt, um Liebe und Vertrauen – aber auch um den Mut, das eigene ­Leben so individuell zu gestalten, wie man nur will.

Thannhäuser : Für mich ist das Thema eigentlich nicht gealtert, denn bricht man es auf das Wesentliche herunter, entfernt man schrille Garnitur und schillernde Aufmachung, bleibt am Ende eine Familie übrig, die ein wenig anders ist als die von nebenan. Die ihr Leben lebt und die, durch die Liebe, die sie vereint, eine schwere Krise übersteht. Sie ist kompatibel mit vielen Familien, ob hetero- oder metro- oder irgendwie sexuell. In den Proben lache ich mit unserer Hauptfigur Alwin und ich weine mit ihr, und wenn unsere Ohnsorg-Familie vom Schauspiel bis zur Technik es hinbekommt, dass Gäste in der Pause zueinander sagen „Gisela, das ist ja wie bei uns zu Hause“, dann haben wir alles richtig gemacht und ein 40 Jahre altes Stück hat ein verdientes neues Leben – denn alte Liebe rostet nicht.

Und Herr Seeler, wann und in welcher Rolle sieht man Sie künftig mal im Imperial Theater – außer als interessierten Premierenbesucher versteht sich?

Seeler : Einen sehr guten Intendanten hat das Imperial Theater ja schon, da sind meine Chancen natürlich gering! Vielleicht bewerbe ich mich bei ihm mal als Halstuchmörder oder Assistent von Jerry Cotton. Wer weiß, was noch so kommt?

Thannhäuser: Ich bin zu allem bereit und auf alles gefasst, Chef!

Dat Narrenhuus“ Premiere So 24.5., bis 5.7., Ohnsorg Theater, Heidi-Kabel-Platz 1, Karten unter
T. 35 08 03 21; www.ohnsorg.de